Wissen

"Es gibt Berichte über UFOs" Warum plötzlich so viele Ballons auftauchen

395282236.jpg

US-Matrosen bereiten die Reste des chinesischen Ballons, der von der US-Luftwaffe über dem Atlantik abgeschossen worden war, für den Transport vor.

(Foto: picture alliance/dpa/US Navy via Dvidshub)

In verschiedensten Teilen der Welt werden mutmaßliche Spionageballons gesichtet. Vor allem über den USA, aber auch über Lateinamerika und der Ukraine. Warum gibt es im Moment so viele Sichtungen? Neu ist diese Technik nicht.

Tagelang flog ein chinesischer Ballon Anfang des Monats einmal quer über die USA, bis er am Ende vor der Atlantikküste abgeschossen wurde. Gestartet war er anscheinend Ende Januar auf der südchinesischen Insel Hainan, schreibt die "Washington Post". Dann flog er über Alaska, überquerte Kanada und die USA, bis ihn die US-amerikanische Luftwaffe am 4. Februar vor der Küste von South Carolina abschoss.

Die USA sagen, es war ein chinesischer Spionageballon. Peking selbst streitet das ab, spricht von einem Wetterballon, der vom Kurs abgekommen sei.

Danach sind noch drei weitere mysteriöse Flugobjekte über Nordamerika aufgetaucht: US-Kampfflieger haben über Alaska ein Objekt abgeschossen. Ein drittes wurde über Kanada zerstört. Und das vierte Flugobjekt hat ein US-Jet Mitte Februar heruntergeholt, über der Grenze zwischen den USA und Kanada.

Sie abzuschießen sei eine Vorsichtsmaßnahme gewesen, sagte US-Präsident Joe Biden. Laut den Geheimdiensten seien die drei Objekte höchstwahrscheinlich Ballons von privaten Unternehmen, Freizeit- oder Forschungseinrichtungen, die das Wetter oder etwas anderes erforscht hätten.

USA überwachten bisher vor allem Weltraum

Forschungs- und Spionageballons sind meist in der Stratosphäre unterwegs, höher als Passagierflugzeuge. "Wetterballons steigen auf 30, 40 Kilometer Höhe. Das ist nichts Ungewöhnliches. Es gibt auch welche zu Forschungszwecken, vielleicht auch zur Spionage oder militärischen Zwecken, die noch höher steigen können. Andere, vielleicht Forschungsballons können sich durchaus auch in niedrigeren Höhen aufhalten", sagt Hakan Kayal im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Er ist Professor für Raumfahrttechnik an der Universität Würzburg und leitet das Interdisziplinäre Zentrum für Extraterrestrik.

Die Flugobjekte über Nordamerika waren teilweise mit dem bloßen Auge zu erkennen gewesen. Das hat es leicht gemacht, sie zu entdecken. Nicht alle Bereiche in der Atmosphäre werden gleich stark observiert. "Der Raum unterhalb der Satelliten, aber oberhalb der Ballone, ist bisher nicht so sehr im Fokus gewesen", erläutert Kayal.

Üblich sei es, die zivile Luftfahrt zu überwachen und koordinieren. "Aber auch die militärische Luftraumüberwachung ist natürlich wichtig. Zum Dritten ist der Weltraum relevant, also die Überwachung von Satelliten", führt der Raumfahrtexperte aus.

Bisher hätten sich die USA in der Spionageabwehr vor allem auf den Weltraum konzentriert und weniger auf die Höhenbereiche darunter, hat ein ehemaliger CIA-Beamter der "Financial Times" gesagt. Zudem seien die amerikanischen Frühwarn- und Überwachungssysteme vor allem für relativ schnelle Flugobjekte in einer Höhe bis etwa 15 Kilometer optimiert worden, erklärte der ehemalige stellvertretende Leiter des United States Cyber Command, Charlie Moore.

Radargeräte anders eingestellt

Das hat sich mit dem chinesischen Ballon geändert. Die US-Luftverteidigung schaut jetzt genauer hin, sucht auch nach kleineren und langsameren Objekten. "Durch die Einstellung der Radarinstrumente haben sie versucht, das besser zu machen und auch bisher unbeachtete Regionen intensiver in den Blick zu nehmen", sagt Kayal. Dazu kommt: Ballons sind von den Geräten gar nicht so leicht zu entdecken, da sie aus dünnem Material bestehen und nur wenig Ausrüstung an Bord haben.

Das US-Militär hat seine Radare nun neu kalibriert, empfindlicher gemacht für solche Flugobjekte. "Die Filter wurden geöffnet", so hat es ein US-amerikanischer Beamter in der "Washington Post" beschrieben: Die Radargeräte sammelten und filterten viele Rohdaten, damit Menschen und Maschinen sie verstehen würden. Dabei könnten aber wichtige Informationen verloren gehen. Deshalb seien diese Filter deaktiviert worden. Der Beamte vergleicht es mit einer Shopping-Website, wo die Filter-Kästchen nicht mehr angeklickt sind.

"Wenn Sie mit einem Radargerät den Luftraum überwachen, dann konzentrieren Sie sich auf solche Fälle, die eine Bedrohung sein könnten, Flugzeuge oder Spionageflugzeuge", erklärt Raumfahrtexperte Kayal im Podcast. Alles störende und militärisch irrelevante wie Vogelschwärme oder Wetterphänomene werde weggefiltert. "Aber genau in diesen weggefilterten Phänomenen könnten neue Naturphänomene versteckt sein, die für uns von Interesse sein könnten."

Über 500 UFO-Sichtungen in den USA

Was hinter den drei zuletzt über Nordamerika abgeschossenen Flugobjekten steckt, ist noch immer nicht klar. Nach einer Äußerung des US-Generals Glen VanHerck gab es wilde Spekulationen über UFOs und Außerirdische. Er hatte auf die Frage danach geantwortet, dass er zum jetzigen Zeitpunkt nichts ausschließt. Er überlasse es den Geheimdiensten und der Spionageabwehr, das herauszufinden. Das Weiße Haus hat danach schnell klargemacht, dass es keine Hinweise auf Aliens gibt.

So abseitig ist das Thema UFOs aber gar nicht. Immerhin werden immer mehr nicht-identifizierte Flugobjekte gesichtet. Die US-Geheimdienste haben inzwischen Meldungen über 510 UFOs gesammelt, von denen viele im sensiblen militärischen Luftraum fliegen. 366 der Sichtungen sind seit 2021 neu dazugekommen. Später wurden 163 davon als Ballons identifiziert. Bei 171 der Objekte ist noch nicht geklärt, was da genau am Himmel gesichtet worden ist. Das heißt aber noch lange nicht, dass es Beweise für außerirdisches Leben gibt.

Die USA haben im vergangenen Sommer eine eigene Behörde für nicht identifizierte Flugobjekte und andere Phänomene eingerichtet, das "All-Domain Anomaly Resolution Office". Diese koordiniert und untersucht die Fälle. "Ein Schritt nach vorn", meint Kayal im "Wieder was gelernt"-Podcast. Zudem habe die US-amerikanische Raumfahrt-Behörde NASA vergangenes Jahr eine UFO-Studie gestartet, berichtet der Raumfahrt-Professor.

UFO-Forschung bringt Erkenntnisse für Wissenschaft

In Deutschland wird das Thema UFOs bisher eher vernachlässigt. Wer Sichtungen meldet, wird meist belächelt. Die deutsche Sammelstelle für UFO-Sichtungen, eine private Organisation, hat vergangenes Jahr über 300 Meldungen registriert. Eine amtliche Behörde dafür, wie in den USA oder Frankreich, gibt es bislang nicht.

Mehr zum Thema

Kayal wünscht sich mehr Geld für die Erforschung und mehr Unterstützung von der Politik. "Es gibt Berichte über UFOs. Die werden auch immer wieder gemeldet." Erst einmal müsse man zur Kenntnis nehmen, dass unidentifizierte Flugobjekte existieren. "Was man dann damit macht und wie man im Falle eines Falles reagiert, das ist ein äußerst komplexes Thema. Auch wenn sich am Ende herausstellen würde, dass es nur militärische Aktivitäten, Spionageballons, Wetterphänomene oder Naturphänomene sind, die wir einfach noch nicht kennen."

Wichtig sei es, zunächst einmal Daten zu sammeln. Die Ufo-Erforschung könnte Lücken in der Physik füllen, sagt der Raumfahrtexperte. Auch dann, wenn es am Ende gar keine außerirdischen Flugobjekte sind.

"Wieder was gelernt"-Podcast

"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige: Warum wäre ein Waffenstillstand für Wladimir Putin vermutlich nur eine Pause? Warum fürchtet die NATO die Suwalki-Lücke? Wieso hat Russland wieder iPhones? Mit welchen kleinen Verhaltensänderungen kann man 15 Prozent Energie sparen? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein bisschen schlauer.

Alle Folgen finden Sie in der ntv App, bei RTL+ Musik, Apple Podcasts und Spotify. "Wieder was gelernt" ist auch bei Amazon Music und Google Podcasts verfügbar. Für alle anderen Podcast-Apps können Sie den RSS-Feed verwenden.

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen