Donnerkeil aus Great Britain McLaren macht aus 12C einen 650S
04.04.2014, 14:35 Uhr
Weil McLaren am 12C gleich jedes vierte Teil geändert hat, wird daraus jetzt als 650S ein ganz neues Modell.
Eigentlich sollte es nur ein Facelift des 12C werden. Doch nachdem Mclaren jedes vierte Teil geändert hat, wurde daraus der 650S. Eine Rennmaschine die sündhaft teuer ist, aber den Namen Donnerkeil zu Recht verdient.

Ja, man kann auch diese Kampfmaschine noch halbwegs entspannt über Autobahnen und Landstraßen treiben.
Ein bisschen frische Schminke, neue Extras auf der Ausstattungsliste und vielleicht ein klein wenig Chiptuning – das sind die üblichen Mittel, mit denen Fahrzeughersteller ihre Autos zur Hälfte der Laufzeit wieder fit machen. Doch McLaren ist dabei irgendwie ein bisschen übers Ziel hinaus geschossen. Mit der Obsession eines Formel-1-Teams, förmlich besessen von der Jagd nach den letzten Tausendstel, haben die Briten so lange am 12C gefeilt, bis daraus praktisch ein neues Modell geworden ist. Deshalb prangt jetzt auch 650S auf den Flanken des Donnerkeils, wenn der Wagen dieser Tage als Coupé und Spider zu den weltweit 52 Händlern rollt.
Irgendwie ist alle neu
"25 Prozent aller Teile sind überarbeitet oder ganz ausgetauscht ", sagt Produktmanager Paul McSweeney und verweist zum Beispiel auf die neue Frontpartie mit dem bitterbösen Gesicht des Supersportwagens P1 und den serienmäßigen LED-Brennern, das jetzt mit Alcantara ausgeschlagene Innenleben, den erhöhten Karbon-Anteil für Exterieur und Interieur und natürlich den getunten Motor. Der hat nämlich nicht nur einen neuen Chipsatz bekommen, sondern orgelt jetzt auch mit neuen Kolben, geänderten Zylinderköpfen, schnelleren Ventilen und einer schärferen Kurbelwelle. Lohn der Mühe: Statt 625 leistet der 3,8 Liter große V8-Turbo jetzt 650 PS und das maximale Drehmoment steigt von 600 auf 678 Newtonmeter. Schon das ist imposant, zumal die Ingenieure auch den Sound getunt haben und der Achtzylinder jetzt noch wilder schlurft, zischt und faucht wie ein Drache im Fantasy-Märchen. Und Werte wie die 3,0 Sekunden von 0 auf 100 oder das Spitzentempo von 333 km/h für das Coupé und 229 km/h für den Spider sind nicht minder verheißungsvoll.

Mit Alcantara ausgeschlagen bekommt das Cockpit eine samtige Optik. Ob das zu einer Rennmaschine passt darf jeder selbst entscheiden.
Doch was den Unterschied zum 12C wirklich ausmacht, das ist das irre direkte Fahrgefühl. Kaum ein anderer Sportwagen teilt sich seinem Steuermann so unmissverständlich und so direkt mit wie der 650S. Dank eines neuen Setups für das Fahrwerk, einer schärfer programmierten Lenkung, dem größeren Abtrieb durch die neue Luftführung und ungewöhnlich feinfühlige Keramik-Bremsen werden Fahrer und Fahrzeug buchstäblich eins: Die Maschine wird zum Teil des Menschen, der Mensch wird Teil der Maschine, man fühlt die Straße eher, als dass man sie sieht und man steuert den Tiefflieger fast intuitiv auch über den engsten Kurs: Während einen die neuen Sportsitze festhalten wie ein Schraubstock und die Querkräfte an den Gurten reißen, wächst mit jeder Kurve das Zutrauen und mit ihm die Geschwindigkeit. Und auch der Blick in den Rückspiegel gibt einem Recht. Denn neben der rasend schnell schrumpfenden Silhouette des Hintermanns sieht man dort auch den riesigen Spoiler, der stark im Wind steht und den 650S buchstäblich beflügelt. Sein Winkel ändert sich mit Gangart und Geschwindigkeit, beim Kickdown macht er sich flach, und wenn es brenzlig wird, stellt er sich als "Airbrake" voll auf.
Der Tritt eines Karate-Kämpfers
Ja, man kann auch diese Kampfmaschine noch halbwegs entspannt über Autobahnen und Landstraßen treiben – vor allem, wenn man die Schalter für Handling und Powertrain in der "Normal"-Position lässt. In diesem Modus schafft man es, mit ein bisschen Selbstbeherrschung im Spider auch mal für 17 Sekunden unter 30 km/h zu bleiben. Denn solange dauert es, bis die Hydraulik die beiden Hartschalen über dem Haupt der Passagiere nach hinten gefaltet hat und ein sanftes Lüftchen vom Scheibenrahmen und über die beiden Höcker hinter den Sitzen streicht. Doch sobald man auf "Sport" oder gar "Track" wechselt, hat die Vernunft keine Chance mehr und das Vergnügen kann beginnen.
Die Drehzahlen schnellen bis weit in die 8000er, jeder Gangwechsel fühlt sich stark und schnell an wie der Tritt eines Karate-Kämpfers und der Motor brüllt selbst die innere Stimme nieder, die den Fahrer vergebens zur Zurückhaltung mahnt. Zu verführerisch ist die Selbstverständlichkeit, mit der sich die 1,3 Tonnen leichte Karbonflunder am Kurvenausgang wieder auf Speed bringen lässt. Zu spektakulär ist die Leichtigkeit, mit der man den Wagen durch die Schikanen wedelt und zu faszinierend die Präzision, mit der er sich an die Ideallinie heftet: Die Formel1-Technik macht die Jagd nach der Bestzeit zum Kinderspiel und weckt in jedem von uns einen kleinen Lewis Hamilton. Und wer genügend Mut hat und eine hinreichend lange Gerade findet, ist mit 329 km/h sogar schneller als mancher Formel-1-Pilot. Dass bei derartigen Spielen die teuren 20-Zöller auf der Hinterachse schneller in Rauch aufgehen als später die Zigarre im Drivers Club und der Bordcomputer dann locker mal einen Verbrauch von 20 Litern anzeigt – wen juckt das schon in dieser Liga.
Ntürlich gibt es das Upgrade für den Tiefflieger nicht zum Nulltarif. Auch darin unterscheidet sich die Modellpflege der Briten von einem gewöhnlichen Facelift. Sie schlagen mal eben zehn Prozent auf und verlangen für das Coupé künftig 231.500 und für den Spider 255.000 Euro. Weil das Auto aber nicht nur stärker, schneller und schärfer ist, sondern mit serienmäßigen LED-Scheinwerfern, Rückfahrkamera, Alcantara-Polstern und Keramikbremsen auch noch besser ausgestattet ist, rechnet McLaren zumindest aus unseren Breiten kaum mehr mit weiteren Bestellungen für den 12C. "Für den Produktionsanlauf des 650S haben wir die 12C-Fertigung vor ein paar Monaten angehalten", sagt ein McLaren-Sprecher: "Gut möglich, dass wir sie jetzt gar nicht mehr anfahren."
Quelle: ntv.de, hpr/sp-x