Abschied vom Rucksack-Tourismus Neuer Jetta kommt ab 21. Januar
17.01.2011, 07:30 Uhr
Mit 4,64 Metern Länge übertrifft der Jetta den Golf um mehr als 40 Zentimeter.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Anders als in den USA, in China oder Osteuropa greifen die Kunden hierzulande bei der Auswahl zwischen vier- oder fünftürigen Varianten lieber zum Schrägheck-Modell. Um ihnen eine Alternative zu bieten, bekam der VW Golf einst ein voluminöses Gepäckabteil verpasst, das ihm den unrühmlichen Beinamen "Rucksack-Golf" eintrug. Deshalb war er auch hausintern bei VW nicht sonderlich beliebt und es war, so Hackenberg, zu anstehenden Modellwechseln "nicht so einfach, einen Designer zu finden, der sich mit dem Jetta beschäftigen wollte". Grund waren die zahlreichen gestalterischen Einschränkungen, die durch die Vorgabe des Bestellers Golf auch auf die nachfolgende Stufenheck-Limousine abfärbten. "So richtig Freude kam da nicht hoch".
Damit ist es nun vorbei. Der neue Jetta glänzt laut VW durch eine "hohe Eigenständigkeit". Das kann man nicht nur an der Linienführung der Karosserie erkennen, sondern auch an ihren Dimensionen. Mit 4,64 Metern ist die Limousine fast einen halben Meter länger als der VW-Golf, bietet entsprechend mehr Innenraum und Radstand. Mehr Auto kostet aber auch mehr Geld: nach der aktuellen Preisliste schlägt die Einstiegsvariante – sie hat einen 105 PS leistenden Vierzylinder-TSI-Motor und 105 PS – mit 20.900 Euro zu Buche. Das sind knapp 4000 Euro mehr als der billigste Golf kostet, welcher dann aber freilich auch nur 80 PS hat.
Krasse Preisunterschiede

Der "Rucksack" ist verschwunden: Mit dem Modellwechsel bekam der Jetta ein eigenständiges Design.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Die Differenzierung in der Optik ist deshalb so deutlich ausgefallen, weil der in Mexiko gefertigte Jetta als "globales Auto" konzipiert ist. Volkswagen erwartet, dass bis zur Hälfte der Produktion vom US-amerikanischen Markt aufgesaugt wird. "Zu gegebener Zeit" sei auch mit der Herstellung des Fahrzeugs in China zu rechnen, denn dort neigen Mittelklasse-Kunden ebenfalls zum Stufenheck. Die Rechnung scheint aufzugehen: seit der Markteinführung des Jetta im vergangenen Sommer in den USA konnte der Hersteller den Absatz dieses Modells um rund 40 Prozent steigern. In Europa soll der Jetta in 33 Ländern eingeführt werden.
Auf dem "alten" Kontinent wird es nicht zuletzt darum gehen, wie überzeugend Volkswagen den krassen Preisunterschied zum US-Modell begründen kann. Im dortigen, von hartem Preiswettbewerb gekennzeichneten Markt, beginnen die Preise des Jetta bei rund 16.000 Dollar, nach heutigem Umrechnungskurs etwa 12.000 Euro. Eine Erklärung des Entwicklungschefs: Das europäische Auto sei "mehr in Richtung Komfort ausgelegt".

Durch höherwertige Materialien soll der Jetta eine komfortablere Anmutung bekommen.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Der "höhere Anspruch an Raum und Qualität" wird auf verschiedenen Ebenen umgesetzt. Die für die Innenraumgestaltung verwendeten Materialien verströmen eine hochwertige Atmosphäre. Passgenauigkeit der Verkleidungsteile ebenso wie der Bedienelemente unterliegen schärfsten Kontrollen. Nach den Erfahrungen der Automanager sind Kunden jenseits des Atlantik auf derartige Details nicht so fixiert wie die europäischen und vor allem deutschen Käufer. Um den Fahrkomfort auf ein höheres Niveau zu heben, kommt bei den für Europa vorgesehenen Modellen eine Mehrlenker-Hinterachse zum Einsatz, während die US-Version auf einer halbstarren Konstruktion läuft.
Ultraschall löst Airbag aus
Weiterer Unterschied: die Ausstattung. Sechs Airbags sind zum Beispiel Serie beim Euro-Jetta, sämtlich ausgestattet mit einer neuen Ultraschall-Sensorik, die nach Expertenurteil ein noch schnelleres Auslösen der Prallsäcke im Notfall garantiert. Die elektromechanische Lenkung, die sich auch mit einem Einparkassistenten versehen lässt, ist ein zusätzliches Unterscheidungsmerkmal. Lang ist die Liste der bestellbaren Hilfssysteme, auf die US-Kunden keinen Zugriff haben, mit denen sich hierzulande der Jetta aber auch beliebig verteuern lässt.
Der als Einstiegsversion positionierte 1,2-Liter-Vierzylinder erwies sich im Fahrtest als angenehmer Begleiter. Rund 1300 Kilogramm Leergewicht sind für ein derart stattliches Fahrzeug ein erstaunlich schlanker Wert, der die gelungenen Bemühungen um Gewichtsreduktion belegt. Gegenüber dem Vorgänger sind je nach Modell zwischen 60 und 120 Kilogramm eingespart worden. Deshalb hatte der mit 175 Newtonmetern Drehmoment ausgestattete Motor auch keine erkennbaren Probleme mit der Vorwärtsbewegung. Das Triebwerk erwies sich als erstaunlich elastisch, die Drehzahl der handgeschalteten Version kann man im Ausnahmefall auch bis auf 1000 Touren fallen lassen und kommt im dritten Gang trotzdem zügig vom Fleck. Das Angebot der Ottomotoren soll bis auf eine 200-PS-Variante ausgebaut werden.
Spürbar flotter als mit dem Einstiegsbenziner geht es mit dem 1,6 Liter großen Dieselaggregat voran, was natürlich an dem mit 250 Newtonmetern deutlich höheren Drehmoment liegt. Die Leistung ist mit 105 PS gleich hoch. Bis auf ein etwas knurriges Anfahrverhalten gab der kleinere Selbstzünder keinen Anlass zur Kritik. Wer noch mehr Schub von Anfang an braucht, kann sich den Zweiliter-Diesel mit 320 Newtonmetern bestellen. In der Highline-Ausstattung und mit Sechs-Gang-DSG-Getriebe sind dann aber schon mindestens 29.950 Euro fällig. Beiden gefahrenen Varianten war eine angenehm unauffällige Handhabung, präzises Einlenken und gute Rückmeldung von der Straße gemein.
Quelle: ntv.de