Auto

Ein Nachruf auf Saab Bruchlandung eines Überfliegers

Saab 9-3 Cabrio

Saab 9-3 Cabrio

Nach der Ablehnung des Antrages auf Gläubigerschutz durch ein schwedisches Gericht steht der schwedische Autohersteller Saab vor dem endgültigen Aus. Doch die aktuelle Misere ist nicht dem seit rund 18 Monaten agieren Mehrheitseigentümer Spyker anzulasten. Das lange Sterben der Traditionsmarke begann schon viel früher.

Auch wenn die Zahl der produzierten Fahrzeuge im Vergleich zu anderen europäischen Marken stets bescheiden blieb, waren Saab-Erzeugnisse einst echte Überflieger. Die vier Buchstaben des Namens sind von Svenska Aeroplan Aktiebolaget abgeleitet, einem 1937 gegründeten Flugzeug- und Rüstungsbetrieb. Erst zehn Jahre später wurde mit dem Automobilbau begonnen. Der Saab 69 aus dem Jahr 1960 oder der Saab Sonett II (1966) sind heute von Liebhabern gehütete Kostbarkeiten.

Gediegen und eigenwillig, nie ohne stylistische und technische Verweise auf die aeronautische Herkunft des Unternehmens, steuerten die Fahrzeuge zielstrebig in eine Nische mit Kultstatus. Zu den konsequent gepflegten Marotten gehörte beispielsweise die Platzierung des Zündschlosses in der Mittelkonsole zwischen den Sitzen. Eine andere Reminiszenz an den Flugzeugbau war die so genannte Night-Panel-Taste. Mit ihr ließen sich auf einen Schlag sämtliche Displays verdunkeln. Als böses Omen, dass für die im südschwedischen Trollhättan montierten Karossen bald das Licht ausgehen könnte, hat das wohl niemand gesehen.

Untersatz für Intellektuelle

Als bevorzugtes Beförderungsmittel intellektueller Sonderlinge, als Architekten-Kutsche und  Mobilitätshilfe für Studienräte wuchs den skandinavischen Limousinen und Cabriolets eine besondere Aura zu. Obwohl sie bis auf die Einführung des Seitenaufprallschutzes kaum durch bahnbrechende Innovationen auffielen, galt es unter Freiberuflern und in Kreisen mit individuellem Habitus als schick, ein Auto der Marke zu fahren. Die von dem Designer Sixten Sason geprägte Saab-Optik trug ihren Teil zu diesem Image bei.

Die Fahrzeuge galten zwar als qualitativ vorzeigbar, solide und sicher, doch gelang es Saab nie, eine international so bedeutende Größe zu erlangen, dass der Verkauf der Autos die für Neuentwicklungen nötigen Erlöse eingespielt hätte. Die Flugzeugfirma als Mutterkonzern konnte nicht helfen, denn die marktbeherrschende Stellung von Boeing und Airbus hatte auch auf deren Sektor zu empfindlichen Verlusten geführt. Der Anfang vom Ende der Autosparte lässt sich ziemlich genau auf das Jahr 1989 datieren, denn da ging Saab nach gescheiterten Kooperationsplänen mit Ford eine Partnerschaft mit General Motors ein.

Der Anfang vom Ende kam mit GM

Die Markensammler aus der Konzernzentrale in Detroit kaufen damals zusammen, was ging. Die Idee, eine Fahrzeugplattform für verschiedene Marken zu nutzen, schien eine Kosten sparende und deshalb einträgliche Produktionsstrategie. Dass die Eigenständigkeit und die Identität der Marke Saab dadurch beschädigt werden könnten, dämmerte den neuen Eigentümern erst, als sie selbst in Schwierigkeiten gerieten. Modellstrategische Irrfahrten waren Folge der Ära unter US-Herrschaft. Die Mittelklasseautos, die nicht nur einander sehr ähnlich, sondern auch noch technisch eng verwandt mit Produkten von Opel und Cadillac waren, überzeugten bald nur noch die hart gesottenen Fans des schwedischen Unikums.

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(Foto: dapd)

Eine strategische Neuausrichtung der Marke blieb ebenso aus wie die beherzte Investitionen in Modellpalette und Produktionsstandort. Im Februar 2009 kündigte General Motors, inzwischen von ernsten Schwierigkeiten nicht nur im eigenen Land gebeutelt, an, die finanzielle Unterstützung für Saab zurückzufahren. Noch im selben Monat wurde zum ersten Mal nach schwedischem Recht Gläubigerschutz beantragt – und gewährt. Die Produktion stand einen Tag still, weil das Unternehmen die Zollgebühren für Materiallieferungen aus dem Ausland nicht mehr bezahlen konnte.

Im Jahr zuvor hatte Saab noch 93.295 Fahrzeuge verkauft, das ist etwa die Größenordnung, wie sie auch Porsche zur damaligen Zeit produzierte. 2010 jedoch war das Saab-Volumen auf kaum mehr als ein Drittel dieser Zahl zusammen geschmolzen. In Deutschland registrierte das Kraftfahrtbundesamt vergangenes Jahr noch 788 Neuzulassungen. Volvo, die zweite schwedische Marke brachte es auf 32 mal mehr Anmeldungen. Das mit dem Luxussportwagen-Hersteller Koenigsegg entworfene Rettungs-Szenario einer rein schwedischen Lösung zerplatzte schon 2009. Und obwohl weltweit das Segment der kompakten und mittelgroßen SUV seit Jahren boomt, erzeugte auch die Saab-Antwort darauf – das Modell 9-4X – keinen neuen Hoffnungsschimmer mehr.

Die Übernahme durch die holländische Firma Spyker  - pikanter Weise auch ein Unternehmen mit Flugzeugtradition – im Februar 2010 entpuppte sich schließlich nur noch als kosmetische Operation. Die Bruchladung scheint unausweichlich. "Saab hat keine Chance zu überleben", sagt zum Beispiel Willi Dietz, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Wirtschaftshochschule Nürtingen-Geislingen. Das Unternehmen selbst beziffert die jetzigen kurzfristigen Schulden auf umgerechnet 769 Millionen Euro.

Chance für Schnäppchenjäger

Große Sorgen treiben nicht nur die Mitarbeiter in Trollhättan um, auch die Besitzer der zuletzt produzierten Saabs blicken mit Bangen in die Zukunft. Werden technischer Service und Ersatzteilversorgung gesichert sein? Unter Hinweis auf die Firmenkonstruktion versicherte Saab-Sprecher Dick Braakhekke jetzt, die Teile würden in jedem Fall weiterhin über das eigenständige Unternehmen Saab Parts verfügbar sein. Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen sieht darüber hinaus unmittelbare Auswirkungen auf den Gebrauchtwagenmarkt: Die Preise für Saab-Modelle aus zweiter Hand drohen "in den Keller zu gehen", sagte er.  

Quelle: ntv.de

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