Wirtschaft

Wie deutsch ist die Deutsche Bank? "Provinzialität wäre jetzt tödlich"

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An der Börse wird der Rücktritt des Führungsduos der Deutschen Bank gefeiert. Das ist nachvollziehbar, sagt Bankenexperte Wolfgang Gerke im Interview mit n-tv.de. Der neue Chef John Cryan stehe vor einer extrem schwierigen Aufgabe.

An der Börse wird der Rücktritt des Führungsduos der Deutschen Bank gefeiert. Das ist nachvollziehbar, sagt Bankenexperte Wolfgang Gerke. Der neue Chef John Cryan stehe vor einer extrem schwierigen Aufgabe. Mit n-tv.de sprach Gerke darüber, was Anshu Jain und Jürgen Fitsch falsch gemacht haben, und was Cryan besser machen muss. 

Wolfgang Gerke ist emeritierter Professor für Bank- und Börsenwesen sowie Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums.

Wolfgang Gerke ist emeritierter Professor für Bank- und Börsenwesen sowie Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums.

(Foto: Bayerisches Finanz Zentrum)

n-tv.de: Die Doppelspitze der Deutschen Bank tritt zurück, und die Aktie schießt nach oben. Haben Anshu Jain und Jürgen Fitschen dieses Urteil der Börse verdient?

Wolfgang Gerke: Die Investoren haben auf der vergangenen Hauptversammlung ihren Unmut deutlich gezeigt. Das ist ja auch der Grund für den Rückzug des Führungsduos. Es wäre sicherlich besser gewesen, das wäre in geordneten Bahnen bereits zur Hauptversammlung erfolgt. Die Reaktion des Marktes zeigt, dass ein Führungswechsel nötig war. Jain und Fitschen haben ihre Ziele nicht erreicht.

Was haben beide falsch gemacht?

Ihnen ist es nicht gelungen, die Deutsche Bank in der internationalen Konkurrenz dorthin zu platzieren, wo sie hingehört. Das betrifft nicht nur die Rendite, sondern auch die Eigenkapitalausstattung. Die Bank hat hier einen gewaltigen Nachholbedarf. Auch andere Banken haben mit Altlasten und Skandalen zu kämpfen, doch sind sie damit besser fertig geworden. Außerdem ist der Kulturwandel, der propagiert wurde, im Investmentbanking noch nicht überall angekommen.

Wird der neue Chef John Cryan es besser machen?

Er steht vor einer extrem schwierigen Aufgabe, hat aber auch die echte Chance, für einen Neubeginn zu sorgen. Cryan kann mit Fug und Recht sagen, dass er mit den alten Skandalen nichts zu tun hat. Er hat internationale Erfahrung, das alles spricht für ihn. Ich erwarte aber keinen dramatischen Strategiewechsel. Schließlich hat Cryan im Aufsichtsrat die angekündigte Neuausrichtung mit abgesegnet.

Was wird seine drängendste Aufgabe sein?

Ich sehe ein Riesenproblem darin, dass das Chaos in der Deutschen Bank nicht nur außen sichtbar ist, sondern auch innen herrscht – zwischen den sehr unterschiedlichen Bankertypen. Bei Investmentbanking und Privatkundengeschäft herrscht wenig Verständnis füreinander. Es wird wichtig für Cryan wichtig sein, sich hier zu bewähren.

Cryan ist Brite, er wird die Bank alleine führen. Wie deutsch ist die Deutsche Bank noch?

Von der Aktionärsseite her ist die Deutsche Bank schon längst nicht mehr deutsch, sondern international. Große internationale Anleger bestimmen, wer bei der Bank das Sagen hat. Das Institut ist auf dem richtigen Weg, ein internationales Bankhaus zu werden. Provinzialität wäre tödlich für dieses Kreditinstitut. Ich lege keinen großen Wert darauf, welche Nationalität die Führung hat. Entscheidend ist, dass man sich in die Bank integriert. Das ist Jain nicht gelungen. Er hat es nicht geschafft, in Deutschland anzukommen. Selbst Josef Ackermann als Schweizer hatte am Anfang Schwierigkeiten mit der deutschen Mentalität. Doch je länger er im Amt war, umso mehr hat er es geschafft, sich als Führungspersönlichkeit in Deutschland zu etablieren – auch politisch.

Mit Wolfgang Gerke sprach Jan Gänger

Quelle: ntv.de

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