Steuern, Rente, Bürgergeld "Herbst der Reformen" fördert Unstimmigkeiten zutage
04.11.2025, 16:38 Uhr Artikel anhören
Kanzler Merz hat nach der Sommerpause einen"Herbst der Reformen" ausgerufen.
(Foto: picture alliance / photothek.de)
Die Wirtschaft schwächelt, der Staat muss trotz Sondervermögens sparen, und die Sozialsysteme müssen dringend auf Vordermann gebracht werden. Kanzler Friedrich Merz hatte daher nach der Sommerpause einen "Herbst der Reformen" angekündigt - genau ein Jahr, nachdem die Ampel-Koalition über den vom damaligen Finanzminister Christian Lindner ausgerufenen "Herbst der Entscheidungen" zerbrochen war. Doch auch der neue Herbst fördert Unstimmigkeiten in der Regierung zutage. Wie steht es um die einzelnen Vorhaben und was sind die Knackpunkte? Ein Überblick:
Rente
Alle Experten sind sich einig, dass das Rentensystem dringend und nachhaltig reformiert werden muss. Die Regierung einigte sich mit einem Rentenpaket auf einen ersten Aufschlag. Alle drei Parteien konnten darin ein Lieblingsprojekt durchsetzen: die SPD die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent, die CSU die Ausweitung der Mütterrente und die CDU die sogenannte Aktivente, die freiwilliges längeres Arbeiten im Rentenalter steuerlich belohnt. Das in der Koalition abgestimmte Paket war Mitte Oktober erstmals im Bundestag debattiert worden und soll dort noch in diesem Jahr beschlossen werden.
Allerdings gibt es Widerstände: Die sogenannte Junge Gruppe innerhalb der Unionsfraktion kritisierte, dass die Stabilisierung des Rentenniveaus jüngere Generationen zu sehr belaste, und drohte, das Paket zu verhindern. Der Vorgang belastete die Stimmung innerhalb der Koalition: Die SPD sieht Absprachen gebrochen und forderte die Unionsspitzen auf, ihre eigenen Reihen zu schließen.
Steuern
Keine Steuererhöhungen und sogar Entlastungen in Milliardenhöhe - das hat die Union den Wählerinnen und Wählern vor der Wahl versprochen und wollte damit Arbeit durch mehr Netto vom Brutto attraktiver machen. Das Steueränderungsgesetz soll zum Jahreswechsel unter anderem die Pendlerpauschale vom ersten Kilometer an auf 38 Cent steigen lassen und die Umsatzsteuer für die Gastronomie von 19 auf sieben Prozent senken. Hiergegen erheben die Bundesländer Einspruch, da sie die Mehrkosten tragen müssten.
Finanzminister Lars Klingbeil erteilte einer Kompensation aber bereits eine Absage und forderte die Länder zu härteren Sparmaßnahmen auf. Eine weitere Steuererleichterung für Arbeitnehmer soll folgen: Mit dem Arbeitsmarktstärkungsgesetz sollen auf Überstunden keine Steuern mehr anfallen. Es muss aber zunächst durchs Kabinett und anschließend in den Bundestag.
Wirtschaft und Bürokratieabbau
An diesem Mittwoch tagt das sogenannte Entlastungskabinett, das an zahlreichen Stellen Bürokratie für Bürgerinnen und Bürger, aber insbesondere für die Wirtschaft abbauen soll. Damit soll die schwächelnde Konjunktur belebt werden. Arbeitsministerin Bärbel Bas plant etwa, die Anforderungen an den Arbeitsschutz für kleine und mittlere Unternehmen zu senken.
Bereits beschlossen wurde im Sommer der Investitionsbooster, mit dem Unternehmen mehr Möglichkeiten zu Abschreibungen erhalten und somit Steuern sparen. Im September beschloss das Kabinett die Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe und die Land- und Forstwirtschaft sowie einen Zuschuss zu den Übertragungsnetzkosten. Landwirte sollen von der vollständigen Wiedereinführung der Agrardieselrückvergütung profitieren, die die Ampel-Regierung ausgesetzt hatte.
Bürgergeld
Das von der SPD-geführten Vorgängerregierung eingeführte Bürgergeld soll abgeschafft und durch eine neue Grundsicherung ersetzt werden. Die Pläne von Arbeitsministerin Bas sehen schärfere Sanktionen für Totalverweigerer vor. Beim dritten versäumten Termin sollen die Leistungen gestrichen werden. Anfang Oktober einigte sich der Koalitionsausschuss auf die Reform, die von der Union gegen Widerstände in der SPD ausgegangen war. Wie viel Geld sich einsparen lässt, ist umstritten; der Gesetzentwurf geht von eher unerheblichen Einsparungen aus.
Bas war einer Komplett-Streichung gegenüber kritisch eingestellt. Einem Teil der SPD gehen die Pläne aber trotzdem zu weit: Eine Gruppe um Juso-Chef Philipp Türmer startete ein Mitgliederbegehren dagegen. Das Gesetz ist in der regierungsinternen Abstimmung und soll noch in diesem Jahr im Kabinett und Anfang 2026 im Bundestag verabschiedet werden. Bis zum Frühjahr soll es dann in Kraft getreten sein.
Gesundheit und Pflege
In der gesetzlichen Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung klaffen Milliardenlücken. Die dringenden Reformen sollen nun von Arbeitsgruppen ausgearbeitet werden. Das Kabinett brachte in diesem Monat einen Sparplan insbesondere für Krankenhäuser auf den Weg, mit dem rund zwei Milliarden Euro eingespart werden sollen. Das soll die Beiträge für die Krankenversicherung kurzfristig stabilisieren, was Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu gleichen Teilen zugutekommt.
Quelle: ntv.de, Alexander Holecek, AFP