Markenloyalität in China niedrig Umkämpfter Automarkt
17.09.2007, 15:41 UhrKein Automarkt der Welt wächst schneller, nirgends ist der Wettbewerb schärfer. "China ist der derzeit am heißesten umkämpfte Markt der Welt", sagte der China-Chef von Volkswagen, Winfried Vahland. Nur der US-Automarkt ist größer, doch in China buhlen gleich drei Mal mehr Hersteller mit fast doppelt so vielen Marken um die Kunden. "Chinas Automarkt ist von einer niedrigen Markenloyalität und von Kunden geprägt, die sich zum ersten Mal ein Auto kaufen", sagte Vahland. Wer sich in China durchsetzen wolle, brauche "eine starke Marke sowie hohe Geschwindigkeit, um unmittelbar auf die Kundenwünsche zu reagieren". Das Geschäft brummt: Im ersten Halbjahr stieg der Absatz von Personenwagen um 26 Prozent.
Der Markt wird zu zwei Dritteln von ausländischen Marken beherrscht. Doch Chinas eigene Autoindustrie will aufholen. Die Bemühungen chinesischer Produzenten wie Chery oder Brilliance, in Europa und den USA Fuß zu fassen, haben jedoch schwere Rückschläge erlitten. Verheerende Ergebnisse der BS6 Limousine von Brilliance beim ADAC-Crashtest oder des Chery Amulet in Russland haben Kritiker über die "China-Kracher" spotten lassen. Doch hat Chery gerade eine Kooperation mit Chrysler unterzeichnet, um billige Kleinwagen unter der Marke Dodge für die USA herzustellen. Brilliance macht neue Anstrengungen, auch höhere Sicherheitsanforderungen zu erfüllen.
Export vorerst nach Russland
Dass Chinas Autoindustrie exportfähig wird, bezweifelt niemand. Die Frage ist nur wann. "Wir werden eine ähnliche Entwicklung sehen wie bei den Fahrzeugen der Hersteller aus Japan und Korea, allerdings etwas schneller", glaubt Vahland von Volkswagen. "Bis Fahrzeuge aus China in großen Stückzahlen in Europa oder Amerika zu finden sein werden, könnte es noch etwa fünf bis zehn Jahre dauern." Um aber in Europa Fuß zu fassen, müssten chinesische Autobauer zuerst ein internationales Management aufbauen. Sie müssten die jeweiligen Anforderungen an Fahrzeugsicherheit, Qualität, Design und Service in den unterschiedlichen europäischen Märkten kennenlernen und ihre Produkte entsprechend anpassen. So ist vorerst nur Russland der größte Exportmarkt für China, gefolgt von Kasachstan und Iran.
Um die zersplitterte Autoindustrie zu konsolidieren, will Chinas Regierung einige wenige Autoriesen schaffen, die es mit den Weltkonzernen aufnehmen sollen. Der größte Hersteller Shanghai Automotive Industry Corp. (SAIC), der Joint Ventures mit Volkswagen und General Motors betreibt, begann Verhandlungen mit der Nanjing Automobile Corp. (NAC) über einen Zusammenschluss. Doch die Aussichten sind ungewiss. Peking ermuntert auch zur Entwicklung eigener Marken. Als erster ausländischer Autobauer kündigte Honda an, mit seinem Partner Guangzhou Automobile Group bis 2010 eine neue Marke zu entwickeln. Die ersten Modelle basieren aber noch auf bestehenden Honda-Modellen und sollen unter 80.000 Yuan (8000 Euro) kosten.
Erfolgsmodell Jetta
Im unteren Marktsegment liegt auch der Volkswagen Jetta, der bis heute das am meisten verkaufte Automodell in China ist. Der Erfolg des Jettas lässt sich durch Verlässlichkeit und attraktive Preis erklären. Aber mit diesem Rezept allein kann kein Autobauer in China heute noch erfolgreich sein. Der Markt verlangt parallel dazu nach immer neuen Fahrzeugen. Volkswagen hat seine Produktstrategie daher auf eine weite Spanne ganz verschiedener Modelle ausgerichtet und bringt zwei bis drei neue Fahrzeuge im Jahr auf den Markt.
Nach schwierigen Jahren hat der Marktführer damit im vergangenen Jahr wieder die Kurve gekriegt und verteidigt seinen Marktanteil von etwa 17 Prozent gegen starke Konkurrenz. "Nach wie vor gibt es einen großen Preisdruck im Gesamtmarkt", sagt Vahland. Mit drastischen Kostensenkungen hätten sich seine zwei Gemeinschaftsunternehmen in China "Spielraum innerhalb des deflationären Marktes geschaffen". Volkswagen erwarte 2007 mit mehr als 800.000 an Kunden ausgelieferten Fahrzeugen einen Verkaufsrekord und ein profitables Geschäft. Im ersten Halbjahr hat sich das proportionale operative Ergebnis im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 83 Millionen Euro mehr als verdoppelt.
Von Andreas Landwehr, dpa
Quelle: ntv.de