Wall-Street-Anleger unentschlossen Dax schüttelt Brexit-Schock ab
27.07.2016, 22:30 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Brexit ist in die Ferne gerückt. Näher sind den Händlern die Quartalszahlen mehrerer Dax-Unternehmen. In den USA verunsichern die Anleger die uneinheitlichen Aussagen der Fed.
Erleichtert über das bisherige Ausbleiben böser Überraschungen in der Berichtssaison kehren Anleger auf das Parkett zurück. Für den Leitindex Dax ging es in der Folge um 0,7 Prozent hinauf auf 10.320 Punkte. Der MDax kletterte um 1,0 Prozent auf 21.218 Stellen. Der TecDax erhöht sich um 1,4 Prozent auf 1716 Zähler. "Die Berichtssaison für das zweite Quartal hat insgesamt gut begonnen", sagte ein Händler. Allerdings schwebe die schwierige Lage der Finanzbranche, deren Fitness ohnehin auf dem Prüfstand steht, weiter wie ein Damoklesschwert über dem Markt.
Gute Nachrichten kamen zudem vom DIW: Die Entscheidung Großbritanniens für einen Austritt aus der EU hat dem deutschen Wirtschaftswachstum noch nicht geschadet. Das Bruttoinlandsprodukt werde im zweiten und dritten Vierteljahr jeweils um 0,3 Prozent zulegen. Und schließlich setzen viele Anleger weiter auf einen Geldsegen der großen Notenbanken. So kündigte die Regierung in Tokio für kommende Woche ein milliardenschweres Konjunkturpaket an. Die US-Notenbank Fed, deren Offenmarktausschuss am Abend nach Handelsschluss in Europa seine aktuelle Lagebeurteilung veröffentlicht, dürfte sich zudem mit einer weiteren Zinserhöhung Zeit lassen.
In der erste Reihe verbuchten die meisten Werte Gewinne. Ganz vorn dabei waren unter anderem die Autowerte. So kletterten Volkswagen 2,4 Prozent. Europas größter Autohersteller meldet gestiegene Absatzzahlen für Juni. Zudem profitierte der Konzern laut Händlern auch von den guten Peugeot-Zahlen. BMW verteuern sich um 2,1 Prozent. Daimler zogen um 1,9 Prozent. Zulieferer Continental gewann 1,2 Prozent an.
Gesucht waren nach Apple-Zahlen auch Infineon, die 2,6 Prozent stiegen. Als Grund nannten Händler zudem die milliardenschwere Übernahme des US-Chipherstellers Linear Technology durch den heimischen Konkurrenten Analog Devices. Zudem profitierten Infineon von der guten Aufnahme der Apple-Zahlen.
Viel Kritik am Deutsche-Bank-Zahlenwerk
Am anderen Ende ließen Deutsche Bank Federn und gaben 3,2 Prozent nach. Das Geldinstitut kämpfte sich mit Mühe in die schwarzen Zahlen. Ein Analyst verweist auf den deutlichen Ertragsrückgang, der besonders in den Kernbereichen der Bank wie Investmentbanking und Emissionsgeschäft aufgetreten sei. Jenseits der reinen Ertragsstärke sei bei der Bank auch ein Verlust von Marktanteilen zu beobachten.
BASF verbilligten sich um 1,9 Prozent. Der Chemieriese wies nur einen mageren Gewinn aus. Der starke Ölpreisverfall und das schwache Marktumfeld haben belasten. Ferner wird die Entwicklung der Agrarsparte moniert, die im Vergleich zu Bayer schlechter abgeschnitten habe.
In der zweiten Reihe verteuerten sich Airbus um 4,6 Prozent. Hier stagnierte zwar der Umsatz. Doch die Verkäufe zur Verschlankung des Konzerns erhöhen den Gewinn. Osram brachen nach Zahlen 6,8 Prozent ein. Diese werden in einer ersten Einschätzung im Handel als "enttäuschend" bezeichnet.
Im TecDax thronen Telefonica mit einem Aufschlag von 6,4 Prozent an der Spitze. Das Unternehmen will in diesem Jahr trotz Verlusts die Dividende nach oben schrauben. Die Ausschüttung an die Aktionäre dürfte 2016 um einen Cent auf 25 Cent steigen, teilte das Münchner Unternehmen mit. In den beiden Jahren danach seien weitere Erhöhungen möglich. Dialog Semiconductor ziehen im Apple-Sog 4,7 Prozent an. Nordex verbuchen ein Großauftrag - und erhöhen sich um 3,5 Prozent.
US-Notenbank etwas zuversichtlicher
Die Wall Street tat sich schwer, eine Richtung zu finden. Am Ende tendierten die Blue Chips kaum verändert, während der Technologiesektor, befeuert von Apple, zulegte. Die US-Notenbank äußerte sich im Anschluss an ihre Sitzung etwas zuversichtlicher als zuletzt über die US-Konjunktur. Die "kurzfristigen Risiken für den wirtschaftlichen Ausblick haben sich vermindert", so die Bank. Mit ihren Aussagen hielten sich die Währungshüter alle Optionen für ihr nächstes Treffen im September offen, ohne ein klares Signal zu senden.
Der Dow-Jones-Index verlor 2 Punkte auf 18.472. Der S&P-500 fiel um 0,1 Prozent auf 2.167 Punkte. Für den Nasdaq-Composite ging es um 0,6 Prozent auf 5.140 Punkte nach oben und damit auf ein neues Jahreshoch.
Unter den Einzelwerten sanken Coca-Cola um 3,4 Prozent. Der Getränkehersteller verbuchte schwächer als erhofft ausgefallene Quartalsumsätze. Für das Gesamtjahr dämpfte der Anbieter von Erfrischungsgetränken zudem die Erwartungen an das organische Umsatzwachstum. Dagegen zogen Boeing um 0,8 Prozent an. Der Quartalsverlust des Flugzeugkonzerns fiel schmaler als befürchtet aus. Der Nahrungsmittelkonzern Mondelez hat im zweiten Quartal zwar weniger umgesetzt, den Gewinn aber um rund 14 Prozent gesteigert. Mondelez sieht sich in der Lage, seine Ziele 2016 zu erfüllen. Allerdings laufen die Geschäfte in Europa schlecht. Der Kurs sank um 2,9 Prozent.
Twitter enttäuschte dagegen sowohl mit den Zweitquartalszahlen als auch mit dem Ausblick. Das Umsatzwachstum ist das schwächste in der noch kurzen Geschichte des Unternehmens. Der Kurznachrichtendienst dämpfte überdies die Erwartungen an das laufende Quartal. Die Aktie brach daraufhin um 14,6 Prozent ein. Der Mobilfunkanbieter T-Mobile US hat im zweiten Quartal operativ über ein Drittel mehr verdient und den Umsatz gesteigert. Den Ausblick für das Kundenwachstum hob die US-Tochter der Deutschen Telekom an, die Prognose für den bereinigten operativen Gewinn grenzte sie allerdings ein. Die Titel legten um 1,5 Prozent zu.
Linear Technology ermäßigten sich um 5,2 Prozent, nachdem sie am Vortag um nahezu 30 Prozent nach oben gesprungen waren. Der Halbleiterhersteller Analog Devices hatte mitgeteilt, den Konkurrenten für 14,8 Milliarden US-Dollar zu übernehmen. Analog Devices zogen um 0,7 Prozent an.
Asien: Tokio setzte auf die Regierung
Die ostasiatischen Börsen bewegten sich im Spannungsfeld zwischen Konjunktursorgen und der Hoffnung auf neue Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Der Nikkei-225-Index schloss 1,7 Prozent höher bei 16.665 Punkten. Überraschend gute Geschäftszahlen und ein ermutigender Ausblick von Apple verhelfen den Zulieferern des US-Konzerns in der Region zu Kursgewinnen. In Shanghai fielen die Kurse im Schnitt um 1,9 Prozent. Händler sprachen von Gewinnmitnahmen vor allem bei Rohstoffwerten sowie Aktien von Herstellern alkoholischer Getränke. Einige Analysten warnten Anleger davor, sich bezüglich neuerlicher geldpolitischer Lockerungen der Notenbanken weltweit zu große Hoffnungen zu machen.
Auch an der Börse in Sydney stützten Spekulationen auf eine neuerliche Zinssenkung der Reserve Bank of Australia die Kurse, nachdem die australischen Verbraucherpreise weniger stark gestiegen sind als erwartet. Allerdings gaben die Kurse ihre Gewinne fast vollständig wieder ab; der S&P/ASX-200 zeigte sich kaum verändert. An der Börse in Seoul, die am Vortag zugelegt hatte, wurden unterdessen Gewinne mitgenommen. Der Kospi fiel um 0,1 Prozent.
Am Rohölmarkt kam mit neuen Lagerdaten Druck auf die Preise. Die Rohöllagerbestände in den USA sind entgegen den Erwartungen gestiegen. US-Leichtöl der Sorte WTI verbilligte sich um 2,3 Prozent auf 41,92 Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit Mitte April.
Der Euro kletterte auf 1,1050 Dollar nach Ständen um 1,10 Dollar vor den Fed-Aussagen. Auch die Aufschläge beim Goldpreis wiesen in diese Richtung. Die Feinunze kletterte um 1,6 Prozent auf 1.341 Dollar. Das zinslose Gold ist beliebt, wenn die Zinsen niedrig sind.
Quelle: ntv.de, mli/DJ/dpa/rts