"Wir haben den Kleinsten" Neuer Smart - Wendepunkt statt Wendekreis
17.07.2014, 06:47 Uhr
Spaß soll das Autofahren in der Stadt machen. Die kleinste Lücke muss reichen, ein Wendekreis muss zum Wendepunkt werden und es muss individuell sein. Unter dieser Maßgabe hat Mercedes den neuen Smart kreiert.
Gefühlt ist Berlin die Hauptstadt des Micro-Autos aus Stuttgart. Kein Wunder also, dass sich Mercedes für die Präsentation der nächsten Generation des Stadtflitzers die Metropole an der Spree ausgesucht hat. Eine Stadt, in der öffentlicher Parkraum inzwischen Mangelware ist. Und hat man eine Parklücke gefunden, dann ist sie so klein, dass kein "normales" Auto darin Platz findet. Das dürfte auch der Grund gewesen sein, der Ingenieure und Designer bewogen hat, nichts an der Größe des Smart Fortwo zu ändern.
Der Neue ist wie der Alte und immer noch 2,69 Meter kurz. Was Mercedes-Chef Dieter Zetsche zu dem Ausruf veranlasst: "Voller Stolz sagen wir: Unserer ist der Kleinste." Als Zweisitzer wohlgemerkt, denn, ja, es gibt auch wieder den Forfour, den Smart als Viersitzer. Mit einer Länge von 3,49 Metern ist er 12 Zentimeter kürzer als ein Mini One. Und den Lifestyler aus Bayern dürfte Smart ebenso im Blick gehabt haben wie den Renault Twingo, obwohl der eigentlich so etwas wie ein Bruder ist. Denn der Franzose und der kleine Schwabe sind das Produkt einer Zusammenarbeit von Mercedes und dem französischen Staatskonzern.
Hip an Front und Heck
Allerdings folgt das Design der beiden schwäbischen Stadtflitzer einer eigenen Philosophie. "For a new urban joy" heißt das Motto und Anette Winkler, die Smart-Chefin, präzisiert: "Es gibt so viele Leute, die gegen etwas sind. Wir sind für etwas: für mehr Lebensfreude in der Stadt." Und das ist dem "Elefantenrollschuh" wie er von Spöttern auch genannt wird, anzusehen. Extrem kurze Überhänge und Dicke Backen geben dem neuen Smart etwas liebenswert Knuffiges. Das Gesicht lächelt wieder, diesmal aber "selbstbewusst und frech", so Winkler. Der Kühlergrill ist jetzt etwas größer, aber weiterhin smarttypisch. In dessen Wabenstruktur prangt das neu gestaltete, mattierte Logo.
Die Frontscheinwerfer strahlen jetzt in Rhombus-Form und sind oben leicht angeschnitten. Die Räder sind dank der um 10 Zentimeter verbreiterten Spur nach außen gerückt und geben dem Smart mit Blick auf Front und Heck etwas mehr Wucht in Richtung Asphalt und den Insassen mehr Platz im Innenraum. Um den Smart aber noch stadttauglicher zu machen, wurde auch der Wendekreis verkleinert. Hier könnte man sogar von einem Wendepunkt sprechen. Auch hier freuen sich die Stuttgarter über eine neue Bestmarke: 6,95 Meter benötigt der Fortwo von Bordstein zu Bordstein und der Forfour dreht fast so kleine Kreise wie der bisherige Fortwo. Nicht mehr als 8,65 Meter benötigt er für eine Runde.
Treue zur Silhouette
In den Proportionen bleibt das Microcar seinem Vorgänger aber treu. Was auch zur Folge hat, dass die Silhouette fast unverändert scheint. Die ebenfalls rhombischen Heckleuchten erinnern an die erste Generation des Smart. Auf Wunsch sind die auch mit LED zu bekommen. Dann sind insgesamt elf einzeln beleuchtete Würfel ringförmig angeordnet und sorgen für ein sehr markantes Nachtdesign. Der Smart Forfour zeigt in der Seitenansicht die gleichen Elemente wie der Fortwo, besitzt neben den zwei zusätzlichen Türen aber auch eine längere Fahrgastzelle. Die Front- und Hecküberhänge wirken optisch genauso kurz wie beim kleinen Bruder.
Für mehr Dynamik sorgt die coupéhaft abfallende Dachlinie des Forfour. Allerdings gibt sich der Viertürer abseits seiner hippen Attitüde extrem praktisch. Da gibt es 315 Liter Kofferraum bei aufrechter Rückenlehne im Fond. Wird die umgelegt, wächst der Stauraum auf planer Fläche auf 975 Liter. "Das ist das Beste was es im Segment gibt", frohlockt Mercedes-Chef Dieter Zetsche. Die Hecktüren schwingen in einem Winkel von 85 Grad auf, so dass auch ein riesiger Flachbildschirm bequem eingeschoben werden kann.
Dreizylinder und Doppelkupplungsgetriebe
Befeuert wird die Smart-Familie zum Marktstart im November mit einem 71 PS starken Dreizylinder, der im Heck des Stadtmobils seine Arbeit verrichtet. Der kann wahlweise mit einer Fünfgang-Handschaltung oder einem Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe geordert werden. Versprochen sind für dieses Triebwerk ein Durchschnittsverbrauch von 4,1 Liter auf 100 Kilometer und ein CO2-Ausstoß von 93 g/km. Beim Forfour sind es bei gleicher Motorisierung 97 g/km. Später folgen noch zwei Varianten mit 60 und 90 PS. "So können sich unsere Kunden einen komfortablen Smart oder eine 'urban fun machine' konfigurieren", so Winkler.
Individualität wird beim neuen Smart ohnehin ganz groß geschrieben. Passion, Prime und Proxy heißen die drei Lines, mit denen sich das Kleinstauto aufwerten und speziell im Interieur differenzieren lässt. Zu den Ausstattungsmerkmalen zählt zum Beispiel ein Multifunktionslenkrad in Leder, Kombiinstrument mit 3,5-Zoll-Farb-Display sowie Sitzheizung. Insgesamt gibt es laut Zetsche 800 verschiedene Varianten, den Smart zu seinem ganz persönlichen Fahrzeug zu machen.
Individualität und neue Assistenten
Das funktioniert natürlich auch im Innenraum. Die zweigeteilte Armatur besteht jetzt aus einem Außenteil, der auf Wunsch mit farbigen Stoff bezogen werden kann, sowie einem großen, konkaven Zierteil in der Mittelkonsole, in dem die funktionalen Elemente eingepasst wurden. Davor sitzen als additive Elemente, scheinbar schwebend, das Kombiinstrument und das Infotainmentcenter mit dem Radio oder einem oval gerahmten, 7 Zoll großen Touchscreen.
Neu sind im Smart auch die Ideen zur Konnektivität. Wer will, kann sein Smartphone kostenlos mit der Smart-App ausrüsten und es so zu einer Multifunktionseinheit machen. In der App sind neben Fahrdaten auch ein Navigationssystem mit Kartenmaterial von TomTom enthalten. Ist das Phone per Bluetooth mit dem Radio gekoppelt, kann auch der Fahrzeugstandort ermittelt werden, falls man die Orientierung verloren hat und über den Onlinedienst Glympse kann man Freunden zeigen, wo man sich gerade befindet.
Da Sicherheit bei Mercedes groß geschrieben wird, haben die Schwaben jetzt Sicherheitssysteme im Smart verbaut, die es bei Microcars noch nicht gegeben hat. Dazu gehören Seitenwind-Assistent, den es in Serie gibt, sowie Abstandswarner und Spurhalte-Assistent, die optional dazu gebucht werden können. Auch die Fahrgastzelle wurde mit Hilfe von hochfesten Stählen noch sicherer. Zudem ist der Smart serienmäßig mit Fahrerairbag, Fahrer-Kneebag und Beifahrerairbag ausgestattet. Das Prinzip der sich bei einem Aufprall zusammenziehenden Lenksäule wurde aus dem Mercedes-Benz-Programm übernommen.
Smart als Antwort auf verstopfte Städte
Ob das alles in der Summe reichen wird, den Smart in ausreichenden Stückzahlen an die Kundschaft zu bringen, muss abgewartet werden. Wo die Preise anfangen, ist noch nicht bekannt, aber es darf angenommen werden, dass sie für den Fortwo bei etwa 11.000 Euro und beim Forfour nicht unter 13.000 Euro beginnen. Seit seinem Marktstart 1998 verkaufte sich der Stadtflitzer weltweit 1,5 Millionen Mal. Auch in den letzten Jahren blieb der Jahresabsatz stabil bei etwa 100.000 Einheiten. Die Wunschvorstellung von 200.000 Stück konnte der Smart nicht erfüllen. Aber vielleicht ist das alles gar nicht so wichtig.
Daimler-Chef Zetsche jedenfalls vergleicht die Geschichte des Smart mit dem Märchen vom Hasen und Igel. Wobei der Smart der Igel ist. Der, der immer schon da ist, wenn der Hase völlig außer Puste durchs Ziel wankt. Mit dem Smart habe man Trends in puncto Mobilität gesetzt, so Zetsche. Trends, die angesichts der immer größer werdenden Masse an Menschen in Städten mehr als wichtig sind. Bis zum Jahr 2025, so rechnet er vor, werde sich die Zahl der weltweit verkauften Neuwagen um über 40 Prozent erhöhen. "Das macht dann 280.000 neue Autos jeden Tag. Das bedeutet: immer mehr Menschen in Städten und immer mehr Autos auf den Straßen."
Das Wachstum im Microcar-Segment beziffern Analysten von 2014 bis 2020 auf etwa 38 Prozent. Somit wären sie die Antwort auf die wachsenden Probleme in urbanen Ballungsräumen. Und wenn nicht bei den Privatkunden, dann eben in Form der Leihfahrzeuge von car2go. Mittlerweile sind in Europa und Nordamerika 800.000 Kunden in 26 Städten mit den Mietwagen unterwegs. Und warum nicht in Zukunft unter dem Motto "For a new urban joy".
Quelle: ntv.de