Wirtschaft

Wie am besten Emissionen senken? Ökonom sieht durch Heizpläne Hunderte Milliarden verschwendet

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Günstiger als über den Wärmesektor ließe sich CO2 per Emissionshandel sparen, meint Ökonom Manuel Frondel.

(Foto: picture alliance/dpa)

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Deutschlands CO2-Ausstoß muss deutlich sinken, deshalb soll das Heizen mit Öl und Gas nach Wunsch von Klimaschutzminister Habeck bald der Vergangenheit angehören. Ökonom Frondel hält diesen Ansatz aus Kostengründen für falsch.

Aus Sicht von Ökonomen entstehen durch Wirtschaftsminister Robert Habecks Heizungspläne hohe unnötige Kosten. Manuel Frondel, der am RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung den Bereich Umwelt und Ressourcen leitet, kommt mit einer "sehr groben Überschlagsrechnung" auf einen niedrigen dreistelligen Milliardenbetrag, wie er im Gespräch mit ntv.de vorrechnet. Die Rechnung beinhaltet allerdings mehrere Unbekannte.

Bis 2045 sollen alle Heizungen komplett auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Schon ab nächstem Jahr sollen neue Heizungen mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen, was Experten zufolge momentan nur mit alternativen Anlagen wie Wärmepumpen oder Fernwärme machbar ist. Frondels Rechnung: Würden bis 2045 sämtliche rund 19 Millionen bestehenden Öl- und Gasheizungen ausgetauscht und durch Wärmepumpen ersetzt, würde das inklusive Einbau und nötiger Dämmung Hunderte Milliarden Euro mehr kosten, als wenn weiterhin neue Gas- und Ölheizungen verbaut werden dürften. Denn Wärmepumpen seien in der Anschaffung erheblich teurer.

Kostengünstiger CO2-Emissionen einsparen als über den Wärmesektor könnte Deutschland in Frondels Augen über den für 2027 geplanten EU-weiten Emissionshandel für die Sektoren Gebäude und Verkehr. "Beim Emissionshandel wird der CO2-Ausstoß dort gesenkt, wo es am günstigsten ist", erklärt der Ökonom. "Das würde aller Voraussicht nach nicht mit der Wärmepumpe im Altbau sein." Würden Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpen ersetzt, entstünden laut Berechnungen des Magdeburger Professors Joachim Weimann 600 bis 1300 Euro Vermeidungskosten pro Tonne CO2. Frondels Vergleich: Im EU-Emissionshandel für Industrie und Energiewirtschaft habe der Preis für CO2-Emissionszertifikate noch nie über 100 Euro je Tonne CO2 gelegen, trotz der verschärften EU-Klimaschutzziele.

Gas- und Ölheizungen funktionieren mit alternativen Brennstoffen

Allerdings müssen gar nicht alle Gas- und Ölheizungen bis 2045 ausgetauscht werden. Zum einen plant Habeck Übergangsfristen: Defekte Heizkessel dürften zum Teil zeitlich befristet durch fossil betriebene Anlagen ersetzt werden. Zum anderen ließen sich aktuelle Gas- und Ölheizungsmodelle, die zurzeit eingebaut werden, in Zukunft auch mit erneuerbaren Energieträgern betreiben. Moderne Gasheizungen funktionieren auch mit Biogas oder Wasserstoff, Ölheizungen der heutigen Generation mit E-Fuels, wie der Sprecher des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie (BDH), Frederic Leers, im Gespräch mit ntv.de erklärt. Dafür müssten allerdings solche erneuerbaren Energieträger wie Biogas oder Wasserstoff deutlich ausgebaut werden.

Die Industrie betont deshalb, die neuen Vorgaben müssten alle technischen Lösungen einschließen - was der Ministeriumsentwurf bereits tut, die geplante Vorschrift ist technologieoffen. "Neben der Wärmepumpe brauchen wir auch andere technische Lösungen", sagt Leers. "Dann bleibt die Wärmewende für die Menschen auch bezahlbarer." Bei schlecht gedämmten Bestandsgebäuden gibt es zudem teilweise technische Hürden für Wärmepumpen. Aus Sicht der Industrie wären auch Hybridheizungen eine sinnvolle Alternative. Dabei könnte eine Wärmepumpe den Grundbedarf decken und nur bei besonders hohem Heizbedarf - wenn es zum Beispiel draußen besonders kalt ist - der Heizkessel übernehmen. Darüber hinaus macht sich die Branche dafür stark, auch in Zukunft Holzheizungen zu erlauben.

Kemfert: Bierdeckelrechnungen zur Panikmache

Die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gibt bei Kostenschätzungen wie denen von Frondel einen weiteren Punkt zu bedenken. "Man muss solche Kostenschätzungen sehr mit Vorsicht genießen", betont sie gegenüber ntv.de. "Weil sie oftmals nur die reinen Investitionskosten betrachten, ohne den Nutzen gegenüberzustellen, nämlich in Form von vermiedenen fossilen Heizkosten über den gesamten Betriebszeitraum der zu installierenden Anlage, das heißt, über mehrere Jahrzehnte." Derartige Berechnungen seien für alle Gebäude sehr unterschiedlich. "Berechnungen für den gesamten Gebäudesektor liegen derzeit nicht vor, einzelne 'Bierdeckelrechnungen' zur Stimmungs- und Panikmache helfen da wenig weiter", sagt Kemfert.

Die Kosten für fossile Energien, insbesondere Gas und Öl, seien enorm hoch, betont die Ökonomin. "Wärmepumpen sind im Betrieb sehr viel effizienter und vor allem preiswerter als Gasheizungen, sodass reine Installationskosten keine ausreichende Kostenschätzung darstellen." Frondel hält dagegen, dass der künftige Strompreis unklar ist, also wie viel Heizen mit einer Wärmepumpe in Zukunft kosten wird. Der Gaspreis liege inzwischen wieder auf dem Niveau der Zeit vor dem Ukraine-Krieg.

Die Bundesregierung arbeitet noch an der Kostenschätzung. "Die Frage nach den Kosten wird in der laufenden Ressortabstimmung konkretisiert, wo auch der Normenkontrollrat zur Frage des Erfüllungsaufwands Stellung nimmt", erklärt eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums auf ntv.de-Anfrage. "Eine finanzielle Einschätzung kann hier noch nicht vorgenommen werden." Noch dazu, wo ein sozialer Ausgleich im Gespräch sei.

Vorgezogene "Panikkäufe" von Gasheizungen?

Auf Förderprogramme insbesondere für einkommensschwache Haushalte pocht auch Kemfert. Doch die energetische Sanierung von Gebäuden sei überfällig. "Wir schieben es schon viel zu lange vor uns her. Daher sind die Ambitionen, dies zu ändern, richtig." Zu schaffen wären Habecks Pläne auch aus Sicht des Handwerks durchaus, wie der Sprecher des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima, Frank Ebisch, im Gespräch mit ntv.de sagt.

Frondel hingegen kritisiert: "Ich frage mich, woher der Zeitdruck kommt." Dadurch verleite die Politik Verbraucher dazu, sich jetzt noch schnell eine Gasheizung einzubauen, bevor das nicht mehr möglich ist. Aus seiner Sicht hätte sich die Politik auch deshalb mehr Zeit lassen können, weil der Strom für Wärmepumpen zurzeit ohnehin nur etwa zur Hälfte "grün" sei. "Das heißt, die vorgegebenen 65 Prozent erneuerbare Energien werden nächstes Jahr mit einer Wärmepumpe gar nicht erfüllt." Der Zeitdruck lasse außerdem die Kosten zusätzlich steigen, da dadurch Wärmepumpen und die einbauenden Handwerker noch teurer würden als ohnehin schon.

Einig sind sich trotzdem alle in mehreren Punkten, Ökonomen beider Lager wie das Handwerk: Mehr Fachkräfte sind nötig, die Produktion von Wärmepumpen muss steigen - und der Strom vollständig aus erneuerbaren Energien kommen.

Quelle: ntv.de

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