"Gelber Engel" oder Beelzebub Mauschelt ADAC bei Wahl zum Lieblingsauto?
16.01.2014, 11:20 Uhr
Die Hersteller nehmen den Preis alljährlich mit großer Begeisterung entgegen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Alljährlich vergibt der ADAC den Preis des "Gelben Engels" für die beliebtesten Autos der Deutschen. Die Verleihung ist auch ein Jubelfest für die Hersteller, denn Volkes Stimme hat sie gewählt. Doch die sollen gar nicht so zahlreich sein wie vermutet. Der ADAC soll gemauschelt haben. Aber warum?
Der ADAC ist mit 19 Millionen Mitgliedern der größte Automobilclub Deutschlands. Allein im vergangenen Jahr mussten die "Gelben Engel" vier Millionen Mal ausrücken, um leere Batterien aufzuladen oder kaputte Reifen zu wechseln. Aber nicht nur, dass der Club für Millionen der Helfer in der Not ist. Aufgrund seiner Mitgliederzahlen hat sein Wort auch Gewicht in der Politik. Eben dann, wenn es um Tempolimits, Benzinpreise oder einen neuen Bußgeldkatalog geht. Der ADAC ist also neben dem Helfer auch das Sprachrohr der Autofahrer.
Und wer als Sprachrohr der Mobilisten fungiert, der muss auch wissen, wie sie ticken. Insofern beschränkt sich der Einsatz nicht nur auf die aktive Hilfe, sondern umfasst auch Ratschläge und Tipps rund um den Fahrzeugkauf und Verkauf. In diese Richtung geht natürlich auch die Wahl des "Lieblingsautos der Deutschen", die alljährlich mit dem "Gelben Engel" gekürt werden, so auch an diesem Donnerstag. Doch jetzt sind unfassbare Vorwürfe laut geworden: Der ADAC habe die Zahlen zur Wahl des beliebtesten Fahrzeuges manipuliert, bei der die Leser des hauseigenen Magazins "Motorwelt" abstimmen konnten.
Aber warum sollte der Club manipulieren? Die "Süddeutsche Zeitung" zitierte am Dienstag aus einem wenige Wochen alten ADAC-Papier, nach dem das aktuelle Siegerauto, der VW Golf, 34.299 Stimmen auf sich vereinen konnte. Nach "SZ"-Recherchen soll das neue Lieblingsauto aber nur 3409 Stimmen bekommen haben. Auch im Vorjahr soll es laut "Süddeutscher Zeitung" zu Ungereimtheiten gekommen sein. Dem "SZ"-Bericht zufolge sprach der ADAC im Jahr 2012 von 290.000 Teilnehmern der Abstimmung, tatsächlich seien aber nur 76.000 gültige Stimmen gezählt worden.
Zahlen vervielfacht
Die mutmaßliche Manipulation bestünde also darin, dass die Zahlen vervielfacht wurden. Diesbezüglich räumt der ADAC ein, dass es in den vergangen Jahren "einige Ungereimtheiten" gegeben habe. Diese seien nach Aussagen der ADAC-Sprecherin Marion-Maxi Hartung jetzt aber beseitigt worden. "Bislang gab es bei der Wahl zum 'Lieblingsauto' kein verbindliches Regelwerk, was nach Veröffentlichung der Ergebnisse gelegentlich zu Nachfragen von einzelnen Herstellern geführt hat", teilte die ADAC-Sprecherin mit. "So wurden beispielsweise im Jahr 2013 in der Kategorie 'Lieblingsauto' überproportional viele ungültige Stimmen abgegeben und entsprechend aus der Wertung genommen."
Aber selbst wenn sich die Anzahl der Stimmen verringert hat, heißt das noch lange nicht, dass das Ergebnis manipuliert wurde. Statistiker werden an dieser Stelle grinsen, denn sie wissen, dass bereits relativ kleine Mengen ausreichen, um einen validen Wert bei einer Messung zu erhalten. Eine kleinere Zahl wäre also nur für die Hersteller schlecht, denn je mehr Masse nach außen getragen wird, desto sicherer scheint die Wahl im Auge des Laien. Das ist auch genau der Punkt an dem sich der ADAC unglaubwürdig macht, denn aus München heißt es: Wie viele Leser des Magazins "ADAC Motorwelt" sich an der Beliebtheitsabstimmung beteiligt haben, werde nicht bekannt gegeben. "Fakt ist, dass wir in den vergangenen Jahren die genauen Ergebnisse der Leserwahl sporadisch veröffentlicht haben (zum Beispiel 2011 und 2012 - 2013 dagegen nicht)", teilte ADAC-Sprecher Christian Garrels mit. "Einen Automatismus oder gar eine wie auch immer geartete Verpflichtung gibt es hier nicht."
Natürlich gibt es hier keine Verpflichtungen. Es sei denn, sie ist selbst auferlegt und davor scheint sich der Automobilclub zu scheuen. Aber warum? Weil man die Hersteller nicht mit exorbitanten Zahlen beeindrucken kann? Oder weil die Glaubwürdigkeit bei der Masse der Mitglieder schwinden würde? Oder könnte der ADAC einfach Angst davor haben, dass seine Macht als Automobilclub infrage gestellt wird? Wie dem auch sei: Für die Autokonzerne ist die Feier in der Münchner Residenz jedes Jahr eine gute Gelegenheit, sich in festlichem Rahmen zu präsentieren.
Immer gewinnen dieselben
"Der Gelbe Engel zählt zu den wichtigen Preise in der Automobilindustrie", heißt es etwa bei der Daimler AG. BMW betont, wie wichtig die Glaubwürdigkeit bei solchen Auszeichnungen sei. Und bei Volkswagen ist man stolz, erneut für den VW Golf geehrt zu werden: "Wir haben nicht den Hauch eines Zweifels, zumal die Regularien klar sind", heißt es aus Wolfsburg. Zu den Vorwürfen der Manipulation - kein Kommentar. Das müsse der ADAC selbst klären. So gibt es am Donnerstag in München auch wieder ein Stelldichein der Branche: VW-Chef Martin Winterkorn, der BMW-Vorstandsvorsitzende Norbert Reithofer oder Porsche-Chef Matthias Müller haben sich ebenso angekündigt wie der Präsident des Weltmotorsportverbandes FIA, Jean Todt.
Und sie werden, wie in den Jahren zuvor, die Preise entgegennehmen. Genauso, wie sie es bei dem von der Zeitschrift "Auto Bild" verliehenen "Goldenen Lenkrad" machen oder bei der Titelvergabe "Best Cars" durch die "Auto, Motor und Sport". Und die Fahrzeuge auf den vorderen Rängen werden dieselben sein. Ist das ein Indiz dafür, dass auch hier manipuliert wird oder steht dieser Umstand für den Wahrheitsgehalt des Votings? Nimmt man die Zahlen des Kraftfahrzeugbundesamtes zur Grundlage - und hier darf davon ausgegangen werden, dass die sich nicht manipulieren lassen -, dann ist der Golf auch in der siebten Generation das meistverkaufte Auto in Deutschland. Also warum sollte er dann nicht auch bei der Wahl des ADAC die Nase vorn haben? Oder sind die VW-Käufer von ihrem Kompakten gar nicht überzeugt und hätten eigentlich lieber ein ganz anderes Auto? Unwahrscheinlich.
Wie man es dreht und wendet: Das Ranking der einzelnen Fahrzeuge dürfte nicht manipuliert sein. Insgesamt bleibt nur ein schaler Geschmack, weil der ADAC nicht bereit ist, die tatsächliche Zahl der Wähler bekannt zu geben. Das lässt den Engel so einen Hauch von Beelzebub bekommen.
Quelle: ntv.de, mit dpa