Auto

Kadett D wird 30 Verkannter Revoluzzer

Eher unscheinbar, aber erfolgreich: Der Kadett D eröffnete Opel neue Perspektiven.

Eher unscheinbar, aber erfolgreich: Der Kadett D eröffnete Opel neue Perspektiven.

Es gibt Autos, die in ihrer Bedeutung einfach verkannt werden. Eines aus dieser Kategorie ist der Kadett D von Opel. Technologisch stellt er ein Meilenstein für die Marke dar und auch qualitativ zählt er zu den Besten seiner Generation.

Meilensteine, sollte man meinen, bleiben im Gedächtnis - schließlich stellen sie etwas Besonderes dar. Wenn zum Beispiel ein Unternehmen sage und schreibe rund 80 Jahre auf eine Antriebstechnik setzt, kann man das als Tradition oder als verbohrtes Festhalten an Überholtem bezeichnen. Wenn das Unternehmen dann doch auf die Idee kommt, dass es auch anders geht, und mit einem neuen Modell beweist, dass man den Weg in die Zukunft erkannt hat - dann sollte dieser Zeitpunkt und das neue Modell in Erinnerung bleiben. Doch manchmal ist das nicht der Fall. So kam vor 30 Jahren mit dem Opel Kadett D ein Auto auf den Markt, das einen technischen Wendepunkt für Opel darstellte - das aber bis heute nur von einem kleinen Kreis von Liebhabern geschätzt wird.

Opel hat allem Anschein nach immer wieder das Talent, in Schwierigkeiten zu geraten. Die aktuelle Situation beherrscht seit Wochen und Monaten die Schlagzeilen - doch schon die Tatsache, dass der deutsche Autobauer über viele Jahrzehnte überhaupt zum US-Konzern General Motors gehörte, hängt mit wirtschaftlichen Problemen zusammen.

Er war das erste Modell der Marke mit Frontantrieb. Montiert wurde er unter anderem im Werk Bochum.

Er war das erste Modell der Marke mit Frontantrieb. Montiert wurde er unter anderem im Werk Bochum.

In den 70er Jahren drohten wieder einmal Schwierigkeiten - und zwar aus dem Grund, dass man drauf und dran war, eine wichtige technische Entwicklung zu verschlafen. Dabei ging es darum, welche Räder vom Motor angetrieben werden. Bei ausländischen Kleinwagen war es seinerzeit schon längst eine Selbstverständlichkeit, dass der vorne verbaute Motor auch die vorderen Räder antreibt. Im Hinblick auf Aufwand und Raumausnutzung im Auto zeigt dieses Prinzip gerade bei kleinen und kompakten Autos seine Vorzüge.

Opel hielt am Heckantrieb fest

Bei den deutschen Herstellern erforderte es allerdings einiges an Überzeugungsarbeit, bis das Umdenken einsetzte. Schließlich hatte auch Volkswagen ewig am alten Käfer mit Heckmotor und Heckantrieb festgehalten, bis man 1974 mit dem Golf erfolgreich den modernen Weg beschritt. In Rüsselsheim sollte das Umdenken noch länger dauern. Denn auch als der Golf bereits Verkaufserfolge einfuhr, rollte das traditionell als Kadett bezeichnete Opel-Kompaktmodell weiter mit der ebenso traditionellen Kombination aus Frontmotor und angetriebenen Hinterrädern umher.

Erst ein halbes Jahrzehnt später war es dann so weit: "Neuer Kadett: Ein Opel wie noch nie" überschrieb seinerzeit die Zeitschrift "mot" einen ersten Bericht über den Kadett der fünften Generation. Die Überschrift mag aus heutiger Sicht leicht übertrieben wirken - schließlich geht der D-Kadett als normales Kompaktmodell ohne herausragende Eigenschaften durch.

Premiere der großen Heckklappe

Neben dem Antrieb war gleichzeitig das komplette Karosseriekonzept neu. Der Kadett D bildete den Einstieg von Opel in die neue Kompaktklasse.

Neben dem Antrieb war gleichzeitig das komplette Karosseriekonzept neu. Der Kadett D bildete den Einstieg von Opel in die neue Kompaktklasse.

Und doch war er auch "ein Opel wie noch nie". Endlich hatte man nämlich die Umstellung vom alten Heck- auf den modernen Frontantrieb geschafft. Und es gab noch eine Neuerung, die sich vor allem im Design ausdrückte: Die vorherigen Kadetten orientierten sich nämlich formal an der klassischen Limousinenform, die sich durch die Dreiteilung aus Motorhaube, Fahrgastraum und Kofferraum in Stufenheckform auszeichnet.

Weil der Neue nun aber ein modernes Auto sein sollte, wurde auch seine Karosserielinie näher an die der Konkurrenz gerückt - die verzichtete auch damals schon auf das angehängte Stufenheck und erlaubte den Zugang auf das Gepäckfach durch große Heckklappen im Schrägheck ihrer Kompaktmodelle.

Stufenheck-Kompromiss

Also kam auch der Kadett D mit einem solchen modernen Schrägheck daher. Allerdings war Opel ein Unternehmen, das gerne auf Traditionen setzte und es gab auch konservative Kunden, die so etwas bevorzugten. Um die Liebhaber des Kofferraumdeckels nicht mit einer modernen Heckklappe zu vergrätzen, setzte man beim Kadett D auf eine etwas schrullige Taktik: Wer die große Heckklappe verschmähte, konnte auch eine Version ordern, die zwar auf den ersten Blick identisch aussah - wenn nicht unterhalb des Heckfensters diese beiden Scharniere wären. Die dienten nämlich als Öffnungsmechnismus eines kleinen Kofferraumdeckels. Die Heckscheibe klappte in dieser Version nicht mit auf - wie bei den Stufenheck-Modellen eben.

Eine andere Neuerung ließ sich nicht tarnen: Waren die bisherigen Opel durchweg an ihrem etwas plärrigen Auspuffgeräusch zu erkennen, klang der Kadett D nun anders. Das war zum einen gewollt, hatte aber auch damit zu tun, das mit dem neuen Kadett eine neue Generation an Motoren Einzug hielt.

Kadett D in England als Astra

Wer Angst hatte, dass soviel Neues nicht wirklich zuverlässig sein konnte, irrte sich glücklicherweise. Die Autotester gaben dem Kadett durchweg gute Noten, lobten die Motoren ebenso wie das Fahrverhalten und im Endeffekt die gesamte Konstruktion. Auch als die Kadetten längst zahlreich auf den Straßen unterwegs waren, offenbarten sie kaum technische Schwächen - allein Fälle von Verschleiß an den Nockenwellen wurden bekannt. Und später zeigte sich, dass der Kadett wie nahezu alle Autos aus diesen Jahren dem Rost nicht ewig widerstehen konnte.

Abgesehen davon war der Kadett D nicht nur technisch wegweisend für die Zukunft der Marke. Auch im Hinblick auf den Umgang mit den Modellbezeichnungen dachte man nach vorn: Dass der Kadett bei der britischen Opel-Schwester Vauxhall mit dem Namen Astra bereits die Bezeichnung des hier erst viel später sogenannten Kadett-Nachfolgers trug, ist ein Beispiel dafür. Außerdem gab es ein Sondermodell des Kadett mit der Bezeichnung Corsa. Und die Bezeichnung ist nicht nur zufällig identisch mit dem Namen des späteren Opel-Kleinwagens: Mit dem Sondermodell wollte man testen, wie der Name ankommt.

GTE gegen GTI

Sportskamerad: Der GTE wurde gegen den Golf GTI platziert und schlug sich wacker.

Sportskamerad: Der GTE wurde gegen den Golf GTI platziert und schlug sich wacker.

In der Öffentlichkeit aber war der Opel Kadett D bald nur ein Kompaktmodell unter vielen anderen - wenn auch ein recht erfolgreiches. Die Umstellung der Technik hielt kaum jemand vom Kauf ab. Das Auto wurde ebenso wie die frühen Golf zur typischen Erscheinung auf den Straßen während der 80er Jahre. Wirklich auffällig waren nur wenige der Kadetten: zum Beispiel der 85 kW/115 PS starke GTE, der gegen den erfolgreichen Golf GTI antrat.

Echte Raritäten waren damals wie heute die Cabrioumbauten einiger Anbieter, die jedoch nur wenige Käufer fanden. Was man vom Basismodell nicht sagen konnte: Das wurde bis zum Modellwechsel 1984 mehr als zwei Millionen Mal produziert. Und selbst zu diesem Zeitpunkt empfand man die technische Basis noch als so frisch, dass sie im folgenden Kadett E zum Einsatz kam. Opel hatte also vor 30 Jahren einen wirklichen Meilenstein geschaffen - dem man ruhig ein weinig Respekt zollen darf, wenn eines der verbleibenden Exemplare auf den Straßen entdeckt wird.

Quelle: ntv.de, mme/dpa

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