Einspeisen statt freisetzen Kohlendioxid im Meeresgrund
24.06.2008, 08:25 UhrIm Kampf gegen den Klimawandel sind neue Wege zum Einfangen und zur Lagerung von Treibhausgasen gefragt wie nie. Als mögliche Option diskutieren Industrie und Wissenschaft derzeit das Einfangen und Speichern von Kohlendioxid (CCS). Eine norwegische Erdgas-Bohrplattform in der Nordsee nutzt dieses Verfahren bereits seit zwölf Jahren und hat schon Millionen Tonnen CO2 tief in den Meeresboden gepumpt. Umweltschützer sind sich uneinig über den Nutzen dieser Methode.
Durch ein Metallrohr mit 50 Zentimeter Durchmesser leitet der Betreiber der "Sleipner"-Plattform, die norwegische Gruppe StatoilHydro, Kohlendioxid in eine salzhaltige Schicht rund tausend Meter tief in den Meeresboden. Rund zehn Millionen Tonnen des klimaschädlichen Gases sind so schon entsorgt worden. "Wir vergraben jedes Jahr die gleiche Menge an CO2, die dem Ausstoß von 300.000 bis 400.000 Autos entspricht", sagt der Manager der riesigen Sleipner-Anlage rund 250 Kilometer vor der norwegischen Küste, Helge Smaamo.
Kein gemeinnnütziges Projekt
Mit einem gemeinnützigen Projekt zum Klimaschutz hat die "Sleipner"-Plattform jedoch wenig gemein. StatoilHydro entschied sich aus rein finanziellen Gründen für die Entsorgung von CO2 unter der Erde. Das auf der Bohrplattform geförderte Erdgas hat einen viel zu hohen Kohlendioxidanteil für den Verkauf. Überflüssiges CO2 wird deshalb vom Erdgas getrennt. Um der 1991 von der norwegischen Regierung eingeführten hohen Emissionssteuer zu entgehen, beschloss das Unternehmen, das angefallene klimaschädliche Kohlendioxid nicht in die Atmosphäre zu leiten, sondern in den Meeresboden. "Wir sparen Geld, indem wir Gas (CO2) einspeisen, statt es freizusetzen", sagt StatoilHydro-Berater Olav Kaarstad.
Trotz der anfänglich hohen Investitionen von rund 100 Millionen Dollar (rund 64,5 Millionen Euro) für ein Bohrloch in den Meeresgrund und den Kompressor, der das CO2 in die Tiefe presst, rechnet sich CCS für StatoilHydro. Umgerechnet rund 43 Euro verlangt die norwegische Regierung derzeit pro ausgestoßene Tonne Kohlendioxid. Für StatoilHydro hätte dies Ausgaben von rund 66 Millionen Dollar pro Jahr bedeutet.
Hoher Energieaufwand
Benannt nach dem achtbeinigen Pferd des Kriegsgottes Odin aus der nordischen Mythologie, zieht "Sleipner" derzeit Besucher aus der ganzen Welt an. Dabei ist sie alles andere als eine "grüne" Plattform. Allein der riesige, mit Gas und Diesel betriebene Generator, der die Plattform mit Energie versorgt und das CO2 komprimiert, sowie die Flamme, die Verunreinigungen im Erdgas verbrennt, stoßen pro Jahr zusammen 900.000 Tonnen Treibhausgase aus - soviel wie zeitgleich unter der Erde gespeichert werden.
Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace kritisieren jedoch nicht nur das energieaufwändige Verfahren zum Speichern von CO2 im Meeresgrund. In ihrem Bericht "Falsche Hoffnung. Warum das Einfangen und Speichern von Kohlenstoff das Klima nicht retten wird", beschreiben sie die Technik auch als noch nicht ausgereift. Bis ein effizientes und bezahlbares Verfahren bereit stünde, sei es zu spät für den Klimaschutz, argumentiert Greenpeace. Auch Wirtschaftsexperten halten CCS für Industriezweige außerhalb der Erdgasförderung noch für unrentabel.
Umweltschützer sind uneinigig
Laut Greenpeace besteht zudem stets die Gefahr, dass die unterirdischen Speicherdepots undicht würden. "Wirkliche Lösungen zum Stopp des gefährlichen Klimawandels liegen in erneuerbaren Energien und Energie-Effizenz", heißt es in dem Greenpeace-Bericht weiter.
Andere Umweltschützer sehen die unterirdische Speicherung weniger kritisch. "Diejenigen, die CCS kritisieren, nehmen den Kampf gegen die Erderwärmung nicht ernst", sagt der Chef der norwegischen Umweltschutzgruppe Bellona, Frederic Hauge. Die Welt sei so abhängig von fossiler Energie, dass ihr gar nichts anderes übrig bliebe, als diese Methode zu nutzen, bis erneuerbare Energien weiter verbreitet seien.
Von Pierre-Henry Deshayes, AFP
Quelle: ntv.de