Erste Testkilometer mit dem Doblò Fiats neue Raumfähre
27.02.2010, 13:49 Uhr
Die ausgestellten Radhäuser geben dem knapp 4,40 Meter langen Fahrzeug ein wuchtiges Aussehen.
(Foto: Fiat)
Der Doblò soll gleichermaßen Familien und Gewerbe ansprechen. Dazu braucht es vor allem viel Nutzwert, den beide Gruppen gut gebrauchen können. Davon bietet der Neue von Fiat reichlich. Und nicht nur das.
Mit einem Anwärter auf einen Schönheitspreis schmückt sich jede Automarke gern. Bei Fiat gehörte das Modell Dino mal in diese Kategorie. Aber der italienische Hersteller hat schon häufiger bewiesen, dass er vor ästhetisch provokanten Produkten wie etwa dem ersten Multipla nicht zurückschreckt. Auch der neue Doblò ist nicht gerade Schönling zu nennen und wird darum einiges wegstecken müssen – vor allem Fracht.
Der Wagen soll in erster Linie praktisch sein, und das vor allem für zwei Personengruppen. Auf der einen Seite stehen Familien mit ansehnlicher Kinderzahl und daraus resultierendem Platzbedarf, auf der anderen Gewerbler, Handwerker oder Dienstleister, die Ware, Werkzeug oder Ersatzteile transportieren müssen. Der Doblò ist als Nutzfahrzeug ebenso einzusetzen wie als Freizeitmobil, weshalb die Cargo-Karosserievariante nicht unwesentlich zum Gesamtverkauf beiträgt. Gut 3000 reine Pkw-Zulassungen wurden vergangenes Jahr beim Kraftfahrtbundesamt registriert.
Wenn an diesem Wochenende der offizielle Marktstart des neuen Doblò in Deutschland erfolgt, sind aus Fiat-Sicht zwei Dinge wichtig: Das zu 97 Prozent Neuteilen zusammen gesetzte Auto bekam einen größeren Radstand (2,75 Meter), um zwischen den Achsen noch mehr Platz für Passagiere oder Gepäck zu schaffen. Wer sich für die Cargo-Version entscheidet, hat die Wahl zwischen 2,58 und 2,96 Meter Radstand und kann im günstigsten Fall 4,6 Kubikmeter Ladung verstauen. Der Kastenwagen zielt direkt auf den Konkurrenten Volkswagen Caddy Maxi, der mit 4,2 Kubikmeter Transportvolumen knapp unter diesem Wert liegt.
Erdgasantrieb zur Jahresmitte
Als zweite Neuerung sind jetzt serienmäßig eine Schaltpunktanzeige und ein Start-Stopp-System an Bord, die im Falle häufiger Kurzstreckeneinsätze helfen sollen, den Verbrauch zu mindern. Obendrein gibt es für die Nutzer des optionalen Multimedia-Systems mit Tom-Tom-Navigation noch eine kostenlose Fahranalyse-Software, die zum Beispiel Beschleunigungs- und Bremsverhalten auswertet und Tipps zu verbrauchsoptimiertem Fahrstil geben kann.
In der Family-Version ist der Doblò mit sieben Sitzen bestückt und kostet mindestens 16.400 Euro
(Foto: Fiat)
Wer ohne elektronische Hilfe umweltbewusster unterwegs sein will, bekommt ab Mitte des Jahres noch die Möglichkeit, auf einen Motor auszuweichen, der außer Benzin auch Erdgas verbrennen kann. Damit sind die Umweltanstrengungen der Firma jedoch vorerst erschöpft. Obwohl für Handel und Gewerbe die Einsatzpriorität des Doblò mutmaßlich im Kurzstreckenverkehr liegt, ist ein Elektroantrieb nicht vorgesehen. Wie Fiat-Vorstand Manfred Kantner anlässlich der Präsentation wissen ließ, sei es "derzeit weder unter technischen, noch unter ökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll, diesen sehr kleinen Markt zu bedienen".
So stehen also drei Turbodiesel und ein 1,4 Liter großer Benziner für den Antrieb zur Auswahl. Letzterer leistet 95 PS, das sind fünf mehr als der 1,3-Liter-Einstiegsdiesel abgibt. Es ist damit zu rechnen, dass die Mehrzahl der Kunden einer fünf- oder siebensitzige Familien-Limousine sich zwischen dem 1,6- und dem Zwei-Liter-Diesel entscheiden werden. Auf dem Datenblatt nimmt sich das Zweiliter-Aggregat mit 135 PS (zu 105) und 320 Newtonmeter Drehmoment (zu 290) deutlich kraftvoller aus. Beide Maschinen erfüllen die Euro-5-Norm und werden mit einem manuellen Sechsganggetriebe geliefert. Erst Ende des Jahres ist die Einführung eines Automatikgetriebes vorgesehen.
Mittlerer Diesel als Vernunftmotor
Durch reichlich Platz für Familie und Gepäck empfiehlt sich der Doblò als Ferien- und Freizeitmobil.
(Foto: Fiat)
Die zahlenmäßige Überlegenheit des größeren Motors wird jedoch vom ersten Fahreindruck nicht untermauert. Auf urbanem Terrain und auf kurzen Autobahnpassagen fiel der leistungsstärkere Doblò nicht durch so viel mehr Temperament auf, als dass ein um 1.200 Euro höherer Anschaffungspreis und ein um etwa einen halben Liter höherer Durchschnittsverbrauch gerechtfertigt erschiene (5,7 zu 5,2 Liter nach EU-Norm). Das Fahrzeug wiegt je nach Ausstattung und Bestuhlung zwischen 1450 und 1600 Kilogramm, welche auch von dem 105-PS-Motor ausreichend in Schwung gebracht werden. Weder seiner Erscheinung, noch seiner Konzeption nach ist der Doblò ein Dynamiker, weshalb die Insassen mit der um 15 km/h geringeren Höchstgeschwindigkeit (164 km/h statt 179) gut werden leben können. Sie können außerdem darauf verweisen, dass sie mit jedem Kilometer 12 Gramm weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre entlassen als das Schwestermodell mit Zweilitermotor. Mit einem rauhen, diesel-typischen Klangbild muss man sich bei beiden Motoren abfinden.
Dank einer erhöhten Sitzposition und großer Fensterflächen hat der Fahrer das Verkehrsgeschehen immer gut um Blick. Das hohe Dach und die senkrechten Seitenwände vermitteln ein üppiges Raumgefühl. Die Breite von fast 1,80 Metern hat aber auch den Nebeneffekt, dass diejenigen, die eine entspannte Sitzhaltung durch Abstützen des Ellenbogens auf der Türverkleidung suchen, die Auflagefläche erst in ungewohnter Entfernung finden. Insgesamt kommt der Innenraum freundlich und wohnlich rüber, die Oberflächen sind angenehm geschmeidig, obwohl der Hersteller aus Kostengründen natürlich nicht auf großflächigen Einsatz von Kunststoffen verzichten kann. Farblich abgesetzte Verkleidungen, eine Fülle von Ablagen und Staufächern kommt dem familiengerechten Anspruch entgegen. Schiebetüren auf beiden Seiten erlauben bequemen Ein- und Ausstieg der Insassen, auch wenn die Parklücke einmal ein wenig schmal geraten ist.
Sonderfall Einzelradaufhängung
790 Liter Mindestkofferraum sind ein enormer Wert für einen Pkw, beim Doblò ist er bis auf 3200 Liter erweiterbar, wenn man die variable Bestuhlung hinter den Vordersitzen komplett umlegt. Maximal 610 Kilo Zuladung (7-Sitzer) lassen auch für außergewöhnliche Transportbedürfnisse Raum. Zugang zum Gepäckraum gibt standardmäßig eine nach oben schwingende Heckklappe, auf Wunsch sind auch mittig geteilte Flügeltüren zu haben, für die lediglich ein Aufpreis von 100 Euro berechnet wird. Parksensoren hinten sind in der Family-Ausstattung serienmäßig, für die anderen Modelle kosten sie 300 Euro extra.
Dass die bloße Anzahl von Airbags kein allgemeiner Indikator für das Sicherheitsniveau mehr ist, beweist Fiat mit einer Neuentwicklung. Die Doppel-Seitenairbags kombinieren die Funktionsweisen der herkömmlichen Kopf- und Seitenairbags, so dass der Insassenschutz mit insgesamt vier Prallsäcken dem entspricht, was sonst sechs Systeme leisten. Außer der serienmäßigen Start-Stopp-Einrichtung, bei der das Kupplungspedal nach dem Ampelstopp die Funktion eines Anlassknopfes übernimmt, sind alle Modelle mit Zentralverriegelung, Klimaanlage, Radio-CD-Kombination sowie elektrisch verstell- und beheizbaren Außenspiegeln versehen.Dass sich auch die Nutzer der Doblò-Lieferwagen über einen Fahrkomfort werden freuen können, der für Langstrecken tauglich ist, liegt an der neu und aufwändig konstruierten Hinterachse. Die Einzelradaufhängung ist ein Sonderfall in diesem Segment und sie sorgt dafür, dass Unebenheiten weggebügelt werden, damit die Insassen von frostgeschädigten Schlagloch-Fahrbahnen kaum etwas mitbekommen. Serienmäßig ist ein ESP-System in allen Motor- und Ausstattungsvarianten vorhanden. Es verfügt zusätzlich über eine Hill-Holder-Funktion, die das Anfahren am Berg erleichtert.
Mit einem Startpreis von 15.450 Euro kann der Doblò zweifellos für sich in Anspruch nehmen, viel Auto fürs Geld zu bieten. Die umfangreichste Ausstattungslinie "Emotion" kombiniert mit dem Zweiliter-Dieselmotor schlägt mit 22.350 Euro zu Buche.
Quelle: ntv.de