Wirtschaft

Chaos auf Europas Strommarkt Schwedisches Kraftwerk muss Polen helfen

Polens Netzbetreiber hat mehrere Nachbarländer gebeten, Engpässe bei der Stromerzeugung zu überbrücken.

Polens Netzbetreiber hat mehrere Nachbarländer gebeten, Engpässe bei der Stromerzeugung zu überbrücken.

(Foto: picture alliance / Photoshot)

Miteinander verbunden und offen. So ermöglichen Europas Stromnetze, dass die Elektrizität frei über Grenzen dorthin fließt, wo sie am meisten gebraucht wird. Doch das funktioniert in Zeiten explodierender Preise nicht reibungslos.

Normalerweise geht das rund fünfzig Jahre alte Ölkraftwerk in Karlshamn nur noch an besonders kalten Tagen in Betrieb. Betreiber Eon hält es in den Wintermonaten als Reserve für das Elektrizitätsnetz bereit, falls die zunehmend auf erneuerbare Energien umgestellte Stromversorgung den Bedarf nicht decken kann. Der europäische Strommarkt funktioniert aber nicht normal in diesem Herbst. Deswegen wurde der mit Schweröl betriebene Meiler in Karlshamn nun schon zum zweiten Mal bei relativ milden Temperaturen angefeuert.

Grund ist diesmal ein akuter Strommangel in Polen. Der dortige Netzbetreiber bat die Nachbarländer um Hilfe. Neben Deutschland, Litauen und der Ukraine verstärkte auch Schweden seine Stromlieferungen. Die beiden Länder sind durch eine Stromtrasse in der Ostsee miteinander verbunden. Nach Angaben des Betreibers PSE ist der aktuelle Engpass im polnischen Netz auf unerwartete Ausfälle und Wartungsarbeiten in mehreren polnischen Kraftwerken zurückzuführen. In deren Folge waren die Strombörsenpreise in Polen bereits in der vergangenen Woche auf Rekordniveau geklettert.

Die Preisexplosion und die Engpässe in Polen sind allerdings kein Einzelfall derzeit in Europa. Steigende Preise für die Brennstoffe Kohle, Öl und Gas sowie für deren Verbrennung notwendige CO2-Emissionsrechte treiben seit Monaten die Kosten für die Stromproduzenten - und damit die Großhandels- ebenso wie die Preise für die Endkunden auf dem ganzen Kontinent. Gleichzeitig lieferten auch erneuerbare Energiequellen in einigen Ländern aufgrund ungünstigen Wetters ungewöhnlich wenig Strom.

Schwedisch-norwegisches Hickhack

Solche Schwankungen in einzelnen Ländern soll eigentlich der grenzübergreifende offene Strommarkt in Europa ausgleichen. Die nationalen Netze sollen offen für die Nachbarn sein. Doch dies funktioniert derzeit nur sehr eingeschränkt. So haben die Nachbarn Schweden und Norwegen ihre Grenze für Stromexporte ins jeweils andere Land seit vergangener Woche teilweise geschlossen. Norwegen selbst ist Europas größter Stromexporteur, zuletzt verkaufte das Land seinen Strom aber häufiger zu höheren Preisen über neue Unterseetrassen nach Deutschland und Großbritannien als über das schwedische Netz.

Exporte aus Schweden nach Norwegen nahmen dagegen zu. Daraufhin hatte der schwedische Netzbetreiber unter Berufung auf Stabilitätsprobleme in den eigenen Leitungen und Schwierigkeiten, die Versorgung im Land sicherzustellen, Stromausfuhren nach Norwegen stark begrenzt. Norwegen reduzierte in Reaktion darauf drastisch die Möglichkeit, Strom über die Grenze ins Nachbarland zu liefern. Das reißt nicht nur Lücken in die schwedische Versorgung im Winter, sondern dürfte auch in Finnland und Dänemark für zusätzliche Engpässe sorgen. Diese Länder importieren gewöhnlich einen Teil ihres Stroms aus Norwegen durch das schwedische Netz.

Die Episode zeigt, dass die Vorstellung eines gemeinsamen, offenen Strommarktes in Europa noch eine Zukunftsvorstellung ist. Für die angestrebte Energiewende ist allerdings ein solches europaweites Netz, in dem Strom ungehindert vor allem von den Küsten im Norden in die Bevölkerungs- und Industriezentren fließen kann, unabdingbar.

Quelle: ntv.de, mbo

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