Klimaziel nur ein Wunsch? Energieverbrauch steigt
12.11.2007, 18:34 UhrDer Weltenergiekongress in Rom begann mit einem Paukenschlag: Vormittags noch hatte EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso das Ziel bekräftigt, bis 2050 den Ausstoß klimaschädlicher Gase um die Hälfte zu reduzieren. Nachmittags schon erklärten die Experten aus fast 100 Ländern des Weltenergierates (WEC) dieses Ziel praktisch zur Makulatur: Bis 2020 oder 2030 könne es weltweit bestenfalls gelingen, den Zuwachs zu reduzieren. Es bleibt aber ein Zuwachs. Das heißt: Jahr für Jahr wird mehr CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen. Danach könne es zu einer Stabilisierung kommen und erst ab 2050 zu einem langsamen Rückgang. Das ist ein völlig anderes Szenario, als Barroso es gezeichnet hat und als es den Vorstellungen der EU oder der G-8-Staaten entspricht.
Grundlage für die Skepsis beim WEC ist eine aufwendige und breit angelegte Studie in den knapp 100 Mitgliedsländern, darunter viele Entwicklungs- und Schwellenländer in Afrika, Asien und Lateinamerika. In etlichen dieser Länder gibt es Strom nur in den großen Städten, und auch dann nicht immer. Verzweigte Gas- oder Stromnetze sind unbekannt, Benzin knapp. Fast zwei Milliarden Menschen, so die WEC, haben keinen Zugang zu moderner Energie, sie kochen mit Holz oder noch einfacheren Brennstoffen. Sollten sie ebenfalls von den Segnungen leicht verfügbarer Energie profitieren, müsste sich der Energieverbrauch bis 2050 verdoppeln. "Es mangelt nicht an Ressourcen, Kapital, Wissen oder Fertigkeiten, um mehr Menschen die Nutzung von Energie zu ermöglichen", sagte Brian A. Statham, der die Studie bei der Konferenz präsentierte.
"Technologische Offenheit notwendig"
Der WEC, der diese Thesen aufstellt, ist eine multinationale Vereinigung aus 94 Ländern, die sich mit allen Formen von Energie beschäftigt. "Wir sehen uns nicht als Lobby-Vereinigung der Energiewirtschaft", sagte der Geschäftsführer des deutschen nationalen Komitees, Carsten Rolle. Es gehe darum, die Energieversorgung aus einem globalen und langfristigen Blickwinkel zu betrachten. Das ist eine andere Sichtweise als die eines Börsenhändlers, der Tag für Tag unter dem Eindruck aktueller Ereignisse mit Öl oder Strom handelt. Die WEC-Mitglieder haben zum Teil recht unterschiedliche Interessen. Der gemeinsame Nenner ist am ehesten, dass sie den Zugang zu Energie für eine gute Sache halten, die jedem Menschen zur Verfügung stehen sollte.
Vor diesem Hintergrund will die Organisation keine Form der Energieerzeugung bevorzugen. "Die Vorstellung, man könnte den weltweiten Anstieg des Energieverbrauchs zum Stoppen bringen, ist abwegig", sagte der Chef von E.ON Energie, Johannes Teyssen. "Um die Herausforderung zu bestehen, ist völlige technologische Offenheit notwendig." Gegenwärtig werden noch mehr als 80 Prozent aus fossilen Energieträgern gewonnen, das sind Öl, Gas und Kohle. Künftig müssten sowohl die erneuerbaren Energien wie auch die Kernenergie eine größere Rolle spielen, weil der Stromverbrauch noch schneller steigt als die Energienachfrage insgesamt.
Langfristig steigen Energiepreise
Um die großen Energiemengen herzustellen und zum Verbraucher zu bringen, sind gewaltige Investitionen erforderlich. "Wir haben auf den Energiehunger der Welt noch keine angemessene Antwort gefunden", sagte der italienische Ministerpräsident Romano Prodi. Und der WEC-Präsident Andr Caill ergänzt: "Wir müssen drei- bis viermal so viel tun wie bisher." Damit meint er Investitionen: Neue Bohrinseln und Pipelines, Kraftwerke und Staudämme, Tanker und Speicher. Auf der Konferenz sind verschiedene Zahlen zu hören, was das in den nächsten 10 bis 15 Jahren kosten wird; die Größenordnungen bewegen sich zwischen 16 und 20 Billionen Dollar. Eine Billion sind immerhin 1000 Milliarden.
Für den Verbraucher bedeutet eine solche Perspektive nichts Gutes. Bei dem Kongress sind zwar viele Redner der Meinung, dass die aktuellen Rekord-Ölpreise sich durchaus bald einmal halbieren könnten. Aber langfristig müssten die Energiepreise zwangsläufig steigen. So gebe es verstärke Anreize für mehr Energie-Effizienz und die hohen Investitionen in den Energiesektor würden finanzierbar.
Von Eckart Gienke, dpa
Quelle: ntv.de