Crossover mit Pölsterchen Citroën Cactus sticht ins Auge
07.11.2014, 13:47 Uhr
Mit ungewöhnlichen Design-Ideen will Citroen die Konkurrenz pieksen.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Wer dem Kaktus zu nahe kommt, kann damit rechnen, dass der sich wehrt. Der Cactus von Citroën steckt eher ein, neuartigen "Airbumps" sei Dank. Was den originellen Neuling noch von anderen Kompakten unterscheidet, steht im n-tv.de-Praxistest.
Schon wieder Crossover? Mutmaßlich ja, aber Citroën hat der Idee jetzt eine originelle Variante hinzugefügt. Der Aufwand ist gering, der Effekt enorm: Keine Angst mehr vor Rempeleien in engen Parklücken versprechen die Seitenpolster. Und wenn der aus Polyurethan bestehende Außenairbag mal dahin sein sollte, kostet er auf jeden Fall deutlich weniger als eine Neulackierung für die Tür. Dieser Vorteil mag darüber hinweg trösten, dass die Kunststoff-Oberfläche bei Regen oder nach der Wäsche die Feuchtigkeit lange hält und deshalb zeitweise etwas wolkig aussieht. Markant und robust lassen den Cactus aber nicht nur die Pölsterchen an den Seiten erscheinen, sondern auch die abgedunkelten Schweller und Radläufe sowie die an Zwergen-Skier erinnernden Metall-Leisten der Dachreling. Wenn dann, wie beim Testwagen, noch rote Spiegel-Gehäuse dazu kommen, ist für Aufmerksamkeit im Großstadt-Dschungel gesorgt.
So viel absonderliche Optik kann leicht davon ablenken, dass der seit September in Deutschland erhältliche "C4 Cactus" mit dem Citroën C4 tatsächlich gar nicht so viel gemein hat. Dieser Personenwagen baut nämlich auf der Konzernintern PF1 genannten Plattform auf und ist deshalb genau genommen ein C3. Aber Namen sind ja bekanntlich sowieso …
Prinzip des Weglassens
Zwei Benziner und zwei Dieselvarianten stehen den Kunden zur Auswahl. Bei diesem Test kam ein Dreizylinder-Ottomotor zum Einsatz, dessen mittlere Ausbaustufe 82 PS leistet. Die beiden anderen leisten 75 und 110 PS, beim vierzylindrigen 1,6-Liter-Diesel kann man immerhin auf 100 PS vertrauen. Der kostet jedoch – in der identischen Shine-Ausstattung – gleich mal 3850 Euro mehr. Entwicklungsziel, das kann man beim Hersteller nachlesen, war aber nicht Tempo und Spurtstärke, sondern Gewichtsersparnis und Vielseitigkeit.
Ein Blick ins Datenblatt bestätigt, dass die Pfunde ganz schön gepurzelt sind. Zwischen 1040 und 1142 Kilo seien, je nach Ausstattung, zu veranschlagen. Intelligentes Weglassen war also die Devise. Als Ausflug in die Kleinwagenwelt ist wohl die Verwendung von Trommelbremsen an der Hinterachse anzusehen, aber wo es weniger Masse zu verzögern gibt, da greifen Hersteller gern mal zu der historisch anmutenden Technik. Da das Panorama-Dach mit 490 Euro vergleichsweise preiswert ist, werden es vielleicht viele Kunden ordern. Sie müssen sich aber auf den Verzicht eines Rollos einstellen, dass hätte nur wieder mehr Gewicht bedeutet. Auch die Zugschlaufen an den Innenfuttern der Türen sind leichter als herkömmliche Griffe, mehrteilig umklappbare Rückbänke wiegen mehr, als wenn nur ein Rückenpolster bewegt werden muss.
Das Prinzip des Weglassens bestimmt ebenso das Cockpit, an vielen Stellen ist es fast minimalistisch. Handschmeichler sind die kargen Hartplastik-Oberflächen nicht gerade, aber wenn man einen kompakten Fünftürer mit einem durchaus ordentlichen Platzangebot für unter 14.000 Euro auf den Markt bringen will, geht das wohl nicht anders. Zu den Überraschungen, mit denen Fondpassagiere rechnen müssen, gehören die hinteren Ausstellscheiben – so geht eine etwaige Versenkmechanik nicht in die Gewichtsbilanz mit ein.
Bedienung der Sitzheizung unpraktisch
Statt eine Konsole mit Schaltern und Knöpfen voll zu packen, werden viele Funktionen, wie etwa die der Klimatisierung, in das Bedienfeld des Touchscreen verlagert. Sieben Zoll ist der Monitor groß, der natürlich das Bild der Rückfahrkamera wiedergibt, wenn man ein Shine-Modell bestellt, wo sie inklusive ist. Leider wurde die gute Idee nicht konsequent bis zu Ende gedacht, denn auch die Bedienung der Sitzheizung wäre über den Monitor denkbar gewesen. Nun ist aber das Drehrad für die Erwärmung an der Seite der Sitzfläche angebracht. Dort ist es nicht nur schlecht einsehbar, sondern auch noch so gut wie unmöglich, vom Fahrersitz aus die Heizfunktion des Beifahrersitzes zu bestätigen.
Das ist deshalb unpraktisch, weil die Heizung keine automatische Nullstellung beim Ausschalten der Zündung hat. Bei jedem Motor-Neustart wird weiter geheizt, egal ob auf dem Beifahrerplatz jemand sitzt oder nicht. Die Kontrollleuchte, die Aufschluss über "on" oder "off" gibt, ist aber im Drehregler untergebracht, also vom Fahrer auch nicht zu sehen. Und was die Elektro-Verbraucher an Bord für den Kraftstoffbedarf des Wagens bedeuten, weiß heute jeder Autofahrer. Die Sitze, im Falle des Testwagens mit einer Stoff-Leder-Kombination gepolstert, sind bequem, auch wenn es ihnen etwas an Seitenführung mangelt.
Fast 360 Liter Kofferraumvolumen sind absolut Kompaktklasse-tauglich. Auch die nahezu 1200 Liter, die nach Entriegelung der einteilig unklappbaren Rückbank entstehen, können sich sehen lassen. Eine ebene Ladefläche kommt dabei leider nicht heraus. Zudem befindet sie sich 22 Zentimeter tiefer als die 78 Zentimeter hohe Ladekante. In der Shine-Edition bringt der Cactus ab Werk Metallic-Lack, 17-Zoll-Leichtmetallfelgen, beheizbare Außenspiegel, Klimaautomatik, Navigationssystem und Nebelscheinwerfer mit.
Fünf Gänge müssen reichen
Nicht ohne Temperament, aber zuverlässig frei von aufgesetzter Sportlichkeit geht der Dreizylinder zu Werke. Die digitale Multifunktionsanzeige hinter dem leicht oval geformten Lenkrad gibt unübersehbare Hinweise, wann der geeignete Zeitpunkt zum Griff in das manuelle Fünfgang-Getriebe ist. Wer sich gern seinen eigenen Reim darauf macht, wann die Rotation der Kurbelwelle Anlass zum Rauf- oder Runterschalten gibt, wird hier allerdings nicht fündig: Einen Drehzahlmesser gibt es nämlich nicht. Folglich sind auch keine Informationen darüber erhältlich, ob ein sechster Gang das Geräuschniveau bei Autobahntempo spürbar senken würde – von etwaigen Hinweisen an die betreuende Werkstatt (z.B. "bei 2500 Umdrehungen höre ich immer so ein seltsames Schmirgeln") ganz zu schweigen.
Wenngleich es keine Probleme bereitet, den gewünschten Gang zu treffen, fühlt sich das Rühren in der Schaltkulisse etwas wabbelig und unpräzise an. Auf Betriebstemperatur arbeitet der Dreizylinder unauffällig und kommod, wirft auch genügend Leistung aus, um die versprochene Höchstgeschwindigkeit von 171 km/h (Tacho 185 km/h) zu erreichen. Zu den unschönen Tatsachen zählt, dass diese Motor-Getriebe-Kombination nicht mit Start-Stopp-Automatik erhältlich ist. Dass trotz strikt befolgter Schaltempfehlung der offizielle Verbrauchswert um nahezu zwei Liter überschritten wurde, nimmt da nicht mehr wunder.
Fazit: Individualität gewinnt als Ausstattungsmerkmal bei Autokäufern immer größere Bedeutung. Mit Kontrastfarben, Anbauteilen und vielen Assistenz-Systemen, versuchen die Hersteller dem Rechnung zu tragen. Der Mut, ein Modell herauszubringen, das ab Werk sehr individuell und eigenwillig ist, verdient Respekt. Citroën hat mit dem Cactus einen unverwechselbaren Hingucker geschaffen, der hinreichend praktisch und komfortabel ist, allerdings auch nicht ohne vermeidbare Schwächen.
DATENBLATT | Citroën Cactus VTi 82 |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 4,16 / 1,73 / 1,50 m |
Leergewicht (DIN) | 1142 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 358 / 1170 Liter |
Ladekante | 78 cm |
Motor | Reihen-Dreizylinder mit 1199 ccm Hubraum und Turboaufladung |
Getriebe | 5-Gang manuell |
Leistung | 60 kW/82 PS bei 5750 U/min |
Kraftstoffart | Benzin |
Antrieb | Vorderradantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 171 km/h |
max. Drehmoment | 118 Nm bei 2750 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 12,9 Sekunden |
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert) | 5,6 / 4,0 / 4,6 l |
Testverbrauch | 6,5 l |
Tankinhalt | 50 Liter |
CO2-Emissionen (Normverbrauch) | 107 g/km |
Effizienzklasse | B / EU6 |
Grundpreis | 19.040,00 Euro |
Preis des Testwagens | 20.120,00 Euro |
Quelle: ntv.de