Privates Kapital für Infrastruktur Kommunen als Melkkühe der Finanzbranche?
24.11.2016, 13:10 Uhr
Die Bundesregierung will dafür sorgen, dass kräftig in Infrastruktur investiert wird.
(Foto: picture alliance / dpa)
Für Investitionen von Städten und Gemeinden könnten verstärkt private Anleger mobilisiert werden. Dabei sind höhere Kosten sehr wahrscheinlich.
Nachdem die Politik den riesigen Investitionsstau, der sich seit den frühen 2000er Jahren insbesondere bei den Kommunen aufgebaut hat, lange ignoriert hat, ist mit der Fratzscher-Kommission beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) Bewegung in die Sache gekommen. Nun soll im großen Stil in öffentliche Infrastruktur investiert werden, aber die Bundesregierung will dazu weder Steuern erhöhen noch neue Schulden machen. Wie soll das gehen? Das wird zur Preisfrage - im doppelten Sinne. "Privates Kapital" heißt die vermeintliche Zauberformel. Während bei der Bundesautobahngesellschaft eine private Beteiligung nun doch vom Tisch ist, könnten private Anleger nun verstärkt für kommunale Investitionen mobilisiert werden. Der Bericht der Fratzscher-Kommission hatte hier schon eine Fondslösung ins Spiel gebracht, deren konkrete Ausgestaltung aber noch unklar blieb. Ein Konzept dafür hat jüngst die Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers Legal AG (PWC) im Auftrag des BMWi erarbeitet.
Das Konzept sieht zwei Institutionen vor: Zum einen eine staatliche Infrastrukturgesellschaft, die Projekte bündelt und dabei die Prozesse so standardisiert, dass es zu Effizienzgewinnen kommt. Zum anderen eine sogenannte "Projektgesellschaft ersten Grades", die von einer staatlichen Institution (wie beispielsweise der Förderbank KfW) und einem privaten Akteur geführt wird und an der sich noch ein Fonds aus passiven Anlegern beteiligt. Diese Einrichtung ist für die Finanzierungsseite zuständig und soll insbesondere über den privaten Hauptakteur "Managementkompetenzen" einbringen. Untergeordnete Projektgesellschaften (sogenannte "Projektgesellschaften zweiten Grades") sollen dann in Kooperation mit der jeweiligen Kommune konkrete Projekte umsetzen.
Das Gutachten zeichnet detailliert die Fondsstruktur auf. Die dargestellte Lösung geht aber völlig am eigentlichen Problem vorbei – nämlich, dass die kommunalen Haushalte dauerhaft mehr Mittel benötigen, die sie für Investitionen ausgeben können. Dieses Problem löst das Konzept der PWC in keiner Weise, was aber eher dem BMWi als Auftraggeber vorzuwerfen ist als der Unternehmensberatung. Da die privaten Anleger ihr Geld nicht verschenken, sondern mit einer ordentlichen Rendite zurückerhalten möchten, unterscheidet sich die Fonds-Lösung prinzipiell in ihrer Wirkung auf die kommunalen Haushalte nicht grundsätzlich von einer herkömmlichen Kreditfinanzierung. Sie ist nur teurer, da bei privater (Mit)- Eigentümerschaft und ohne Staatsgarantien immer ein Risikoaufschlag bei den Zinsen verlangt wird, der das Insolvenzrisiko abbildet. Sprich: Der Staat und seine Kommunen könnten sich das Geld für die Investitionen günstiger leihen.
Das Modell erinnert sehr an öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP), die– nicht zuletzt aufgrund kritischer Berichte der Rechnungshöfe – in Verruf geraten sind. Nun geht es offenbar darum, etwas Ähnliches unter einem anderen Namen und in einer anderen Größenordnung zu etablieren. Letzteres erleichtert die Beteiligung von privaten Großanlegern wie etwa Versicherungen. Und genau um diese und ihre Renditeinteressen scheint es vorrangig zu gehen: In der aktuellen Niedrigzinsphase gerät ihr Geschäftsmodell zunehmend unter Druck. Und sowohl in der Politik als auch im Bericht der Fratzscher-Kommission wurden die Finanzierungsmodelle für die Infrastruktur explizit auch als Lösung für die Niedrigzinsproblematik angepriesen.
Unnötige Kosten vermeiden
Natürlich ist per se nichts gegen Infrastrukturprojekte im Wege einer ÖPP oder einer ähnlichen Form einzuwenden, wenn das nachweislich mit Vorteilen für die öffentliche Hand verbunden ist. Dabei müssen sehr strenge Maßstäbe an die Methodik der Wirtschaftlichkeitsprüfung angelegt werden. Die Rechnungshöfe haben aber wiederholt Fälle aufgezeigt, in denen die Wirtschaftlichkeitsprüfung zum Nachteil der konventionellen Beschaffung verzerrt war und in Wahrheit keine wesentlichen Effizienzgewinne eingetreten sind, die die höheren Finanzierungskosten hätten kompensieren können. Es gilt weiterhin, was die Rechnungshöfe schon länger schreiben: Projekte, die sich eine Kommune im Wege der sogenannten konventionellen Beschaffung nicht leisten kann, kann sie sich auch in Form einer ÖPP nicht leisten.
Die 2008 mit dem Ziel der Förderung von ÖPP gegründete ÖPP-Deutschland AG wurde jüngst in "Partnerschaften Deutschland" umbenannt und soll ab dem kommenden Jahr als rein staatliche Einrichtung Kommunen unabhängig bei Infrastrukturmaßnahmen beraten. Damit entsteht eine Einrichtung, die im PWC-Konzept den Part der Infrastrukturgesellschaft übernehmen könnte. Bei dem nahtlosen Übergang einer Institution, die zur expliziten Förderung von ÖPP geschaffen wurde und im derzeitigen Management eine gewisse personelle Nähe zu maßgeblichen in ÖPP involvierten Konzernen zeigt, zu einer staatlichen Beratungsinstitution für Kommunen fragt man sich allerdings wie es wirklich um deren Unabhängigkeit bestellt ist.
Man kann den Finanzanlegern nicht vorwerfen, dass sie eine Rendite erzielen wollen und für dieses Ziel im Zweifel auch engagierte Lobbyarbeit leisten. Die Wirtschaftspolitik muss sich allerdings fragen lassen, wessen Interessen sie eigentlich vertritt: die der Bürger, denen bei der Finanzierung der Infrastruktur keine unnötigen Kosten aufgebürdet werden sollten, oder die der Finanzbranche, die nach einer maximalen Rendite trachtet. Die Antwort sollte eigentlich klar sein.
Prof. Dr. Gustav A. Horn ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Dr. Katja Rietzler forscht im IMK zur Steuer- und Fiskalpolitik.
Quelle: ntv.de