"Packaging" in China Warum die deutschen Autobauer den Nexperia-Streit so fürchten
28.10.2025, 09:59 Uhr Artikel anhören
Die Niederlande haben den Chiphersteller Nexperia übernommen - offenbar, um ihn vor der Zerschlagung zu retten.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Halbleiter des niederländischen Chip-Herstellers Nexperia werden in China "nur verpackt". Dass China Exporte untersagt hat, bedroht dennoch deutsche Autokonzerne wie BMW und Volkswagen. Sie fürchten Produktionsausfälle. Wie ein einzelner Arbeitsschritt eines einzelnen Herstellers so gravierende Auswirkungen haben kann: Fragen und Antworten zum Thema.
Was genau macht Nexperia?
Das Unternehmen ist eine Abspaltung des Elektronik-Konzerns Philips. Nexperia stellt vorwiegend einfachere "diskrete" Computerchips wie Dioden oder Transistoren her, davon jedoch etwa 100 Milliarden jährlich. Im vergangenen Jahr machte die Firma bei einem Umsatz von zwei Milliarden Dollar einen Gewinn von 331 Millionen Dollar. Seit 2019 gehört das Unternehmen dem chinesischen Elektronik-Konzern Wingtech.
Nexperia betreibt sechs eigene Chip-Werke, darunter jeweils eines in Deutschland und Großbritannien. Die dort produzierten Siliziumscheiben werden in China in einzelne Chips zerteilt und weiterverarbeitet, bevor sie an Autozulieferer oder Elektronik-Anbieter verschickt werden. Nexperia lässt seine Chips seit jeher in China verpacken und montieren. Die dortigen Kapazitäten wurden seit der Übernahme von Nexperia durch die chinesische Firma Wingtech um etwa die Hälfte aufgestockt.
Nexperia-Chips finden sich in fast allen elektrischen oder elektronischen Geräten: in Elektroauto-Batterien, Smartphones oder Mobilfunk-Stationen. Die Firma ist nach eigenen Angaben unter anderem Weltmarktführer bei Überspannungsschutz-Dioden und bei Transistoren.
Wer streitet sich um Nexperia und warum?
Die Nexperia-Mutter Wingtech steht seit 2024 auf einer US-Embargoliste. Daher drohen auch dem niederländischen Chip-Hersteller Sanktionen. Vor einigen Wochen übernahm die niederländische Regierung die Kontrolle über Nexperia, um den Transfer von Technologie in die Volksrepublik zu verhindern. Laut Insidern plante der frühere Nexperia-Chef Zhang Xuezheng, 40 Prozent der Belegschaft in Europa zu entlassen und eine Forschungs- und Entwicklungseinrichtung in München zu schließen.
Zuvor habe er bereits Geschäftsgeheimnisse aus dem Werk des Unternehmens im britischen Manchester in ein Werk der chinesischen Nexperia-Muttergesellschaft Wingtech transferiert, hieß es weiter. Dazu gehörten Chip-Designs und Maschineneinstellungen. Auch die Verlagerung von Anlagen aus dem Hamburger Produktionswerk sei geplant gewesen. Als Reaktion auf die niederländische Übernahme verbot die Regierung in Peking den Export von Nexperia-Produkten, die für das sogenannte Packaging nach China geschickt wurden.
Was geschieht beim "Packaging"?
Vor der Auslieferung an Kunden werden Computerchips meist bei externen Dienstleistern zum Schutz vor äußeren Einflüssen in Kunststoff-Gehäuse eingegossen und auf Funktionstüchtigkeit geprüft. Teilweise werden sie auch auf Leiterbahnen gelötet. Dieser Prozess ist vor allem bei älteren Chip-Typen sehr arbeitsintensiv, denn bei diesen lohnen sich Investitionen in eine hochautomatisierte Fertigung weniger.
Daneben gibt es noch das "Advanced Packaging". Hier werden mehrere Chips gestapelt oder kombiniert. Dieser Prozess ist technologisch anspruchsvoller und stark automatisiert. In diesem Bereich sehen Experten eine Chance für den Aufbau größerer Kapazitäten in Europa.
Warum wird in Asien verpackt und nicht in Europa?
"Länder wie Malaysia, China oder Vietnam bieten niedrige Arbeits- und Energiekosten und eine dichte Zulieferstruktur", erläutert Clemens Otte, Bereichsleiter Mikroelektronik und Kabel beim Elektrotechnik-Verband ZVEI den Transport der Chips nach Asien. Beim "Advanced Packaging" könnte sich der Aufbau von Werken in Europa eher lohnen, da Unternehmen eng mit der Forschung, den Entwicklern und den Abnehmern zusammenarbeiten müssten.
Andy Heinig, Abteilungsleiter für Effiziente Elektronik am Fraunhofer IIS, verweist auf entsprechende europäische Initiativen. Die Pläne hätten sich jedoch meist zerschlagen. Es fehle an Unterstützung durch Kunden, zum Beispiel in Form von Abnahme-Garantien.
Gibt es keine Alternativen zu Nexperia?
Nexperia kommt nach eigenen Angaben in der Chip-Branche auf einen Weltmarktanteil von knapp neun Prozent. Er halte die aktuellen Krisenszenarien daher für überzeichnet, sagt Frank Bösenberg, Geschäftsführer des Industrieverbands Silicon Saxony. Viele Firmen hätten sich zudem als Lehre aus der Lieferkrise während der Corona-Pandemie zusätzliche Lieferanten gesucht und/oder die Lagerhaltung ausgeweitet.
Bei einigen älteren Chip-Typen gebe es jedoch kaum Ausweichmöglichkeiten, betont Natalia Stolyarchuk, Bereichsleiterin Future Computing & Microelectronics beim Digitalverband Bitkom. Viele Wettbewerber hätten die Produktion eingestellt.
Kann Nexperia sich von China lösen?
Das niederländische Unternehmen könnte versuchen, auf Packaging-Dienstleister in anderen Staaten auszuweichen, sagt Bitkom-Expertin Stolyarchuk. Es sei aber fraglich, ob diese kurzfristig ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stellen können. Außerdem könnte eine Neu-Zertifizierung der Produkte für die Automobil-Industrie notwendig werden. "Das kann einige Monate dauern."
Quelle: ntv.de, lwe/rts