Wirtschaft

Wer bekommt den Schwarzen Peter? Merkel und Tsipras drücken sich vor der Wahrheit

Alexis Tsipras und Angela Merkel können nicht aufhören, mit dem Finger aufeinander zu zeigen.

Alexis Tsipras und Angela Merkel können nicht aufhören, mit dem Finger aufeinander zu zeigen.

(Foto: REUTERS)

Athen wird heute seine Schulden beim IWF nicht zahlen. Aber Tsipras und Merkel fällt immer noch nichts Besseres ein, als sich gegenseitig die Schuld zu geben. Ihnen geht es um etwas ganz Anderes.

Wie viel darf man den Griechen zumuten? Eher drei oder doch lieber 3,5 Prozent Haushaltsüberschuss? Nach offizieller Lesart sind am Wochenende die monatelangen Verhandlungen im Schuldenstreit wegen solcher Petitessen geplatzt. Doch der wahre Grund ist ein anderer: Alexis Tsipras hat sich verzockt. Und Angela Merkel ist die Schuldenkrise dank ihrer Prinzipienreiterei entglitten.

Den Griechen steht nun wirtschaftliches Chaos bevor. Athen wird um Mitternacht erstmals seine Schulden beim IWF nicht bezahlen. Das Land rutscht offiziell in den Zahlungsverzug. Die Banken sind schon dicht, die Menschen hamstern Benzin und Lebensmittel. Die Europäische Union droht irreparablen Schaden zu nehmen. Ein Mitgliedsstaat hat beste Chancen, sich in ein Entwicklungsland zu verwandeln. Und der Rest sieht einfach tatenlos zu.

Es ist zutiefst beschämend, dass beiden Seiten immer noch nichts Besseres einfällt, als mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Die Griechen wären nicht kompromissbereit, die Eurozone könne einen Grexit besser verkraften als vor fünf Jahren, ätzt Angela Merkel achselzuckend. Die Troika erpresse das griechische Volk, donnert Tsipras. Nun will er Griechenland wenigstens eigenhändig in den Abgrund reißen, in den er sich von den Geldgebern getrieben sieht. Die Verantwortung dafür sollen dann aber bitte am Sonntag die Griechen selbst beim Referendum übernehmen, nicht er.

Weder der eisernen Kanzlerin in Berlin noch dem populistischen Schuldenzauberer in Athen geht es noch um eine Lösung in der Sache. Sondern darum, den Tag der Abrechnung zu vermeiden. Der Schuldenpoker ist ein Schwarze-Peter-Spiel. Es geht darum, wer zugeben muss, dass er seine Wähler getäuscht hat.

Sowohl Merkel als auch Tsipras haben ihren Wählern versprochen, dass der jeweils andere ihre Wünsche erfüllt. Die Kanzlerin hat uns vorgegaukelt: die Griechen werden sparen und unser Geld zurückzahlen. Der griechische Premier hat getönt: die Deutschen werden unsere Schulden schon übernehmen. Es war absehbar, dass beide Versprechen mit einem lauten Knall zerplatzen würden.

Trotzdem sind beide immer noch zu feige, sich die Wahrheit einzugestehen: Athen muss endlich echte Strukturreformen anpacken, um wieder auf die Beine zu kommen. Und Berlin muss akzeptieren, dass Griechenland einen Teil seiner Schulden nicht zurückzahlen kann. Beide drücken sich vor dieser einfachen Erkenntnis.

Das ist umso absurder, weil ein Grexit es für Tsipras und Merkel noch schwieriger macht, ihre Ziele zu erreichen. Hat Athen die Eurozone erst verlassen, sind Deutschlands Hilfsmilliarden erst recht futsch: Griechenlands neue Währung würde massiv abwerten, die Rückzahlung noch illusorischer. Und hat Athen mit dem Austritt erst wirtschaftlichen Selbstmord begangen, werden Währungscrash und Inflation Rentner und Arbeitslose härter treffen als jedes Brüsseler Spardiktat - vor dem Tsipras sie ja angeblich schützen will.

Einen Vorteil hätte das Ganze allerdings: man könnte die Schuld noch besser dem anderen zuschieben.

Quelle: ntv.de

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