Übernahme von Kartendienst Here Deutsche Autobauer machen Nokia Druck
25.04.2015, 19:04 Uhr
Der Kartendienst Here von Nokia wird verkauft, nur an wen ist noch unklar.
(Foto: n-tv)
Der Kartendienst Here wird verkauft. Doch an wen die Nokia-Tochter geht, ist weiter unklar. Die deutschen Premium-Autohersteller wollen gemeinsam den Zuschlag - und drohen andernfalls mit schweren Konsequenzen. Ihr Druckpotenzial ist enorm.
Im Übernahmekampf um Nokias Kartendienstleister Here drohen die deutschen Premium-Autohersteller mit der Kündigung ihrer Geschäftsbeziehung. Für den Fall, dass ein branchenfremder Bieter wie Facebook oder Uber neuer Eigentümer wird und damit nicht das Bieterkonsortium aus Audi, BMW und Daimler, erwägen die Unternehmen den Wechsel zu einem anderen Dienstleister. Das sagte eine mit dem Vorhaben vertraute Person im Gespräch mit Dow Jones Newswires. Die deutschen Autohersteller gehören zu Heres wichtigsten Kunden.

Die Here-Kartendienste sind nach dem Verkauf der Handy-Sparte an Microsoft ein wichtiges Standbein des finnischen Konzerns.
(Foto: dpa)
Unternehmen wie BMW und Daimler statten die Navigationssysteme ihrer Fahrzeuge mit den Kartendaten der Nokia-Tochter aus. Auch darüber hinaus arbeiten die Konzerne mit dem Dienstleister zusammen. Nokia Here unterstützt mehrere große Autohersteller zum Beispiel bei der Erforschung des automatisierten Fahrens, wie es im Geschäftsbericht von Nokia heißt. Mit BMW soll Here zudem an standortbezogenen Dienstleistungen für das vernetzte Fahrzeug arbeiten.
Die deutschen Premiumhersteller sorgten für rund 30 Prozent der Einnahmen von Nokia Here, sagte der Insider weiter. Ein Here-Sprecher sagte auf Anfrage, mehr als die Hälfte des eigenen Umsatzes erziele das Unternehmen mit Geschäften für die Automobilindustrie. Er lehnte es ab, die Herkunft der Erlöse weiter aufzuschlüsseln. Auch zu den Übernahmeplänen der deutschen Autohersteller gab der Sprecher keinen Kommentar ab.
Konkurrenz zu US-Technologiekonzernen
Doch der Druck, den die Premium-Hersteller auf Nokia ausüben, unterstreicht das Kaufinteresse der deutschen Konzerne an Here. Daten- und Softwaredienstleistungen gelten mit Blick auf das automatisierte und vernetzte Fahren als Zukunftsgeschäfte in der Automobilbranche. Diese wollen die Autohersteller nicht allein amerikanischen Technologiekonzernen überlassen, wie ihre Verantwortlichen immer wieder betonen. Zudem ist etwa die Qualität von Daten für Navigationssysteme im Wettbewerb um Autokäufer zunehmend wichtig.
Nokia hatte vor Kurzem angekündigt, im Zuge der Übernahme des Netzwerkausrüsters Alcatel-Lucent den Verkauf des digitalen Landkartengeschäfts zu prüfen. Außer den deutschen Premium-Autoherstellern gelten etwa Facebook und Uber als potenzielle Käufer von Here. Die Unternehmen gaben dazu auf Anfrage von Dow Jones Newswires keinen Kommentar ab. Ein Audi-Sprecher sagte, er kommentiere Marktspekulationen nicht. BMW und Daimler äußerten sich in schriftlichen Stellungnahmen ähnlich.
Geschäft von Here wächst
Nokia sicherte sich das Kartengeschäft seiner Sparte Here durch die Übernahme von Navteq im Jahr 2008. Nokia verfolgte damals das Ziel, ein digitales Kartenangebot in die eigene Handy-Software zu integrieren. Mit dem Verkauf des Mobiltelefongeschäfts an Microsoft fiel für Nokia allerdings der strategische Nutzen von Here weg. Die Sparte verursachte im vergangenen Jahr zudem einen operativen Verlust von 32 Millionen Euro. Das Geschäft von Here wächst derzeit aber: Im vergangenen Jahr setzte die Sparte 970 Millionen Euro um. Das war ein Plus von 6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Nokia gab den fairen Wert des Geschäfts jüngst mit 2 Milliarden Euro an.
Zu den Kunden aus der Automobilindustrie zählt Here beispielsweise auch General Motors, Ford, Jaguar, Land Rover, Honda, Nissan und Renault. Im vergangenen Jahr statteten Autohersteller nach Angaben von Here mehr als 13 Millionen Fahrzeuge mit Kartendaten der Nokia-Tochter aus. Den eigenen Marktanteil bei integrierten Navigationssystemen in Europa und den USA beziffert das Unternehmen auf 80 Prozent.
Die deutschen Premium-Autobauer verfügen nach den Angaben des Insiders mittlerweile über einen Plan B für den Fall des Verkaufs von Here an einen unliebsamen Käufer. Als mögliche andere Kartenlieferanten nannte der Insider etwa den niederländischen Navigationssystemhersteller TomTom - und Google. Der Suchmaschinen-Konzern ist zwar ein potenzieller Konkurrent der Hersteller im Geschäft mit Daten rund um das Auto. Aus Sicht der Fahrzeugbauer hätte Google aber den Vorteil, über Erfahrung im Kartengeschäft zu verfügen.
Quelle: ntv.de, hla/DJ