Preise steigen rasant Der Türkei droht der nächste Inflations-Hammer


Ein Ende der hohen Inflation ist nicht in Sicht.
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Die Inflation in der Türkei gewinnt an Fahrt. Die Notenbank stemmt sich mit massiven Zinserhöhungen dagegen. Der Erfolg ist überschaubar.
Die Türkei bekommt die heftige Inflation nicht in den Griff. Obwohl die Notenbank den Leitzins auf satte 42,5 Prozent nach oben geschraubt hat, stieg das allgemeine Preisniveau im Dezember um knapp 65 Prozent. Damit erreichte die Inflationsrate den höchsten Stand seit gut einem Jahr. Und nun droht der nächste Preisschub.
Grund ist die überraschend kräftige Anhebung des Mindestlohns. Arbeitsminister Vedat Isikhan hatte Ende vergangenen Jahres angekündigt, dass der monatliche Mindestlohn 2024 auf umgerechnet 520 Euro steigen wird. Das entspricht einer Erhöhung um 49 Prozent im Vergleich zu dem im Juli festgelegten Niveau. Gemessen am Januar 2023 ist es sogar eine Verdoppelung. Etwa sieben Millionen Türken werden von der höheren Lohnuntergrenze profitieren.
Der Mindestlohn wird in der Türkei normalerweise einmal im Jahr angepasst. Wegen der hohen Inflation und der Schwäche der Landeswährung Lira hat die Regierung ihn in den vergangenen zwei Jahren aber alle sechs Monate heraufgesetzt. Die neuerliche Erhöhung werde sich "erheblich auf die Inflation auswirken", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Ökonomen, der anonym bleiben will. Die Logik dahinter: Unternehmen versuchen, höhere Lohnkosten durch höhere Preise abzufedern.
"Die Preise werden um mindestens 25 bis 30 Prozent steigen", sagte der Vorsitzende des türkischen Verbands der Schuhhersteller, Berke Icten. Dies werde sich in den Einzelhandelspreisen niederschlagen. "Eine zweistufige Erhöhung des Mindestlohns wäre sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber besser gewesen und hätte keinen plötzlichen Inflationsschub verursacht", so Icten. Die Notenbank geht bisher davon aus, dass die Inflation bis Mai auf bis zu 75 Prozent nach oben schießen wird und damit ihren neuen Gipfel erreicht. Für Ende des Jahres sagt die Bank eine Rate von 36 Prozent voraus.
Erdogan ist "Zinsfeind"
Nachdem die Geldentwertung in der Türkei 2022 noch Werte über 80 Prozent erreicht hatte, war die Inflation im Verlauf des vergangenen Jahres spürbar gesunken. Zeitweise wurden Inflationsraten von unter 40 Prozent erreicht, bevor sich die Teuerung seit dem vergangenen Sommer wieder verstärkte.
Das Inflationsproblem in der Türkei ist zum Großteil hausgemacht: Bis zu seiner Wiederwahl hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan eine lockere Geldpolitik der - nur formal unabhängigen - Notenbank durchgesetzt, obwohl die Inflation außer Kontrolle zu geraten drohte.
Erdogan bezeichnet sich als "Zinsfeind", sieht in Zinsen die "Mutter allen Übels" und behauptet entgegen den praktischen Erfahrungen der Vergangenheit und der ökonomischen Lehre, dass niedrige Zinsen für niedrige Inflation sorgen und hohe Zinsen für hohe Inflation.
Um diese unorthodoxe Geldpolitik durchzusetzen, feuerte Erdogan mehrere Notenbankchefs und Finanzminister, bis er einen Notenbankgouverneur fand, der seinen Wunsch nach niedrigen Zinsen erfüllte. Zwischendurch musste der Leiter der Statistikbehörde gehen. Erdogan hatte ihm vorgeworfen, er habe das Ausmaß der Inflation übertrieben dargestellt.
Notenbankerin zieht bei ihren Eltern ein
Die lockere Geldpolitik heizte zwar Inflation und Währungskrise an, sorgte aber zugleich für Wirtschaftswachstum - ein wesentlicher Grund für Erdogans Popularität bei seinen Wählern. Er setzte darauf, dass die Rekord-Inflation vorübergehend und lediglich ein Kollateralschaden auf dem Weg zu seiner Wiederwahl sei.
Wenige Tage nach Beginn seiner dritten Amtszeit zog Erdogan im vergangenen Sommer die geldpolitische Notbremse und setzte Hafize Gaye Erkan als Chefin der Zentralbank ein. Sie folgt der ökonomischen Lehre und schraubte die Leitzinsen von 8,5 Prozent auf das derzeitige Niveau. Die Logik dahinter: Werden Kredite teurer, dann bremst das sowohl Konsum als auch Investitionen und damit die Nachfrage. Das dämpft tendenziell die Preise. Bis die Zinserhöhungen ihre volle Wirkung entfalten, dauert es allerdings. Als Faustregel gilt eine Dauer zwischen 12 und 18 Monaten.
Die Zentralbankerin Erkan war aus New York nach Istanbul gezogen, um ihren neuen Job anzutreten. Angesichts der extrem hohen und weiter kräftig steigenden Mieten in der Millionen-Metropole wohnt sie bei ihren Eltern. "Wir haben keine Unterkunft in Istanbul gefunden", sagte sie kürzlich der Zeitung "Hürriyet". "Es ist furchtbar teuer."
Quelle: ntv.de, mit rts, dpa