Musik

Muss man gehört haben The Who - von den 70ern bis heute

Goldene Hochzeit - herzlichen Glückwunsch!

Goldene Hochzeit - herzlichen Glückwunsch!

Roger Daltrey und Pete Townshend bereiten sich auf ihren letzten großen Ritt vor. Erste Tourdates stehen, es soll neue Songs geben. Dennoch steht für The Who fest: es geht in die Zielgerade. Ein Blick auf ihre Geschichte von den 70ern bis heute.

Zum Ende der 60er, genauer gesagt 1969, war nicht nur de r "Summer of Love" vorüber, es schien, als hätten auch Daltrey & Co. ihr Hippiekapitel mit Pauken und Trompeten - im wahrsten Sinn des Wortes - abgeschlossen. Die Rockoper "Tommy" hatte für Furore gesorgt, den Ruf als Band für besondere Momente unterstrichen The Who mit ihrer spätnächtlichen Performance beim Woodstock-Festival.

Schon im Jahr darauf geriet das Album "Live at Leeds", bis heute eines der Livealben schlechthin, zum rauhen Sixties-Update, und mit "Quadrophenia" (1973), nach dem Flipperkönig-Spetakel eine weitere Rockoper, bewegte sich die Band auch konzeptionell zurück zu ihren Mod-Wurzeln.

The Who in den 70ern - ihre größten Alben:

"Live at Leeds" (1970)

Am 14. Februar in der "University of Leeds" aufgenommen, verpackt in eine schlichte, braune Papphülle in Bootleg-Optik, geriet dieser Konzertmitschnitt zum ganz großen Wurf. Zunächst war geplant, das Konzert am Tag drauf in Hull mitzuschneiden, es gab jedoch technische Probleme, weshalb man in Leeds aufnahm. Auf Platz 170 der "500 besten Alben aller Zeiten" votierte es der "Rolling Stone" und fürwahr: Die Energie der Band funkt chronisch im roten Bereich, spielfreudig, kompromisslos, rauhbeinig.

"Who’s Next" (1971)
Noch immer auf Festivals anzufinden - einzigartig.

Noch immer auf Festivals anzufinden - einzigartig.

Ein Album, so prallvoll mit instant classics - man könnte meinen, es handelt sich um eine Sammlung von Greatest Hits: Allein "Baba O’Reilly", "Behind Blue Eyes" und "Won’t Get Fooled Again" zählen bis heute zu den unkaputtbaren Evergreens der Band. Dass die Band bei aller Genialität ihren britischen Biertrinker-Humor nicht verloren hat, zeigt das Cover, auf dem die vier sich just an einem riesigen Betonklotz erleichtert haben.

"Quadrophenia" (1973)

Dem Hippie-Spektakel "Tommy" stellte Townshend hier eine britische Arbeiterchronik Anfang/Mitte der 60er entgegen: Der junge Mod Jimmy hat Probleme zu Hause, Ärger mit den Jugendgangs, einen miesen Job, zu wenig Geld. Das Album, visuell erweitert durch ein Fotobuch mit szenischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen zur Geschichte, gerät erneut zum künstlerischen Geniestreich. "Love reign o’er" ist die Überballade der Band, "5.15" wird Ende der Dekade noch einmal ein Singlehit. Songs wie "The Real Me" oder "Doctor Jimmy" geben dem konzeptionellen Breitwandsound den erdigen Untergrund. Die Kinoversion wird 1979, u.a. mit Sting als Bellboy, zum Erfolg.

Mit den Alben "The Who by Numbers" (1975) und "Who Are You" (1978) zeigt die Schaffenskurve der Band nach unten, der Tod Keith Moons am 4. September 1978 schließlich wird zur Zäsur in der Bandhistorie. Mit Ex-Faces Drummer Kenney Jones versuchen The Who die Band am Laufen zu halten, aber die Geschichte scheint - trotz vereinzelter Geniestreiche wie etwa "You Better You Bet" vom 1981er Album "Face Dances" - vorerst auserzählt. 1983 kommt es zum offiziellen Split, der jedoch nicht lang anhält. Die Band gibt sich 1985 beim "Live Aid"-Spektakel die Ehre, 1989 tourt man mit "Tommy", diesmal mit Simon Phillips an den Drums.

So richtig ins Rollen geraten die Dinge 1996, da The Who mit "Quadrophenia" auf Welttour gehen. An den Drums und das bis heute: Ringo Starrs Sohn Zak Starkey. Eine der schönsten Anekdoten der Rockgeschichte, hatte dessen Onkel und Ringo-Kumpel Keith Moon ihm doch als Steppke das erste Drumset geschenkt. "Ich kam zu Ringo auf ein paar Drinks und hörte von oben das Trommeln", erzählte Moon einst, "das kenn ich, sagte ich mir und richtig: Das war 'Quadrophenia' und Zak spielte es komplett mit!" In den Folgejahren tourt die Band immer wieder. Es ist nun unüberhörbar Starkey und seinem unglaublich authentischen Stil zu verdanken, dass die Songs auch 30 Jahre nach ihrem Entstehen famos bollern und druckvoll über die Rampe gehen.

Im 50. Jahr!!!

Das Album "Who's next" wurde 1971 veröffentlicht.

Das Album "Who's next" wurde 1971 veröffentlicht.

Am 27. Juni 2002 schließlich stirbt Bassist John Entwhistle völlig überraschend in einem Hotelzimmer in Las Vegas an Herzversagen. Und wieder entscheiden sich Daltrey und Townshend fürs Weitermachen, veröffentlichen 2006 gar ein neues Album, das erste seit 23 Jahren, mit dem Titel "Endless Wire". Akzente setzen The Who in der Folgezeit vor allem noch einmal im großen Kontext, veranstalten regelmäßig ihre Benefizkonzerte in der Londoner Royal Albert Hall für den "Teenager Cancer Trust", rocken breitbeinig in der Halbzeit des US-Superbows 2010 und sind Teil der Abschlussfeier der Olympischen Sommerspiele 2012 in London.

Nun also - im 50. Jahr ihrer Bandgeschichte - stehen die Zeichen auf Abschied. Die Lads werden  nicht jünger, Townshends Tinnitus ist vor langer Zeit schon diagnostiziert worden und Daltrey hatte bereits mehrfach schwere Halsprobleme. Die ersten Dates für die Farewell-Tour sind gebucht, von einem möglichen neuen Album ist die Rede. Genießen wir diese Institution also noch ein letztes Mal live. Bands wie diese werden heute nicht mehr gebaut. "Hope I die Before I Get Old?" Seien wir froh, dass sie den Mund mit diesem Credo einst viel zu voll genommen haben.

Zugabe:

"The Kids are Alright" (GB, 1979) - die knallige Band-Filmdoku aus dem Jahr 1979 mit Interviews, Live-Mitschnitten, kruden Einspielfilmchen. Und den Käsefüßen von Keith Moon.

"Who I Am" (2012) - zuweilen etwas larmoyante Autobiografe des Mannes mit der Windmühlentechnik. Bei aller selbstgerechten Nabelschau von Pete Townshend aber durchweg lesenswert und äußerst unterhaltsam.

"Dear Boy" (2000) - Musikjournalist Tony Fletcher erzählt die unglaubliche Geschichte des unglaublichsten Drummers aller Zeiten, Keith Moon.

"The Who Rock'n Roll Comics Issue #7" (1990) - die Geschichte der Band als Comic von Autor Todd Loren und Illustrator Thomas D. Luth.

Quelle: ntv.de

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