VW will nicht vom Luxus lassen 650 Millionen Euro für neuen Phaeton
28.01.2015, 16:00 Uhr
Das Prestigeprodukt Phaeton wird in der gläsernen Manufaktur gefertigt. Per Hand versteht sich. Ein Luxus, den sich Mercedes nicht mal mehr für den Maybach S 600 leistet.
(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)
Er war und ist ein Prestigeprojekt, der VW Phaeton. In zwei Jahren soll der neue kommen und es endlich allen zeigen. Experten bemängeln aber, dass die Investitionen und der angestrebte Sparkurs von VW sich stark konterkarieren.
Mitten in seinem milliardenschweren Sparprogramm nimmt Volkswagen große Summen in die Hand, um den umstrittenen Oberklassewagen Phaeton neu aufzulegen. VW will die nächste Generation Ende 2017 auf den Markt bringen. Mit dem Phaeton versuchen die Wolfsburger schon seit mehr als zehn Jahren einen Fuß in die Tür der von Daimler, BMW und der eigenen Oberklasse-Tochter Audi beherrschten Luxusklasse zu bekommen. Die komplette Neuentwicklung lässt man sich nach Experten-Schätzungen bei VW einiges kosten. Bis zu 650 Millionen Euro sollen bereits geflossen sein.
Widerspruch von Sparprogramm und Investition
Analysten sehen darin einen krassen Widerspruch zu den Zielen von Vorstandschef Martin Winterkorn, die Kosten der Hauptmarke VW um fünf Milliarden Euro zu senken. "Ökonomisch ist das absolut unsinnig", kritisiert Arndt Ellinghorst vom Londoner Analysehaus Evercore ISI. Winterkorn und Aufsichtsratschef Ferdinand Piech könnten nicht von ihrer "Verliebtheit in Luxusprodukte" ablassen.
Ellinghorst stellt daher die Absicht des Managements in Frage, die Probleme bei der Marke mit dem VW-Logo ernsthaft anzugehen. Deren operative Rendite will Winterkorn in den nächsten Jahren auf mindestens sechs Prozent hieven. Zuletzt lag sie unter drei Prozent. Dazu hatte Winterkorn im Sommer ein Sparprogramm angekündigt, das auch schmerzhafte Einschnitte umfassen soll. Nicht mehr jedes Modell soll automatisch einen Nachfolger bekommen. Technische Spielereien bei den Ausstattungen will der Konzernchef eindämmen. Entscheidend soll sein, was sich rentiert.
In Wolfsburg spricht man lieber von einem Programm zur Effizienzsteigerung. Der Konzern dürfe das Geld mit Blick auf die hohen Investitionen zur Senkung des CO2-Ausstoßes, für die Elektromobilität und die Vernetzung der Autos nicht mehr mit vollen Händen ausgeben. "Jetzt geht es nicht mehr allein um größer, höher, weiter. Jetzt geht es darum schlanker, schneller, effizienter zu sein", schrieb Winterkorn jüngst im Managermagazin des Konzerns.
28.000 Euro Miese pro Phaeton
In dieses Ziel passt der Phaeton nach Ansicht von Experten nicht hinein. Er könne sich nicht vorstellen, dass VW mit dem Phaeton Gewinn mache, sagt Stefan Bratzel, der das Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach leitet. Der Wagen konkurriere mit dem A8 der Tochter Audi um Kunden und mache strategisch wenig Sinn. Für Bernstein-Analyst Max Warburton ist der Phaeton eines der verlustreichsten Autos der Neuzeit in Europa. Er rechnete unlängst vor, dass VW rechnerisch 28.000 Euro bei jedem zwischen 2002 und 2012 verkauften Phaeton verloren habe. VW selbst gibt keine Zahlen zu einzelnen Modellen bekannt und will sich auch nicht zur Höhe der Investitionen äußern. Insider sprechen von einer "beträchtlichen Summe", die die Entwicklung des Phaeton koste.
Der in der Grundausstattung rund 76.000 Euro teure Wagen hat die Gemüter bereits bei der Einführung vor 13 Jahren erhitzt. Neben Anerkennung für die Qualität und Technik schlugen VW damals Häme für das biedere Design des ersten Modells entgegen. Der Anspruch, dass der Massenhersteller aus Wolfsburg es mit der S-Klasse von Mercedes-Benz, dem BMW 7er oder dem Audi A8 aufnehmen will, wurde belächelt. Hinzu kam der Name: Phaeton ist in der griechischen Mythologie jener junge Held, der den kostbaren und reich verzierten Sonnenwagen seines Vaters ausleiht, ihn aber nicht beherrscht und damit die Erde in Brand setzt.
Piechs Schöpfung ist unantastbar
Die Wolfsburger sehen den Phaeton als Technologieträger, als Maß der Dinge, an dem sich der Rest der VW-Flotte orientieren soll. Dazu gehört ein Streben nach technologischer Perfektion, die Volkswagen unter Piech als früherem Vorstandsvorsitzenden und jetzigem Chef des Aufsichtsrats antreibt. Schon die Produktion in der Gläsernen Manufaktur in Dresden, wo der Phaeton größtenteils per Hand montiert wird, verspricht Luxus. Die Arbeiter laufen dort auf edlem Ahorn-Parkett und tragen weiße Anzüge und Handschuhe.
Der Phaeton gilt als Piechs Schöpfung und ist unantastbar. Dieses Mantra hat auch Winterkorn übernommen. Denn Kritik duldet der VW-Patriarch nicht. Das haben schon einige Manager schmerzhaft erfahren müssen, die sich gegen das Projekt auflehnten. Allerdings hält sich der Absatz bisher in Grenzen. Das ursprüngliche Ziel von 20.000 verkauften Einheiten im Jahr ist weit entfernt. 2006 wurde der Verkauf in den USA wegen mangelnder Nachfrage sogar eingestellt.
Begehrter ist der Phaeton in China, wo sich eine steigende Zahl an Reichen teure Autos leisten kann. In Deutschland verkaufte VW im abgelaufenen Jahr laut Kraftfahrt-Bundesamt rund 1700 Stück und damit weit weniger als Mercedes mit gut 8600 Wagen seiner S-Klasse, die in der obersten Autoklasse als Maß aller Dinge gilt. Prognosen lassen zwar ein Absatzplus für den neuen Phaeton erwarten. Die Analysten von IHS Automotive gehen für den Zeitraum 2017 bis 2020 von 11.900 Verkäufen pro Jahr im Schnitt aus. Damit käme der VW-Phaeton immer noch nicht in Schlagdistanz zur Konkurrenz. In Wolfsburg nimmt man dies jedoch gelassen: "Der Phaeton ist ein Imageträger. Er hat keine Bedeutung für das Volumen", sagt US-Chef Michael Horn.
Quelle: ntv.de, Andreas Cremer und Jan Schwartz/ Reuters