Spritverbrauch im Test Wunsch und Wirklichkeit
05.11.2007, 13:20 UhrDer Rohölpreis schleicht sich an die 100-Dollar-Marke, Diesel ist so teuer wie nie. Der Bahnstreik scheint direkt auf die Preistafel an der Tankstelle zu wirken und der Spritverbrauch des eigenen Autos liegt 20 Prozent über der Herstellerangabe. Das Wort "Fahrspaß" ist zur Zeit allenfalls noch mit ironischem Unterton gebrauchsfähig.
"AutoBild" bringt es ans Licht: Verbrauchswerte in den Hochglanzprospekten der Hersteller haben mit dem tatsächlichen Spritkonsum des Fahrzeugs nichts zu tun. Wer es schafft, das angegebene Verbrauchsmittel um weniger als 10 Prozent zu überschreiten, hat sich entweder eine vorbildliche Fahrweise angeeignet, oder bewegt seinen Wagen nur am Pfingstsonntag um fünf mit konstant 90 km/h über die A20 zwischen Pasewalk und Prenzlau.
Dabei ist es weder Heimtücke noch Vorspiegelung falscher Tatsachen, was die Autoproduzenten veranlasst, praxisferne Werte in ihre Verbrauchsangaben hinein zu schreiben. Der Spritkonsum wird nach einem gesetzlich reglementierten Verfahren ermittelt, das jeder Autofahrer für sein privates Fahrzeug beim TÜV nachvollziehen lassen kann. Nur: Die Versuchsanordnung kostet rund 3000 Euro. Zu viel, wenn sich am Ende damit gar nicht nachweisen lässt, dass der Hersteller falsche Verbrauchsangaben gemacht hat.
Denn: Das normierte Testverfahren hat vor allem eines zum Ziel – Vergleichbarkeit zu schaffen. Ob der ermittelte Verbrauchswert vom Kunden in der Fahrpraxis erzielt werden kann, scheint eher zweitrangig. Kein neues Auto, dessen Verbrauchsermittlung bevorstand, hat je eine Straße gesehen. Der so genannte EU-Normzyklus wird auf einem Rollenprüfstand gefahren, dauert nicht einmal 20 Minuten und simuliert mittels festgelegter Beschleunigungs-, Brems- und Standphasen die Fahrt durch Stadtverkehr oder über Land.
Ein Ventilator sorgt für "Fahrtwind"
Die Haube steht offen, ein Ventilator bläst künstlichen Fahrtwind gegen die Front. Das Gasgeben und Bremsen besorgen häufig Roboter und Witterungsbedingungen – die sich bekanntlich ebenfalls auf den Verbrauch auswirken können – sind in der Abgeschlossenheit des Labors gänzlich ausgeschlossen. "Was die Industrie macht", sagt Auto-Experte Prof. Ferdinand Dudenhöffer, "ist nicht unrechtmäßig, aber verständlich". Die Fahrzeuge würden "unter idealisierten Bedingungen" getestet und so kämen die praxisfernen Werte in die Prospekte.
Am Ende der exakt 1180 Sekunden dauernden Test-Prozedur wird nicht einmal im Tank nachgeschaut, wie viel nachgefüllt werden muss. Stattdessen wird auf der Grundlage der von hoch empfindlichen Sensoren gemessenen Abgaswerte errechnet, wie viel Kraftstoff das Fahrzeug auf einem tatsächlichen 100-Kilometer-Trip wohl verbrauchen würde.
Ferner gibt es außerhalb des normierten Testablaufs für die Automobilbauer einen Gestaltungsspielraum, den zu erwartenden Konsum ihres Fahrzeugs zu beeinflussen. Erhöhter Luftdruck zum Beispiel sorgt für weniger Rollwiderstand der Reifen – und folglich weniger Verbrauch. Spezielle Reifenprofile können den gleichen Effekt haben. Leichtlauföle, die für den Alltagsverkehr völlig untauglich wären, können die Reibung innerhalb von Motor und Getriebe so verringern, dass es sich ebenfalls positiv auf Verbrauch und Emissionen auswirkt. Selbst die Abstimmung der Übersetzung ist dazu geeignet, die Messwerte zu beeinflussen. Zwar ist das getestete Auto, wie gesetzlich gefordert, ein Serienfahrzeug, dennoch so optimiert, dass es den geringsten technisch erreichbaren Verbrauch zeigt.
So kommt es, dass Abweichungen von mehr als 50 Prozent zwischen Normwert und Praxistest gemessen werden. Auf einer 160 Kilometer langen Teststrecke mit Stadt-, Landstraßen und Autobahnanteil hat "AutoBild" zum Beispiel für den Mercedes G 55 AMG einen Praxisverbrauch von 24,3 Litern ermittelt – der Hersteller gibt 15,9 Liter als Durchschnittsverbrauch auf 100 Kilometer an.
Hybrid-Autos stehen als Spritschlucker da
Große Abweichungen zeigen nicht nur 500-PS-Boliden wie der Mercedes. Der KIA C'eed 1.4 (109 PS) schnitt mit 31 Prozent Abweichung nicht viel besser ab. Statt angegebener 6,1 Liter wurde ein Durchschnitt von 8 Litern gemessen. Die angeblich so sparsamen Diesel kommen bei dieser Auswertung auch nicht immer gut weg. Der Focus C-Max 1.6 TDCi wurde mit 6,7 (statt 4,9) Litern gemessen. Das sind 37 Prozent zuviel.
Noch bestens in Erinnerung ist die Empfehlung der Grünen-Politikerin Renate Künast, Hybrid-Autos von Toyota oder Lexus zu kaufen, da diese Fabrikate umweltpolitisch weitgehend unbedenklich seien. Der "AutoBild"-Test vermittelt einen anderen Eindruck: Der Toyota Prius wich auf der Teststrecke um 39,5 Prozent vom Normwert ab (sechs Liter statt 4,3), der Lexus RX 400 h gar um 48 Prozent (zwölf Liter statt 8,1). Ein Status als Öko-Autos lässt sich für diese beiden Kandidaten also in der Praxis nicht belegen, wohl aber die technische Kompetenz der Toyota-Ingenieure, ihre Autos optimal für den EU-Normzyklus einstellen zu können.
Toyotas Erklärung für die überraschenden Werte bei Auto Bild: "Der Hybridantrieb reagiert stärker als reine Verbrennungsmotoren auf die individuelle Fahrweise des Nutzers", sagt Peter Wandt, Manager Advanced Technologies bei Toyota. In der Beschleunigungsphase solle man zum Beispiel kräftig Gas geben, damit die Energie komplett aus dem drehmomentstärkeren Elektromotor komme. Zögerliches Gasgeben erhöhe den Verbrennungsanteil an der aufgewendeten Energie und treibe den Spritverbrauch nach oben. "Der Verbrauchsmonitor in unseren Hybridfahrzeugen hilft den Nutzern, optimal zu fahren. Für unsere interne Verbrauchsermittlung orientieren wir uns auch an dem ADAC-Ecotest-Verfahren, das deutlich lebensnäher ist, als das gesetzlich vorgeschriebene EU-Verfahren".
Neue Testverfahren werden gebraucht
"Die Hersteller täten gut daran", entgegnet Ferdinand Dudenhöffer, "Test zu machen, die sich mehr an der Realität orientieren". Die gegenwärtige Debatte beschädige aber nicht nur die Firmen, die in Verdacht gerieten, mit falschen Zahlen zu operieren, sondern auch die EU, die schließlich den Norm-Zyklus zum verbindlichen Standard gemacht habe, an dem sich alle orientieren müssen. Seine Empfehlung: Es müsse eine gemeinsame Initiative von Herstellern und Behörden geben, neue Messverfahren zu entwickeln, die dem Kunden ein realistisches Bild von den Eigenschaften seines Autos vermitteln.
Künasts Parteifreund Fritz Kuhn scheint begriffen zu haben, worum es geht: Seiner Überzeugung nach "sollten endlich neue Tests mit realitätsnahen Fahrzyklen entwickelt werden". Ob allerdings die Industrie mithilft, Verfahren zu entwickeln, die ihren Produkten höhere Verbräuche bescheinigen, als die jetzigen Tests, darf bezweifelt werden.
Quelle: ntv.de