Rezeptor-Schwund durch Nikotin Rauchen verändert das Gehirn
26.12.2012, 12:48 Uhr
Nikotin verringert die Menge der Glutamat-Rezeptoren mGluR5 im Gehirn.
(Foto: picture alliance / dpa)
Rauchen setzt sich wohl stärker im Gehirn fest als bisher angenommen. Wissenschaftler der Universität Bern berichten, dass sich die Anzahl der Glutamat-Rezeptoren durch das Rauchen verringere. Die Erkenntnis könnte bei der Entwicklung neuer Behandlungsformen gegen Nikotinsucht helfen, so die Hoffnung der Experten.
Die Raucherdroge Nikotin hinterlässt im Gehirn stärkere und dauerhaftere Spuren als bislang angenommen. Das schreiben Schweizer Wissenschaftler in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften.
Die Forscher zeigten, dass bei Rauchern die Menge des Glutamat-Rezeptors mGluR5 im Gehirn deutlich vermindert ist. Auch bei ehemaligen Rauchern war dies der Fall. Ihre Erkenntnisse könnten bei der Entwicklung neuer Medikamente gegen Nikotinsucht helfen, schreibt das Team um Prof. Gregor Hasler von der Universität Bern.
Glutamat ist einer der wichtigsten Botenstoffe im Gehirn. Er dockt an spezielle Rezeptoren in der Membran von Nervenzellen an und setzt dadurch Reaktionen im Zellinneren in Gang. Einer dieser Rezeptoren ist mGluR5 (metabotroper Glutamat-Rezeptor 5). "Von Tierstudien ist bekannt, dass Glutamat auch bei der Entwicklung von Abhängigkeit, die ebenfalls eine Art Lernprozess darstellt, wichtig ist – vor allem bei der Nikotin- und Kokain-Abhängigkeit", erläutert Hasler in einer Mitteilung der Universität Bern.
Mäuse ohne den Rezeptor verschmähen Kokain
Er bezieht sich auch auf eine Studie, die 2001 in "Nature Neuroscience" erschien. Schweizer Wissenschaftler zeigten damals, dass mutierte Mäuse, denen der Rezeptor mGluR5 fehlt, kein Kokain nehmen – auch wenn sie können. Selbst wenn man diesen Mutanten Kokain gibt, entwickeln sie nicht die stark erhöhte Aktivität, die für die Droge typisch ist. Ihre normalen Artgenossen nutzten dagegen im Versuch oft die Möglichkeit, sich eine kleine Dosis des Stoffs durch einen Hebeldruck zu spritzen.
Direkte Beweise dafür, dass mGluR5 auch bei der Abhängigkeit von Menschen eine Rolle spielt, fehlten hingegen, schreibt das Team um Hasler. Die Wissenschaftler wollten dies nun prüfen. Sie injizierten hierzu 14 Rauchern, 14 Ex-Rauchern und 14 Nichtrauchern einen radioaktiven Marker, der an mGluR5 bindet. Via Positronen-Emissions-Tomographie (PET) machten sie dann sichtbar, wo und in welchem Ausmaß der Glutamat-Rezeptor bei den Probanden vorhanden ist.
Rezeptor-Schwund auch bei Ex-Rauchern
Ergebnis: Im Vergleich zu den Nichtrauchern hatten die Raucher im Schnitt 20 Prozent weniger mGluR5-Rezeptoren, in einzelnen Hirnregionen sogar um bis zu 30 Prozent weniger. Bei den Ex-Rauchern, die im Schnitt seit rund zwei Jahren abstinent waren, lag die Verminderung des Rezeptors bei 10 bis 20 Prozent.
"Diese Veränderung des Glutamat-Systems bei Rauchern ist im Ausmaß und in der Verteilung weit größer, als man bisher angenommen hat", erläuterte Hasler in der Mitteilung. Die Forscher staunten besonders darüber, dass die Erholung des Systems offenbar sehr lange dauert. "Es ist wahrscheinlich, dass diese sehr langsame Normalisierung zu der sehr hohen Rückfallrate bei Ex-Rauchern beiträgt."
Ihre Ergebnisse würden zwar nahelegen, dass der Schwund von mGluR5 eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Abhängigkeit spielt, schreiben die Forscher. Doch der genaue Zusammenhang sei noch unklar.
Quelle: ntv.de, dpa