Was passiert in Davos? Neues vom Weltwirtschaftsgipfel
23.01.2015, 16:34 Uhr
Dr. Markus Zschaber und Björn Kising.
Ob Ukraine-Krise, China oder EZB-Anleihekäufe - auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos wurde über viele Themen diskutiert. Hat sich die Veranstaltung gelohnt?
Viele interessante Themen standen auf der Agenda des Weltwirtschaftsforums in Davos. Makropolitische Themen, wie die neu entflammte Terrorgefahr in Europa sowie der weiterhin vorherrschende Ukraine-Russland-Konflikt. Darüber hinaus lag der Fokus natürlich auf den neuen EZB-Interventionsmaßnahmen und ihr Billionen-Anleihenaufkaufprogramm. Im makroökonomischen Kontext wurden in erster Linie drei Fragen diskutiert: Hält der Ölpreisverfall an? Wie geht es mit dem Sorgenkind Europa weiter? Und gelingt China eine weiche Landung der Wirtschaft? Zu einigen Themen möchten wir kurz Stellung nehmen.
Aufgrund der vorherrschenden Aktualität möchten wir auf das neue EZB-Programm eingehen, welches natürlich auch hier in der Davos heiß und intensiv diskutiert wurde. Fakt ist, die Europäische Zentralbank hat die Schlüsselfunktion für den weiteren Verlauf in der Eurozone eingenommen. Es herrscht jetzt Klarheit. Die Verantwortlichen bei der EZB sind mit ihrem Latein noch lange nicht am Ende, was das Instrumentarium der geldpolitischen Stimulation und der Ausweitung der Notenbankbilanzsumme angeht.
Unsere Überzeugung ist, dass die Neuausrichtung der Zins- und Geldpolitik der EZB als aggressiv und am Rande des Mandats der EZB eingeordnet werden muss. Mit aller Macht und Kraft wird die EZB den Kurs der finanziellen Stabilisation Europas aufrechterhalten, was bedeutet, dass sehr tiefe Zinsen fest und auf lange Zeit im Weltbild der EZB verankert sind. Die Ziele der EZB für 2015, im Rahmen ihres billionenschweren Aufkaufprogramms sind eindeutig: Zum einen die Belebung des europäischen Kreditmarktes und zum anderen das Schwächen des eigenen Wechselkurses-Euro.
Von den offiziellen Vertretern der EU und der Notenbanken würde man natürlich eine solche Aussage nicht hören, allerdings ist die Kausalitätskette eindeutig ökonomisch einzuordnen. Hier in Davos gehen die Meinungen über den Nutzen dieses Programms sehr stark auseinander. Unserer Ansicht nach sorgt das Programm nur für einen finanziellen Nutzen, sprich für eine Stabilisation des europäischen Finanzmarktes und maximal für einen gewissen positiven konjunkturellen Effekt. Hauptprofiteur sollten deutsche Exportunternehmen sein. Einen wirklichen Lösungsansatz der strukturellen Krise in der Eurozone und die damit verbundenen hohen Ungleichgewichte hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder untereinander bietet dieses Programm aber nicht. Die Eurokrise ist keine Liquiditätsfalle im keynsianischen Sinne, wie wir sie in den USA zwischen 2008 und 2013 gesehen haben, sondern eine strukturelle Krise. Viele US-Ökonomen, aber auch viele andere Kollegen aus Europa die hier ebenfalls in Davos anwesend sind, wollen dies scheinbar immer noch nicht verstehen.
Wenn wir uns hier hinsichtlich des Ukraine-Russland-Konflikts umhören, besteht trotz der eindeutig wahrzunehmenden und durch den ukrainischen Präsidenten klar ausgedrückten verhärteten Fronten zwischen der Ukraine und Russland aktuell ein zartes Pflänzchen der Zuversicht und Hoffnung. Es gibt sogar durchaus Meinungen von außenpolitischen Experten, dass sich die Ukraine-Russland-Krise im Jahr 2015 Stück für Stück zurückbilden könnte. Zumindest scheinen die Chancen gestiegen zu sein. Viele Schilderungen erreichen uns, dass derzeit eine zunehmende Unzufriedenheit in der Bevölkerung im Westen der Ukraine mit der amtierenden Regierung beobachtet wird, wodurch der politische Druck auf eine Lösung des Konflikts steigt. Die Conclusio aus unseren Gesprächen zu diesem Thema ist, dass die diplomatischen Gräben groß sind, aber wohl nicht unüberwindbar. Es bestehen Spekulationen darüber, dass der Westen die Sanktionen gegen Russland bereits ab Sommer 2015 Stück für Stück lockern könnte. Die Zeit wird zeigen, welche Hoffnungen Realität werden.
Konsens in Davos herrscht dagegen darüber, dass bei nachfragebedingten Ölpreisrückgängen von handfesten wirtschaftlichen Schwierigkeiten und makroökonomischen Abwärtsrisiken auszugehen wäre, diese aber hier und heute nicht vorliegen.
Im Gegenteil, die starke Korrektur der Ölpreise ist auf einen Angebotsüberhang zurückzuführen und damit ein Vorbote für ein höheres Produktivitätswachstum und makroökonomische Aufwärtspotenziale. Wichtig, für alle Konsumenten und die energieintensive Industrie, sind das extrem gute Vorzeichen. In der Eurozone dürfte dies allein im kommenden Jahr einen Wachstumsimpuls von einem 0,5 Prozentpunkten bedeuten.
Das Thema "hard oder soft landing" der chinesischen Wirtschaft bleibt ebenfalls eines der "Hot – Spots" in den meisten Diskussionsrunden. Auch die Ankündigung des chinesischen Ministerpräsidenten, weitere Strukturreformen umzusetzen, um das Wachstum auf ein breiteres Fundament zu stellen haben die Furcht vor einem Abkühlen der chinesischen Konjunktur nur bedingt besänftigt, so ist zu mindestens mein Eindruck.
Unsere Einschätzung zu China ist, dass die Politik verstanden hat, welche Maßnahmen die richtigen sind. Die reduzierte Wachstumsgeschwindigkeit in China bleibt ausreichend hoch, außerdem darf nicht vergessen werden, dass die Basis elementar höher ist. In absoluten Zahlen ist das Wachstum also heute höher als noch vor fünf Jahren. Ein Wachstum um sieben Prozent ist einhergehend mit einer Steigerung des BIP um mehr als 800 Milliarden Dollar pro Jahr. Das ist ebenfalls deutlich mehr als noch vor fünf Jahren, als China mit zehn Prozent wuchs. Das Wachstum in China ist auskömmlich und die Nachfrage- sowie die Einkommenskurve der heimischen Bevölkerung steigt weiterhin. Auch die Entwicklung des Outputs der Industrieproduktion bleibt trotz aktuelle quantitativer Schwäche qualitativ robust. Insofern hält sich meine Furcht vor einer schmerzhaften Abkühlung der chinesischen Konjunktur in Grenzen.
Unsere Eindrücke aus Davos sind somit vielfältig, wie auch die Themen. Mehr Sachlichkeit in der Analyse und Präsentation von Entwicklungen und Einschätzungen wären sicherlich angebracht. Dennoch waren die vielen Gespräche und der rege Meinungsaustausch informativ und ausschlussreich. Wir freuen uns schon auf das nächste Mal ….
Dr. Markus C. Zschaber ist geschäftsführender Gesellschafter der "V.M.Z Vermögensverwaltungs-gesellschaft" (www.zschaber.de) und gibt seit mittlerweile 17 Jahren regelmäßig Interviews beim Nachrichtensender n-tv. Gemeinsam mit dem Nachrichtensender n-tv veröffentlicht er ebenfalls monatlich mit seinem "Institut für Kapitalmarktanalyse" (www.kapitalmarktanalyse.com) die Konjunkturbarometer "Welt-Index" und "Welt-Handelsindex".
Quelle: ntv.de