Endspurt im Ringen um Kaiser's Edeka hofft auf Gabriels Ja
15.11.2015, 13:06 Uhr
Das Bundeskartellamt ist gegen die Kaiser's-Übernahme durch Edeka.
(Foto: picture alliance / dpa)
Es geht um Tausende Jobs und viel Geld: Edeka kämpft um die Übernahme von Kaiser's Tengelmann. Nach dem Nein des Bundeskartellamts muss nun Wirtschaftsminister Gabriel entscheiden. Am Montag wird dazu verhandelt.
Seit fast anderthalb Jahren schon liegt der Kaufvertrag zur Übernahme der Kaiser's-Tengelmann-Supermärkte durch Edeka in der Schublade. Doch das geplante Geschäft trifft auf heftigen Widerstand. Beide Unternehmen wollen deshalb am Montag bei einer öffentlichen Verhandlung im Bundeswirtschaftsministerium in Berlin um eine Sondererlaubnis von Minister Sigmar Gabriel kämpfen. Doch auch die Gegner der Übernahme wollen mitreden. Schließlich geht es um Tausende Jobs und Hunderte Millionen Euro.
Für den Miteigentümer der Tengelmann-Gruppe, Karl-Erivan Haub, steht fest: "Das traditionelle Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen Kaiser's Tengelmann muss nach 15 Verlustjahren hintereinander aus dem Markt austreten." Seit dem Jahr 2000 habe die Tengelmann-Gruppe, zu der auch der Textildiscounter Kik und die Baumarktkette Obi gehören, Verluste von 532 Millionen Euro durch die Supermarktkette in Kauf genommen, schreibt er im Antrag auf Ministererlaubnis. Die Unternehmerfamilie habe das Minus "aus emotionalen Gründen" viel zu lange getragen und über die Muttergesellschaft ausgeglichen.
Damit soll jetzt Schluss sein. Haub will 451 der aktuell 456 Kaiser's-Tengelmann-Filialen an Edeka verkaufen. Obwohl das Bundeskartellamt das Geschäft aus wettbewerblichen Gründen untersagt hat, hält Haub es für die "beste aller Möglichkeiten". Nur eine "Gesamtübernahme" sichere alle 16.000 Arbeitsplätze. Bei einer Zerschlagung würden mindestens 8000 Stellen wegfallen, weil die Käufer nur "die Rosinen picken" würden, argumentiert Haub. Im vergangenen Jahr waren 42 Prozent der damals noch 471 Filialen defizitär. Für sie sähe es also schlecht aus.
Verdi sieht Tarifbindung gefährdet
Eine Zerschlagung hätte auch gravierende Folgen für die Staatskasse, warnen Tengelmann und Edeka. Neben Lohnsteuer- und Sozialausgabenausfällen drohten pro Jahr rund 100 Millionen Euro an Kosten für Arbeitslosengeld und Eingliederungshilfen für die dann 8000 arbeitslosen Mitarbeiter. Und diese müssten bei einer Neubeschäftigung wohl auch Lohneinbußen hinnehmen.
Die Gewerkschaft Verdi sieht allerdings auch in einer Gesamtübernahme durch Edeka eine Zerschlagung der Kaiser's-Tengelmann-Kette, da dann selbstständige Kaufleute - unter dem Dach des genossenschaftlich organisierten Edeka-Verbunds - die Filialen übernehmen würden. Die Tarifbindung, die Betriebsratsstrukturen wie auch eine "nachhaltige Beschäftigungssicherung" seien gefährdet, erläutert eine Verdi-Sprecherin. Auf die Zusicherung dieser drei Punkte will im Ministerium Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger drängen.
Auch Rewe zur Gesamtübernahme bereit
Auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sieht Arbeitsplätze in Gefahr und hat Gabriel aufgefordert, keine Sondererlaubnis für die Übernahme durch Edeka zu erteilen. Bei der Fusion stünden die zu Kaiser's Tengelmann gehörenden drei Birkenhof-Fleischwerke in Viersen, Perwenitz und Donauwörth mit rund 600 Arbeitsplätzen "zur Disposition", sagt eine Sprecherin. Edeka habe bereits verlauten lassen, nicht alle Jobs zu erhalten. Doch dafür will sich der Leiter des NGG-Hauptstadtbüros, Micha Heilmann, starkmachen.
Für eine Gesamtübernahme von Kaiser's Tengelmann steht derweil auch der Handelsriese Rewe bereit. Nur sein Unternehmen sei in der Lage, sämtliche Jobs in den Filialen, in der Logistik, in der Produktion und in der Verwaltung zu erhalten, bekräftigte Rewe-Chef Alain Caparros kürzlich noch einmal. Ein Nein des Bundeswirtschaftsministers würde deshalb "endlich den Weg freimachen für eine bessere Lösung".
Gabriel muss eine schwerwiegende Entscheidung treffen. Er kann die vom Kartellamt untersagte Fusion laut Gesetz erlauben, wenn Wettbewerbsbeschränkungen von "gesamtwirtschaftlichen Vorteilen" aufgewogen werden - wie etwa dem Erhalt von Arbeitsplätzen. Seit 1974 gingen im Bundeswirtschaftsministerium 21 Anträge auf Ministererlaubnis ein. Achtmal wurde ihnen stattgegeben, teilweise mit Auflagen. Wann der SPD-Chef seine Entscheidung zu Kaiser's Tengelmann und Edeka fällt, ist unklar. Bei der Verhandlung am Montag will er zumindest zum Teil dabei sein - "so es seine Termine erlauben", wie es aus seinem Ministerium heißt.
Quelle: ntv.de, Ulrike Tschirner, AFP