Auto

Ein Alien mit Scherentüren Der BMW i8 kann sich hören lassen

Einer wie keiner: E-Motor und Dreizylinder sorgen für einen Sonderstatus.

Einer wie keiner: E-Motor und Dreizylinder sorgen für einen Sonderstatus.

(Foto: Axel F. Busse)

Nichts weniger als eine Revolution im Automobilbau verspricht BMW für sein neuestes Produkt. Nach den ersten Testkilometern in dem Serienfahrzeug des i8 drängt sich der Eindruck auf, dass dieses Versprechen eingelöst werden kann.

Der i8 lässt die Designer von BMW träumen.

Der i8 lässt die Designer von BMW träumen.

(Foto: BMW)

Kann ein Auto mit 1,5-Liter-Dreizylinder 250 km/h fahren? Kann ein Pkw mit einem 200 Kilo schweren Elektroantrieb leicht wie ein konventioneller Sportwagen sein? Kann ein 360-PS-Bolide weniger als drei Liter Sprit je 100 Kilometer Strecke verbrauchen? Die automobile Erfahrung beantwortet diese Fragen zwangsläufig mit "nein". Aus einem "vielleicht" ein klares "ja" zu machen, war die Aufgabe des 2009 von BMW auf der Frankfurter IAA vorgestellten Concept-Cars "Vision Efficient Dynamics" Heute steht der Wagen nur wenig verändert als i8 auf der Straße und wird im Juni auch zu den deutschen Kunden kommen - für 126.000 Euro.

Fast zwangsläufig, mindestens aber naheliegend ist, dass BMW seinen ökologisch korrekten Sportstar dort Probefahren lässt, wo Hybride und Elektroautos derzeit den größten Zuspruch erfahren: im sonnenreichen Kalifornien. Rund 3000 abgasarme und -freie Pkw gehen dort jeden Monat neu in den Verkehr. Auch wenn die Bayern mit Prognosen noch äußerst zurückhaltend sind, gehen sie davon aus, dass etwa ein Viertel der i8-Kunden aus den USA kommen wird. Die Produktion in Leipzig, so heißt es, sei jedenfalls so flexibel geplant, dass die Nachfrage in beliebiger Größenordnung tatsächlich bedient werden könne.

Es geht auch ohne Captain Kirk

Die Schale des i8 sucht den Kompromiss zwischen den traditionellen Signalen des sportlichen Anspruchs und der futuristischen Attitüde. Flach und gestreckt, geduckt und angriffslustig ist die Form, doch der genauere Blick irritiert zunächst. Lufteinlassgitter an der Frontniere fehlen, auch das Reifenformat ist nicht so breitbeinig, wie man es von einem Sportwagen dieses Kalibers erwarten würde. Für Chefdesigner Adrian van Hooydonk ist die nahezu originalgetreue Realisierung des Concept-Cars "etwas, wovon Designer träumen". Freistehend umströmte Spoilerskulpturen an den Schultern lassen Zweifel aufkommen, ob das Gefährt überhaupt von diesem Planeten stammt. Den Status eines Aliens untermauert der Blick ins Innere. Wären da nicht die an bekannte BMW-Modelle erinnernden Tasten und Hebel, würde man wohl Captain Kirk zu Hilfe rufen, um den Scherentürer in Bewegung zu setzen.

Nur 1,5 Liter Hubraum, aber ordentlich Schmalz: der Dreizylinder im Heck.

Nur 1,5 Liter Hubraum, aber ordentlich Schmalz: der Dreizylinder im Heck.

(Foto: Axel F. Busse)

Mit dem i8 werden "traditionelle Sportwagenkonzepte in Frage gestellt", meint BMW-Entwicklungschef Dr. Herbert Diess. Es handele sich um das "wahrscheinlich revolutionärste Auto, das BMW je entwickelt und gefertigt hat". Dem mit einem Elektroantrieb an der Vorderachse und einem konventionellen Verbrenner an der Hinterachse ausgestatteten Hybrid-Sportler traut Diess zu, dass er "die Diskussion um die Zukunft des Sportwagens verändern" werde.

Außer dem futuristischen Äußeren, dem alternativen Antriebskonzept und der nachhaltigen Bauweise durch Verwendung von recycelten Materialien gibt es auch Vertrautes und Traditionelles. Die Achslastverteilung von 47:53 Prozent bedingt den heckbetonten Fahrcharakter, wie er an Sportwagen nun mal geschätzt wird. Die Leichtbauweise mit einem Endgewicht von 1485 Kilogramm und ein äußerst niedriger Schwerpunkt von unter 46 Zentimetern sind Voraussetzungen für die Agilität, die von einem auf Dynamik ausgelegten Coupé erwartet werden darf. Ein Spurtvermögen von 3,8 Sekunden von 80 bis 120 km/h ist Messgröße für das, was Vorstand Diess eine "neue Formel für Freude am Fahren" nennt.

Zehnfach höhere Rechenleistung

Gemessen an normalen Produktionszyklen wurde der i8 in schier atemberaubendem Tempo auf die Räder gestellt. Nur rund 38 Monate blieben dem Team um Projektleiter Dr. Carsten Breitfeld, die mittig angeordnete Lithium-Ionen-Batterie, den 60-kW-Elektromotor an der Vorderachse, den turbobefeuerten Dreizylinder und die innovative Carbon-Zelle der Passagiere zu einem stimmigen Gesamtfahrzeug zu integrieren. Dass die einzelnen Bordsysteme nur durch immensen Rechenaufwand zufriedenstellend harmonieren, ist leicht nachvollziehbar. Die angewandte Steuerleistung ist nach Aussagen des Experten etwa um ein Zehnfaches höher, als bei einem konventionell angetriebenen Automobil dieser Klasse.

Der i8 kommt auf leisen Sohlen, um dann einen überzeugenden Sportler-Sound zu entwickeln.

Der i8 kommt auf leisen Sohlen, um dann einen überzeugenden Sportler-Sound zu entwickeln.

Hat man sich über die extrem breiten Schweller gehievt , die ein Indikator dafür sein könnten, dass BMW auch eine offene Variante des i8 plant, und sind die nach oben öffnenden Scherentüren heruntergezogen, beginnt das Abenteuer. Und es kommt auf leisen Sohlen. Von zartem Pfeifen untermalt, rollt der i8 los, der Elektromotor schiebt mit 250 Newtonmetern ab der ersten Umdrehung an. BMW hat dem E-Motor ein Zweigang-Getriebe spendiert, damit vom Anfahren bis zur elektrischen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h gleichmäßiger Zug sichergestellt werden kann. Hat der Fahrer keinen anderen Modus vorgewählt, schaltet sich der 231 PS starke Verbrenner bei 65 km/h automatisch zu. Seine Kraft verarbeitet eine Sechsgangautomatik. Der Wechsel zwischen elektrischem und kombiniertem Modus erfolgt fast unmerklich, lediglich bei starker Lastanforderung gibt der Dreizylinder eine akustische Visitenkarte ab.

Sie gehört zu den erstaunlichsten Erscheinungen des i8-Fahrens. Es gibt Motorräder mit mehr Hubraum als der i8, dennoch ist durch ein aktives Sound-Design, durch den Einsatz von Resonanzkörpern und durch die gezielte Verstärkung bestimmter Schallfrequenzen der Sound des Sportwagens so echt und überzeugend, dass man auf die Idee kommen könnte, hier arbeite ein herkömmlicher V6 seinen Frust aus der letzten verkehrsberuhigten Zone ab. Wird noch mehr Schub verlangt, kommt der E-Motor wieder ins Spiel, der ausschließlich auf die Vorderachse wirkt und den i8 zum Allrad-Fahrzeug macht. Lediglich der Moment des Einregelns der Elektrokraft war bei diesen Testfahrten als ein Hauch von Zugverzögerung zu bemerken, während dem kernigen Brummen des Dreizylinders summende Obertöne aus der Elektro-Werkstatt beigemischt wurden.

Das Sportlerherz hüpft

Um den Rollwiderstand zu mindern und damit den Verbrauch weiter zu reduzieren, läuft der i8 auf vergleichsweise schmalen Reifen. Standardmäßig sind vorne 195er und hinten 215er Pneus montiert. Durch 20-Zoll-Felgen ist die Aufstandfläche dennoch relativ groß. Wer sich aufmacht, entlang kurviger Bergstraßen das Dynamikpotenzial des Wagens auszureizen, kann durch aufkommendes Reifenquietschen das Nahen der Haftungsgrenze erspüren. Gleichzeitig folgt der Wagen aber willig und präzise den Lenkbefehlen, bleibt ausbalanciert und spurtreu, windet sich durch enge Kehren, ohne nervös oder eigenwillig zu wirken. Das Sportlerherz hüpft vor Begeisterung, der kühle Rechner wird besänftigt durch einen Verbrauch von unter acht Litern je 100 Kilometer, denn er weiß, mit einem konventionell angetriebenen V6- oder Turbo-Sportwagen wäre es bei dieser Fahrweise mindestens das Doppelte.

Wenn im Juni dieses Jahres die Auslieferungen in Deutschland beginnen, können sich die Kunden noch auf weitere innovative Erlebnisse freuen. Bei Nachfahrt erstrahlt das erstmals in einem Serienfahrzeug eingesetzte Laserlicht, das dank seiner dem Tageslicht ähnlichen Farbtemperatur die Augenermüdung bei Fahrzeuglenker deutlich reduzieren soll. Außerdem spart es gegenüber Xenon- und LED-Licht erheblich Energie. Nach Ende der Fahrt rollt der Besitzer einfach das Ladekabel aus, denn der i8 ist ein Plug-In-Hybrid, der sich seine Speicherkapazität von 7,1 kWh aus der Steckdose wiederholt. Für 80 Prozent Ladung seien weniger als zwei Stunden am Netz nötig, verspricht BMW. Und wird die technische mögliche Strom-Reichweite von 37 Kilometern einmal nicht erreicht, kann man sich wieder auf den urigen Sound des Dreizylinders freuen.

Quelle: ntv.de

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