"Für ein Land ohne Finanzprobleme" Varoufakis verwirrt mit neuem Entwurf
08.05.2015, 16:44 Uhr
Bei seiner jüngsten Europa-Reise machte Varoufakis auch in Brüssel Station - und brachte ein verwirrendes Dokument mit.
(Foto: AP)
Die Expertengespräche zwischen Griechenland und seinen Geldgebern machen zuletzt gute Fortschritte. Doch plötzlich zieht Finanzminister Varoufakis eine neue Verhandlungsvorlage aus dem Hut, das alle Gesprächsergebnisse ignoriert.
Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sorgt bei seinen Verhandlungspartnern in Europa erneut für Verwirrung. Der Minister legte laut einem Zeitungsbericht ein neues Dokument mit Reformplänen und Wachstumseinschätzungen vor, die erheblich von dem abweichen, was in den letzten Tagen in Brüssel besprochen worden war.
Nach Ansicht von EU-Vertretern verkompliziert Varoufakis damit die Verhandlungen mit den Geldgebern weiter. "Es gibt kaum eine Verbindung zwischen Varoufakis' Entwurf und den laufenden Gesprächen", sagte ein EU-Vertreter. "Es wirkt wie ein gutes Programm für ein Land, das keine Finanzprobleme hat, sondern nur etwas aufholen und eine schönes Ziel für Touristen sein will."
Das 36 Seiten starke Dokument mit dem Titel "Griechenlands Erholung: Ein Entwurf", in das das "Wall Street Journal" Einblick hatte, legte Varoufakis auf seiner Reise durch mehrere Hauptstädte seinen Amtskollegen in Paris und Rom sowie hochrangigen Vertretern in Brüssel vor, wie vier europäische Offizielle sagten. Sprecher von Varoufakis und der griechischen Regierung waren für einen Kommentar unmittelbar nicht zu erreichen.
Die Rechnung geht an Brüssel
Das Papier konzentriert sich dem "Wall Street Journal" zufolge auf die Frage, wie die griechische Ökonomie wieder auf den Wachstumspfad einschwenken könne. "Vielleicht ist es Zeit, sich vorzustellen, wie ein sich erholendes Griechenland aussieht, bevor wir die derzeitige schwierige Situation lösen", heißt es darin. Dann werden zahlreiche Bereiche aufgelistet, in denen das Land Reformen plant.
Einige der Reformen stimmen mit den Verhandlungen überein - wie die Schaffung des Postens eines vollständig unabhängigen Steuerbeauftragten. In anderen Bereichen finden sich erhebliche Differenzen, beispielsweise die Einrichtung einer "Bad Bank", über die toxische Wertpapiere der griechischen Finanzinstitute abgewickelt werden sollen. "Praktischerweise wird die Finanzierung einer Bad Bank nicht thematisiert - er sagte, er würde uns die Rechnung schicken", sagte ein Offizieller.
Varoufakis' Dokument basiert zudem auf der Annahme anderer Wachstumszahlen für die griechische Wirtschaft als die, die zuletzt Grundlage bei den Gesprächen in Brüssel waren. "Das Problem ist, dass Varoufakis offenbar nicht auf einer Linie ist mit Ministerpräsident Alexis Tsipras", sagte ein weiterer Offizieller. Es sei nicht klar, inwiefern das Dokument die Position der Regierung widerspiegelt.
Die linke griechische Regierung steckt derzeit in Verhandlungen mit ihren internationalen Geldgebern - dem Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission - über die nächste Tranche des 245 Milliarden Euro schweren Rettungspakets.
Eurogruppe dämpft Erwartungen auf Einigung
Unterschiedliche Ansichten über Einschnitte im griechischen Rentensystem und Änderungen zum Kündigungsschutz gehören zu den Streitpunkten, wegen der die Verhandlungen ins Stocken geraten sind.
Während die Gespräche auf Expertenebene zwischen Griechenland und den Institutionen, die letzte Woche wieder angelaufen sind, mittlerweile recht konstruktiv liefen, seien die Differenzen auf bestimmten Konfliktfeldern nach wie vor groß, sagten die EU-Vertreter.
Am kommenden Montag ist ein weiteres Treffen der Finanzminister der Eurogruppe zu dem Thema geplant. Die Erwartungen an eine schnelle Einigung ist jedoch nicht groß. "Die Eurogruppe am Montag wird kein entscheidendes Treffen sein", sagte der Vorsitzende des Gremiums, der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem.
Quelle: ntv.de, mbo/DJ