Das sagen Ökonomen in Davos Was die Welt fairer machen könnte
18.01.2017, 17:55 Uhr
Studien belegen, die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer.
(Foto: REUTERS)
Geld verteilt sich unterschiedlich über die Welt. Zu den Rezepten gegen die wachsende soziale Ungleichheit gehören extra-hohe Löhne in armen Gemeinden und eine "Ungleichheits"-Versicherung. Abschottung - die Allheilformel von Trump - gehört nicht dazu.
Die Reden über wachsende Armut und soziale Ungerechtigkeit sind eine alte Laier. Sie nervt bisweilen, leider ist an ihr aber was Wahres dran. Es gibt Verlierer der Globalisierung. Sonst hätten die Briten nicht für den Brexit gestimmt. Und Donald Trump wäre nicht zum US-Präsidenten gewählt worden. Um Amerika wieder "great" zu machen, will er die USA abschotten und Jobs ins Land zurückzuholen. Ob die Bürger dadurch am Ende reicher sein werden, wird von vielen Experten angezweifelt. Das Weltwirtschaftsforum hat Führungskräfte gefragt, was die Welt denn tatsächlich gerechter machen könnte.
Kenneth Rogoff, Harvard-Ökonom
Der ökonomische Aufstieg von Indien und China zeigt laut Rogoff am besten, dass die Welt in den vergangenen Jahrzehnten vorangekommen ist. Ungleichheit sei reduziert worden, wie wir es seit der industriellen Revolution nicht mehr gesehen haben. Gleichzeitig seien aber vor allem die Mittelklasse und die Reichen die Profiteure der vergangenen Jahre gewesen, fügt er er hinzu. Hunderte Millionen Menschen - vor allem in Konfliktregionen - seien beim Aufstieg der Nationen abgehängt worden. Handelsbarrieren - wie die von Trump gepriesenen - können nach Ansicht von Rogoff diese auseinanderklaffende soziale Schere nicht wieder zusammenbringen. Die Preise würden steigen und die Leidtragenden wieder die Konsumenten mit niedrigem Einkommen sein. Rogoff setzt auf bessere Vermögensverteilung durch ein gerechteres Steuer- und ein besseres Bildungssystem.
Robert J. Shiller, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Yale University und Nobelpreisträger
Der Nobelpreisträger von 2013 plädiert für ein besseres soziales Sicherheitsnetz. Sein Vorschlag: private Lebensversicherungen, mit denen sich junge Menschen gegen Rückschläge in Leben absichern können - ähnlich einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Bemessungsgrundlage wäre ein Einkommensindex auf der Basis von Personen mit demselben Beruf. Laut Shiller würde eine solche Versicherung die Risikobereitschaft bei der Karriere fördern.
Rania Al Mashat, Beraterin des Internationaler Währungsfonds (IWF)
Die Wahrnehmung, dass Weltwirtschaft und Globalisierung nicht für alle funktionieren, ist aus aus Sicht von Mashat an einem kritischen Punkt, weil sie globale Reformen verhindert. Die Kontrolle von Kapitalbewegungen und Protektionismus gehen für sie in die falsche Richtung. Mashat fordert starke institutionelle Rahmenbedingungen, die ein nachhaltiges und gerechtes Wirtschaftswachstum zum Ziel haben.
Diane Coyle, Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Manchester
Coyles Top-Priorität ist: Arme Gemeinden sollten Lehrern so hohe Löhne zu zahlen, dass die Besten der Besten diese Jobs haben wollen. Außerdem will die britische Ökonomin, dass mehr darüber nachgedacht wird, welche Fähigkeiten die Kinder am Ende ihrer Schullaufbahn brauchen. Dies variiere von Ort zu Ort, deshalb dürfe Bildungspolitik nicht staatlich gesteuert werden, sagt sie.
Ian Bremmer, Chef und Gründer der Eurasia Group
Der US-amerikanische Politikwissenschaftler sieht die Verantwortung für Veränderungen nicht allein bei der Elite, sondern bei allen Bürgern. Er appelliert für mehr Mitgefühl mit denjenigen, die am Ende des Globalisierungs-Zyklusses die Leidtragenden sind. Trotz aller Rhetorik sei der künftige US-Präsident Trump hier brillant gewesen. Veränderung beginne mit Respekt für seine Mitmenschen. Er schlägt eine Besteuerung von Finanztransaktionen vor. Die Abgabe müsse nicht hoch sein, sogar eine symbolische Summe würde die Risiken der Boom-Bust-Zyklen reduzieren. Steuern wären eine willkommene Geldquelle, um vielleicht irgendwann ein Grundeinkommen zu finanzieren.
Kalin Anev Janse, Generalsekretärin des Eurorettungsfonds ESM
Janse hätte gern mehr Unternehmer. Viele Menschen hätten eine gute Ausbuldung, aber keine Jobs. Junge und alte Menschen würden sich dann gerne an den Staat wenden, damit er sich um sie kümmere. Das müsse sich ändern. Bereiche wie Fintech, künstliche Intelligenz, saubere Energie, Gesundheit und Technologie sollten die Brutstätten für Start-ups sein. Diese kleinen Unternehmen würden nach und nach immer mehr Menschen in die Wirtschaft ziehen und die Arbeitslosigkeit sinken. Die technologische Fortschritt hat einen zweiten großen Vorteil: sie steigert das Potenzial der europäischen Wirtschaft. Das bedeutet mehr Wohlstand im Durchschnitt für jeden Bürger.
Alicia Bárcena Ibarra, Generalsekretärin der UNO-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik
Für die Expertin sind wirtschaftliche und soziale Ausgrenzung, Ungleichheit und Umweltzerstörung die wesentlichen Gründe für Unruhen und Konflikte. Sie hält es für dringend erforderlich, dass wir unsere globalen und regionalen Führungs-Systeme in Schlüsselbereichen überdenken. Das betrifft gleichermaßen die Bereiche Finanzstabilität, Handel, Investitionen, Steuern, Technologietransfer, Internet wie Kommunikation, Stadtentwicklung, Migration und Ressourcenmanagement. Außerdem muss nach ihrer Ansicht der fragile Zusammenhalt zwischen den Regierungen, dem privaten Sektor, der Zivilgesellschaft, Hochschulen und multilateralen Organisationen dringend gestärkt werden. Darüber hinaus müsse Vertrauen geschaffen werden. Alle müssen sich beteiligen: Frauen, Jugendliche, ältere und die schwächsten Bevölkerungsgruppen. Nur so ließe sich die globale Ordnung neu ausrichten und die historische Chance nutzen, die die vierte industrielle Revolution bietet.
Anabel González, Direktorin der Weltbank
Damit Globalisierung funktioniert, müssen Barrieren abgebaut, Menschen in Verantwortung gebracht und Länder verbunden werden, sagt González. Die Preise für Handel müssten sinken, um den Warenaustausch zu stimulieren. Alle Menschen müssten überall Zugang zu Bildung haben. Die Länder bräuchten eine bessere Infrastruktur und ein besseres Geschäftsumfeld, um mit der Weltwirtschaft in Kontakt zu treten.
Am Ende der Tagung in Davos hat vielleicht Chinas Staatspräsident Xi Jinpeng das größte Plädoyer für Globalisierung gehalten. "Alle Menschen müssen den Nutzen der Globalisierung erfahren!" sagte er iam Vortag in einer Aufsehen erregenden Rede. "Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft". Er appellierte an die Staatschefs, die Globalisierung nicht für die Probleme auf der Welt verantwortlich zu machen. "Was uns Sorge bereiten sollte ist, dass wir den Problemen ohne Lösung gegenüberstehen." Ein paar Vorschläge gibt es zumindest.
Quelle: ntv.de, ddi