Noch mehr Schub im SQ7 Audi packt elektrisch den Dampfhammer aus
05.05.2016, 20:23 Uhr
Im Alltag unter zehn Liter Verbrauch zu kommen, dürfte im SQ7 kein Traum bleiben.
(Foto: Busse/Textfabrik)
Obwohl es angeblich seit Jahren nicht mehr existiert, geistert es noch durch die Köpfe der Motorenentwickler: das Turboloch. Ihm beizukommen, ist Aufgabe eines elektrischen Verdichters, der nun im Audi SQ7 verbaut ist. Der Effekt ist erstaunlich.
Im Unterschied zu BMW und Mercedes, die ihre V8-Diesel schon vor Jahren eingeschläfert haben, hält Audi unverdrossen zum großen Selbstzünder. Die aktuelle Ausgabe hat vier Liter Hubraum, eine Abgas-Registeraufladung und ein kleines Zusatzgerät, das ordentlich Druck macht. Schon ab 1000 Kurbelwellen-Umdrehungen, also knapp über Leerlauf, sorgt der Elektro-Lader dafür, dass der Motor sagenhafte 900 Newtonmeter Drehmoment absondert. Das ist so viel, wie der Konzern-Vetter Bentley Bentayga mit seinem Zwölfzylinder-Benziner aufbietet.
Bekanntlich ist der Q7 technisch eng mit dem britischen Nobel-SUV verwandt und es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass auch der erste Diesel-Personenwagen von Bentley eben diesen Motor nebst E-Lader unter der Haube haben wird. Auch für einen nächsten Porsche Cayenne scheint der muskulöse Achtzylinder geeignet, der jetzige in Porsches Gelände-Kombi stammt noch aus der 4,2-Liter-Hubraum-Generation. Bis es soweit ist, bleibt der SQ7 als erstes S-Modell der 2005 eingeführten Baureihe Leistungs- und Drehmoment-König. 435 Pferdestärken sind es, die da an den Start gebracht werden.
Zwei unabhängige Elektro-Bordnetze
Für Projektleiter Klaus Bugelnig ist der SQ7 aber mehr als PS-Protzerei. Er sieht in dem Fünf- oder Siebensitzer Audis betagten Markenslogan "Vorsprung durch Technik" aufs Neue eingelöst. Nicht nur, dass der E-Lader dem alten Diesel-Prinzip auf einzigartige Weise Dampf macht, auch Bord-Elektrik und Fahrwerks-Technik brächten der Marke bisher nicht vorhandene Innovationsschübe. Mithilfe eines auf 48-Volt-Basis funktionierenden Zweit-Bordnetzes würden neuartige Assistenz-Systeme realisiert und auch die weitere Elektrifizierung des Antriebs vorbereitet. Und schließlich: Die elektro-mechanische Wankstabilisierung eröffne neue Dimensionen der dynamischen Kurvenfahrt, da sie die Karosse auch bei starken Fliehkräften aufrecht hält.

Was ist los? Informationen in Hülle und Fülle bietet das virtuelle Cockpit.
(Foto: Busse/Textfabrik)
Was Audi nicht an die große Glocke hängt: Trotz des Preises von knapp 90.000 Euro wird hier die Sozialisierung feinster Automobil-Technik betrieben. Der mehr als doppelt so teure Bentley Bentayga verfügt ebenfalls über diese Features, jedoch für eine Klientel, denen vier Ringe am Finger näher sind als die am Kühlergrill. Luftfederung, LED-Scheinwerfer und 20-Zoll-Aluräder bringt der SQ7 als Mitgift für die Performance-Romanze.
Seit 2014, als Audi erstmals ein Konzeptfahrzeug mit elektrisch beatmetem Dieselmotor zur Probefahrt anbot, haben die Entwickler noch einen ordentlichen Schritt zugelegt. Das maximale Drehmoment des Serien-Aggregats ist höher und setzt früher ein als in dem seinerzeit von einem A5-Coupé dargestellten Prototypen. Und so funktioniert die kleine E-Maschine mit der großen Wirkung: Die 48-Volt-Batterie liefert bis zu 470 Wattstunden Energie, die das Verdichterrad mit maximal 13 kW Antriebsleistung beschleunigt. Während die Abgas-Turbolader noch auf den Durchfluss von genügend Verbrennungs-Abluft warten, beschleunigt der E-Lader binnen 0,25 Sekunden auf bis zu 70.000 Umdrehungen.
Spurten wie ein Sportcoupé
Der elektrische Verdichter ist nach dem Ladeluftkühler angeordnet. Bei sehr niedrigen Motordrehzahlen und entsprechend geringer Abgasenergie am Turbolader schließt eine Bypassklappe und die Luft wird in den elektrischen Verdichter geleitet. Von dem neuen 48 Volt-Subnetz verspricht sich Audi weitere Vorteile für die Zukunft: Leistungsstarke elektrische Verbraucher wie etwa thermoelektrische Heizelemente, elektromechanische Hinterradbremsen oder Motor-Nebenaggregate wie Öl- und Wasserpumpen könnten mit mehr Energie versorgt werden. Die höhere Spannung bedeute gleichzeitig niedrigere Ströme, wodurch die Kabelquerschnitte kleiner würden und so das Gewicht des Gesamtfahrzeugs sinke.
Vorerst ist der SQ7 allerdings kein Leichtgewicht. In Vollausstattung ist man mit etwa 2,4 Tonnen Masse unterwegs - Insassen gehen extra. Auf der Waage ist dieses Gewicht zu sehen, auf der Straße zu spüren aber nicht. Überraschend leichtfüßig schraubt sich das Fünfmeter-Schiff die gewundenen Teststrecken empor, als Lenkpräzision und Wankstabilisierung der Praxis-Prüfung unterzogen werden sollen. Die Hinterachs-Lenkung und das neu integrierte Torque-Vectoring helfen, den Trumm zuverlässig in der Spur zu halten. Wie weit diese anspruchsvollen Extras den Fahrzeugpreis über 90.000 Euro liften werden, ist bei Audi allerdings noch nicht genau zu erfahren. Erst Mitte des Monats werden die einschlägigen Kanäle für eine Bestellung geöffnet, aber es ist davon auszugehen, dass ein Paket als Wankstabilisierung, Sport-Fahrwerk und -Differenzial sowie Allradlenkung für etwa 6000 Euro zu haben sein wird.
Der Fahrspaß im SQ7 wird von einer satten Soundkulisse untermalt, die eher an einen V8-Benziner als an einen Selbstzünder erinnert. Wenn's drauf ankommt, soll er in weniger als fünf Sekunden die 100 km/h-Marke knacken - ein Wert, der sonst hochmotorisierte zweisitzige Coupés auszeichnet. Gegen Ende der Temposkala greift die elektronische Bremse bei 250 km/h ein. Der offizielle Verbrauchswert wird vom Hersteller mit 7,2 Litern je Normstrecke angegeben. Der Bordcomputer eines mit drei Personen besetzten Siebensitzers errechnete am Ende der zügig absolvierten Testfahrt 9,1 Liter.
Den Erwartungen von online-präsenten Kunden trägt ein ausgeklügeltes Infotainmentsystem Rechnung. Per Touchpad oder mit Sprachbefehlen können die benötigten Funktionen aktiviert werden. Das virtuelle Cockpit ist in der Lage, so viele Fahr-, Sicherheits-, Kommunikations- und Navigationsdaten gleichzeitig darzustellen, dass einem die Orientierung zuweilen abhandenkommen kann. Zusätzlich projiziert ein Head-up-Display Informationen ins Blickfeld des Fahrers oder der Fahrerin. Per LTE-Modul wird die Verbindung zum World Wide Web gehalten und über die SIM-Karte mit Daten-Flatrate saugen die Insassen am WLAN-Hotspot per Smartphone individuelle Inhalte aus dem Netz. Auch ein Ver- und Entriegeln des Fahrzeugs per Smartphone ist möglich.
Als Nicht-Benziner kann der SQ7 zunächst nur als Thema für Europa gelten, denn in den USA stellte Audi den Dieselverkauf nach Bekanntwerden des Abgas-Skandals ein und in China ist der Selbstzünder im Pkw-Bereich ebenfalls von geringer Bedeutung. Dennoch will Audi langfristig auch Nordamerika wieder ins Visier nehmen. Den globalen Markt für High-Performance-SUV schätzen die Ingolstädter auf etwa 70.000 Einheiten jährlich.
Quelle: ntv.de