Auto

Weg vor Gericht soll möglich sein Mehr Rechte beim "Idiotentest"

Der sogenannte "Idiotentest" ist wohl die umstrittenste Maßnahme im Verkehrsrecht.

Der sogenannte "Idiotentest" ist wohl die umstrittenste Maßnahme im Verkehrsrecht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Kein Autofahrer geht gern zur medizinisch-psychologischen Untersuchung. Auch weil sie im Volksmund nur "Idiotentest" genannt wird. Bei Kraftfahrern und Experten gleichermaßen unbeliebt, sollen Betroffene jetzt mehr Rechte bekommen.

Weil sie volltrunken oder unter Drogeneinfluss am Steuer gesessen haben, müssen jedes Jahr Zehntausende Autofahrer in Deutschland zur medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU). Dabei geht es ums Ganze. Nur wer den Test besteht, darf wieder Auto fahren. "Aus Sicht der Bevölkerung ist die MPU ein nicht nachvollziehbarer und mythenbehafteter Idiotentest", klagt der Verkehrsjurist Christian Janeczek vom Deutschen Anwaltverein (DAV).

Nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen mussten sich in Deutschland alleine im Jahr 2012 mehr als 94.000 Verkehrssünder der Begutachtung stellen, gut die Hälfte davon wegen Alkohol am Steuer. Nur gut jeder zweite Teilnehmer bestand den Test. Viele empfänden die MPU als Schikane und Willkür, sagt der Verkehrsrechtler Janeczek.

"Die MPU hat keinen guten Ruf in der Bevölkerung", stellt auch der Präsident des Verkehrsgerichtstages (VGT) in Goslar, Kay Nehm, fest. "Man sollte die MPU zwar nicht generell infrage stellen", sagt der frühere Generalbundesanwalt. Die jetzige Regelung sei aber "unglücklich".

Kein einheitlicher Fragenkatalog für "Idiotentest"

Denn es gebe keine einheitliche Beratung der Betroffenen vor der Untersuchung und keinen einheitlichen Fragenkatalog und auch keine unabhängige Stelle, die die Gutachten überprüfe. Ein Streitpunkt ist auch, dass die Gespräche während der Untersuchung nicht verbindlich aufgezeichnet werden müssen.

Die MPU-Teilnehmer müssen in einem Gespräch mit einem Psychologen oder Arzt nachweisen, dass sie geeignet sind, am Straßenverkehr teilzunehmen. Zum Test wird geschickt, wer wiederholt betrunken oder einmal sogar mit mehr als 1,6 Promille am Steuer erwischt wurde oder unter Drogeneinfluss gefahren ist. Auch wer in Flensburg 18 und mehr Punkte gesammelt hat, muss zum "Idiotentest".

Mehr Rechte für Autofahrer

Künftig sollen Autofahrer mehr Rechte haben, wenn sie sich nach einem Führerscheinentzug dem "Idiotentest" unterziehen müssen. Der Verkehrsgerichtstag in Goslar sprach sich unter anderem dafür aus, dass sich die Betroffenen vor Gericht gegen die Anordnung einer solchen Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) wehren können sollten.

Der Arbeitskreis MPU des Verkehrsgerichtstags empfahl außerdem Tonbandaufzeichnungen des ärztlichen und psychologischen Untersuchungsgesprächs. Sie seien ein Mittel, für mehr Transparenz zu sorgen. Befürwortet werden auch ein einheitlicher Fragenkatalog für die MPU und die Schaffung von Obergutachterstellen in allen Bundesländern.

Betroffene können sich nicht wehren

Der Automobilclub von Deutschland kritisiert, dass der Test "teilweise leichtfertig" angeordnet werde. Und besonders schwer wiege, dass sich Betroffene gegen vermeintlich unrechtmäßige Tests nicht auf dem Rechtsweg wehren können, sagt DAV-Anwalt Janeczek. Bemängelt wird zudem, dass derjenige, der die MPU ablehnt, automatisch den Führerschein verliert.

Trotz aller Kritik: An der grundsätzlichen Bedeutung der Untersuchung will in Goslar niemand rütteln. "Bei auffälligen Kraftfahrern muss schließlich festgestellt werden, ob sie zum Fahren geeignet sind", sagt der Unfallforscher Siegfried Brockmann vom Gesamtverband der deutschen Versicherer.

Selbstbestimmungsrecht muss bleiben

Wegen der zunehmenden Elektronik in den Autos pochte der Verkehrsgerichtstag ferner auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen. Die Fahrzeughersteller sollten die Fahrzeugkäufer umfassend darüber informieren, welche Daten verarbeitet und übermittelt werden, hieß es in einer Erklärung. Darüber hinaus sollte das "Prinzip der Datensparsamkeit" sichergestellt werden.

In einer weiteren Empfehlung kritisierten die Experten in Goslar, dass nicht alle EU-Staaten gleichermaßen beim Eintreiben von Bußgeldern für im Ausland gegangene Verkehrsverstöße zusammenarbeiteten.

Beim 52. Deutschen Verkehrsgerichtstag hatten seit Mittwoch mehr als 1900 Experten über alle Bereichen des Verkehrswesens diskutiert. Der Präsident des Verkehrsgerichtstags und frühere Generalbundesanwalt Kay Nehm kritisierte zum Ende der Tagung Pläne der großen Koalition, ein Fahrverbot als Sanktion für Straftaten einzuführen, die nichts mit dem Autofahren zu tun haben. Dies widerspreche dem "Prinzip des Schuldstrafrechts".

Quelle: ntv.de, vpe/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen