Wissen

Schützen die Anden vor Corona? Forscher rätseln wegen niedriger Fallzahlen

In luftigen Höhen wie auf dem Cerro Aconcagua in Argentinien scheint das Coronavirus es schwerer zu haben.

In luftigen Höhen wie auf dem Cerro Aconcagua in Argentinien scheint das Coronavirus es schwerer zu haben.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Menschen in den Anden erkranken weit weniger häufig an der Krankheit Covid-19 als in anderen Regionen Lateinamerikas. Doch woran liegt das? Eine Erklärung hat noch niemand, aber es gibt viele Vermutungen - und eine hat mit ultravioletter Strahlung zu tun.

Während die Menschen in Europa in der Corona-Krise langsam aufatmen, hat sich Lateinamerika zum neuen Zentrum der Pandemie entwickelt. Dabei kommt es bei der Ausbreitung des Virus zu regionalen Besonderheiten und die haben offenbar mit der Höhe zu tun.

Die Menschen in den Anden erkranken deutlich seltener an Covid-19. In Peru, wo es nach Brasilien die meisten Infektionen des Subkontinents gibt, traten in Gegenden über 3000 Metern Höhe nur zehn Prozent der Fälle auf. Die Anden sind der längste Gebirgszug der Welt und erstrecken sich über 7000 Kilometer von Venezuela bis Feuerland. Im Schnitt ist die Gebirgskette 4000 Meter hoch. "Wir haben zwar Fälle in Städten wie Cusco, Huaraz, Cajamarca und Cerro de Pasco", sagt der peruanische Infektiologe Augusto Tarazona. "Die Zahl ist jedoch minimal und die Sterblichkeit fast null. Das finden wir beachtenswert."

Im Verwaltungsgebiet Loreto im Regenwald wurden etwa 8000 Infektionen und 321 Todesfälle gezählt, während es im hoch gelegenen Cusco - trotz 50 Prozent mehr Bevölkerung - nur 1500 Fälle und 13 Tote gab. Die Sterblichkeitsrate in Loreto liegt demnach bei vier Prozent im Vergleich zu 0,87 Prozent in Cusco.

Die Situation im benachbarten Bolivien ist ähnlich. Dort konzentrieren sich die Infektionen im Tiefland wie dem tropischen Santa Cruz und der Amazonasregion an der Grenze zu Brasilien. "Die Infektionsrate in hoch gelegenen Gebieten wie La Paz ist deutlich niedriger", sagt Virgilio Prieto, der Chef-Epidemiologe des Gesundheitsministeriums. In Santa Cruz wurden 13.000 Infektionen registriert, während es in La Paz, wo etwa genau so viele Menschen leben, knapp 1400 waren.

Anden-Bewohner leben mit chronischem Sauerstoffmangel

Noch ist unklar, warum die Anden-Bewohner dem Virus offenbar besser trotzen. Es könnte an ihrem Atemsystem liegen, das an das Leben in großer Höhe mit wenig Sauerstoff angepasst ist, lautet eine Vermutung. "Studien dazu fangen gerade erst an", sagt Tarazona. "Menschen mit chronischem Sauerstoffmangel könnten weniger ACE-Rezeptoren haben, die dem Virus als Eingangstor dienen", sagt der peruanische Infektiologe Eduardo Gotuzzo. "Dadurch könnte das Virus für sie weniger infektiös sein."

Mehr zum Thema

Eine andere Hypothese versucht, den leichteren Verlauf der Pandemie in den Anden mit der ultravioletten Strahlung zu erklären. Einige Studien legen diese Schlussfolgerung nahe. "Die ultraviolette Strahlung ist eindeutig höher in größerer Höhe und das bedeutet, dass das Virus schlechter überleben kann", sagt der Lungenfacharzt Carlos Ibérico von der Sabogal-Klinik in Lima.

Der bolivianische Chef-Epidemiologe Prieto hält die These von der Strahlung als natürliche Sterilisation für gefährlich. "Das schafft ein falsches Gefühl der Sicherheit in der Bevölkerung", sagt er. Die niedrigeren Fallzahlen in den Anden müssen noch besser untersucht werden.

Quelle: ntv.de, joh/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen