Ortskräfte

Innenminister Seehofer sieht Deutschland in Pflicht, den Ortskräften in Afghanistan zu helfen. Dabei verweist er ausdrücklich auf Möglichkeiten der schnellen Verfahren. Dabei sei er auch bereit, ein gewisses Risiko einzugehen. Im äußersten Fall plädiert er zudem für einen deutschen Alleingang.

Wie viel wusste das Auswärtige Amt bereits von der drohenden Gefahr in Kabul im Mai? Ein internes Protokoll, das ntv vorliegt, legt nahe: Ortskräfte wollte man trotz großer Risiken länger vor Ort behalten. Von Philipp Sandmann

Wenige Tage bevor die Bundeswehr ihr Lager im afghanischen Masar-i-Scharif verlässt, entwirft das Verteidigungsministerium Pläne für ausreisewillige Ortskräfte. Doch letztendlich werden die Charterflüge storniert. Ende Juni habe es noch andere Möglichkeiten zur Ausreise gegeben, so das Ministerium.

Vier Tage bevor die Bundeswehr ihren Standort in Afghanistan aufgibt, hat das Ministerium die Ausreise von Dutzenden Ortskräften geplant. Doch die Aktion scheitert an Visa- und Pass-Fragen. Ministerin Kramp-Karrenbauer zeigt nun mit dem Finger auf das Auswärtige Amt.

Für afghanische Ortskräfte, aber auch für deutsche Staatsbürger ist das von den Taliban beherrschte Kabul zur Falle geworden. Einige von ihnen wenden sich an die Medien, um Hilfe zu erhalten.

Nach der Machtergreifung der Taliban suchen viele Afghanen einen Weg raus aus dem Land. Daher bereiten sich in Deutschland die Bundesländer auf die Aufnahme von mehreren tausend Flüchtlingen vor. Vor allem afghanischen Frauen soll Asyl gewährt werden.

Bei ihrer Eroberung Afghanistans bringen die Taliban biometrische Instrumente aus den Beständen der US-Armee in ihren Besitz. Darauf befinden sich die Daten von Menschen, die aus Sicht der Taliban Kollaborateure sind.

Marcus Grotian war für die Bundeswehr einst selbst in Afghanistan stationiert. Nun kämpft er dafür, die dort zurückgebliebenen Ortskräfte vor den Taliban zu retten. Seine Abrechnung mit den Verantwortlichen fällt deutlich aus: Bürokratie zählt in den vergangenen Tagen und Wochen mehr als Menschenleben.

Bundesverteidigungsministern Kramp-Karrenbauer erklärt Dramatik und Verzögerungen des Evakuierungseinsatzes in Afghanistan. Die zum Kabuler Flughafen entsandten Truppen hätten "die taktische und strategische Beinfreiheit", die sie benötigten.

Deutschland intensiviert die Bemühungen, um die Rettung von Ortskräften. Da die Taliban in Kabul inzwischen nur noch ausländische Staatsbürger zum Flughafen lassen, will die Bundesregierung nun mit dem neuen Machthaber direkt verhandeln.