Der französische Patient Auto-Aufbruch zur Pariser Messe?
28.09.2012, 15:44 Uhr
Der Tubik wird zum ständigen Begleiter von Citroen auf Messen. Doch eine wirkliche Alternative gegen die Absatzkrise ist er wohl nicht.
Ist die französische Automobil-Industrie noch zu retten? Die "Mondial de l'Automobile", die am 29. September in Paris für das Publikum ihre Tore öffnet, soll diese Frage beantworten. Die Präsentationen der drei großen Hersteller schwanken zwischen Gesundbeterei und Pragmatismus.
Traditionell haben Renault sowie die im PSA-Konzern zusammengeschlossenen Marken Citroën und Peugeot ihre wichtigsten Exportmärkte in Europa. Außer Deutschland sind dies Spanien und Italien, Portugal und Griechenland. Wie es in den Südländern wirtschaftlich derzeit aussieht, weiß man aus den Nachrichten. Kein gutes Umfeld also für starke Neuwagen-Nachfrage. In Deutschland konnte sich Renault wegen des Erfolgs der Tochtermarke Dacia noch einigermaßen behaupten, PSA hat gerade, begleitet von großem Unwillen der Peugeot-Mannschaft, zwei Standorte zusammengelegt. Außereuropäische Märkte, die das Defizit ausgleichen könnten, sind bei den französischen Marken noch immer unterentwickelt.
Vor diesem Hintergrund beginnen am Samstag die Publikumstage des Pariser Autosalons. Schon wiederholt strömten während der 14-tägigen PS-Show mehr als eine Million Schaulustige in die Messehallen, so dass die "Mondial" zu einer der besucherreichsten Veranstaltungen dieser Art weltweit zählt. Von massivem Interesse verwöhnt sind die Autohersteller des Nachbarlandes derzeit nicht. Angesichts der Absatzkrise, die Citroën und Peugeot noch stärker heimgesucht hat als die Konkurrenz von Renault, besteht für eine selbstbewusst zelebrierte Heimatmesse nur bedingt Anlass. Die schwindenden Verkäufe wurden in den beiden zurückliegenden Jahren von einer elektrolastigen Modellstrategie bestimmt, der kein gleichwertiges Interesse auf Kundenseite gegenübersteht.
Peugeot schielt auf China
Wer in diesen Tagen Eindrücke auf den in unmittelbarer Nachbarschaft angesiedelten Messeständen von Citroën, Peugeot und Renault sammelt, kann bei der Marke mit dem Löwen noch am ehesten eine authentische Zukunftsorientierung erkennen. Obwohl der neue Chef Maxime Picat erst zum Monatswechsel offiziell sein Amt antritt, hat er bereits Wegmarkierungen aufstellen lassen. Als einziger französischer Hersteller bot Peugeot zur Pressekonferenz seinen Gästen aus Fernost eine Simultanübersetzung in chinesischer Sprache an. Picat, der als ehemaliger Werksleiter in China den dortigen Markt gut kennt, ließ in seinem Statement auch keinen Zweifel daran aufkommen, dass er in einer stärkeren Globalisierung des Absatzes gute Chancen für seine Marke sieht. Schon jetzt wachse Peugeot im Reich der Mitte prozentual schneller als der Rest des Marktes. Zweiter Schwerpunkt der neuen Verkaufsoffensive soll Lateinamerika sein.
Gut eingeschlagen hat der Peugeot 208, der bald als GTI-Version auf den Markt kommen soll. Für osteuropäische Märkte wie Polen und Ungarn, aber auch für Russland und die Türkei ist ein Modell 301 vorgesehen, das als Stufenheck-Limousine dem Geschmack der dortigen Kundschaft besser angepasst zu sein scheint als die in Westeuropa üblichen Schrägheck-Kompakten. Als Antrieb soll ein Dreizylinder-Diesel dienen.
Erfolge sind dringend nötig, denn PSA hat im ersten Halbjahr 2012 mehr Verlust eingefahren, als im ganzen Vorjahr Gewinn erzielt wurde. Das erstaunt umso mehr, als der französische Staat, der die Mehrheit bei PSA hat, seinem Unternehmen schon mit massiven Hilfen unter die Arme griff. Die Rede ist von rund vier Milliarden Euro an Subventionen, von denen heute niemand mehr so recht zu wissen scheint, welche Zukunftsprojekte damit eigentlich angeschoben wurden. Immerhin steht auf der Messe noch ein Konzeptauto namens "2008", ein Schrumpf-SUV wie etwa der Opel Mokka (der jüngst in Moskau seine Premiere feierte). In weiter Realitätsferne steht dagegen die Studie Onyx. Der Supersportwagen mit dem gewagten Materialmix – auch gepresstes Altpapier kommt zum Einsatz – sieht zwar hinreißend aus, ist als Mittel gegen den Kundenschwund aber untauglich.
Ein Bulli aus der Zukunft
PSA steht seit jeher vor dem Dilemma, aus Kostengründen für seine Modelle möglichst viele Gleichteile verwenden zu müssen. Die Kunden aber wünschen sich eine größtmögliche Differenzierung der Marken, denn niemand will einen als Peugeot verkleideten Citroën oder umgekehrt. Wie sie sich Eigenständigkeit vorstellt, zeigt die "C-Marke" nebenan – mit der offenen Version des DS3.
Glaubt man den Verantwortlichen von Citroën, laufen die mittlerweile drei DS-Modelle (3,4 und 5) recht zufriedenstellend. Rund 250.000 sollen bereits einen Kunden gefunden haben. Dabei haben sich die Käufer zu einem großen Anteil als umweltbewusst und technikaffin zu erkennen gegeben. Fast ein Drittel der Verkäufe soll auf die Modelle mit Hybrid4-Antrieb entfallen. Das ist das Antriebskonzept, das einen Dieselmotor an der Vorderachse mit einem Elektromotor an der Hinterachse kombiniert.
Auf diese Antriebsvariante ist auch die Studie Tubik ausgelegt, von der man sich allerdings fragen muss, ob von ihr ein sinnvoller Beitrag zur Genesung des französischen Patienten zu erwarten ist. Die Form des 9-Sitzers erinnert entfernt an einen VW-Bulli der ersten Generation, dem jedoch die Seitenscheiben abhanden gekommen sind. Das Fahrzeug soll, so die Beschreibung, "Lounge-Atmosphäre" vermitteln und "Freude am Verreisen" neu definieren.
Auf Zukunftsvisionen der skurrilen Art wird am Stand von Renault ganz verzichtet. Ob die dort gestaltete Hügellandschaft eine symbolische Wirkung für die nötigen Anstrengungen entfalten soll, ist nicht bekannt. Tatsache ist aber, dass die üppig bemessene Präsentationsfläche zu den Pressetagen komplett mit dem neuen Clio zugeparkt war. Erst wenn ab Samstag die "echten" Kunden einfallen, sollen alle Modelle der Marke zu sehen sein – inklusive des Clio Grandtour, den Konzernchef Carlos Ghosn persönlich vorfahren ließ. Mehrfach nahm er in seinem Statement Bezug auf den Markenclaim "Drive the Change". Demnach stecke auch die Wende zu besseren Zeiten im Start des neuen Kleinwagen-Kombis, in dessen Design sich nicht nur das künftige Markengesicht, sondern auch die neue Identität der Marke manifestiere.
Quelle: ntv.de