Rustikaler Charme als Kult Der ewige Defender
11.04.2007, 06:00 UhrNicht alles, was als Automobil "Klassiker" genannt wird, verdient diesen Namen auch. Kein Zweifel an der Rechtmäßigkeit besteht freilich beim Land Rover Defender. Der knorrige Geländewagen, der nichts mit weich gespülten SUV oder so genannten Softroadern zu tun haben will, geht in sein 60. Produktionsjahr.
Und es gibt sogar noch Bauteile, die seit dem ersten Auftritt des Fahrzeugs auf der Amsterdamer Motor Show 1948 unverändert geblieben sind. Der Motor gehört natürlich nicht dazu, und Eingeweihte wissen, dass der es besonders nötig hatte, durch etwas Moderneres ersetzt zu werden. Die alte Pumpe-Düse-Maschine, die zwar zum Charakter des Autos, aber umweltmäßig nicht mehr in die Zeit passte, ist durch ein 2,4-Liter-Common-Rail-Aggregat ersetzt worden.
Dieser Ford-Motor treibt sonst einen Transit an, wurde für harten Geländeeinsatz optimiert und mit einem Sechsgangs-Schaltgetriebe kombiniert. Das Paket ergibt mehr Laufruhe, mehr Drehmoment (360 Nm) und gleiche Leistung (122 PS). Da der Defender wegen des reichlich verbauten Aluminiums nur 1.705 Kilogramm wiegt, ist man damit auch recht flott unterwegs.
Zweite wesentliche Veränderung ist ein neu gestaltetes Armaturenbrett, das jetzt so etwas wie einen Hauch von Ergonomie verströmt, die Bedienung einer wirksamen Heizung enthält und Instrumente, die deutliche Verwandtschaft mit dem Modell Discovery zeigen. Schließlich hat der neue Defender nun Sitze, die ihren Namen verdienen, erlauben sie doch längere Aufenthalte an Bord, ohne dass man anschließend eines Physiotherapeuten bedarf. Außerdem zeigen sie alle in Fahrrichtung und sind als "Kino"-Bestuhlung ansteigend angeordnet. Das war's auch schon.
Weitere Innovationen sucht man vergebens und die treue Defender-Gemeinde findet das auch gut so. In Deutschland werden jährlich um die 1.500 Stück verkauft, nicht obwohl, sondern gerade weil er ein Unikum ist, das weder nach Airbags noch einer verstellbaren Lenksäule verlangt und beim EuroNCAP-Crashtest wahrscheinlich mit Mühe einen Punkt holen würde. Mit Faltverdeck oder offener Ladefläche, als "90er" oder "110er" findet er seine Freunde, die das Urvieh ungeachtet aller Unzulänglichkeiten verehren. Es gehört zum Abgrenzungsritual, dass der kundige Landroverfahrer die von ihm bevorzugte Variante am Radstand und in Zoll statt Zentimetern misst. Beim 90er sind es knapp 229 Zentimeter.
Und wie fährt sich so ein rollender Anachronismus? Jeder, der einsteigt, weiß, worauf er sich einlässt. Und jeder, der das gähnende Schlammloch vor sich sieht, weiß, "mir kann nichts passieren". Getriebeuntersetzung und Sperrdifferenzial sorgen dafür, dass es für den ewigen Defender fast keine Hindernisse gibt. Und natürlich macht es Spaß, sich über seifiges Geläuf zu wühlen. Schade nur, dass ABS und Traktionskontrolle, die im Gelände ebenso nützlich sind wie auf der Straße, mit 1.760 Euro extra erkauft werden müssen. Die On-Road-Qualität: Namentlich in der verkürzten Kabine der Pick-Up-Version ist man nicht in der Gefahr, durch allzu entspannte Körperhaltung die Aufmerksamkeit fürs Verkehrsgeschehen einzubüßen.
Der rustikale Charme des Unverwüstlichen zeichnet ihn aus, dazu die Extravaganz, eine Position wie "seitliche Fenster (hinten, öffnend)" für 380Euro auf der Liste der Sonderausstattung zu führen. Die militärische Attitüde des Gefährts trifft den Nerv nicht nur von Landwirten und Handwerksmeistern, sondern zunehmend auch von Ärzten und Rechtsanwälten. Defender fahren ist Kult und die notwendigen Einschränkungen der Bequemlichkeit werden durch einen Faktor mehr als wett gemacht: Man ist unverwechselbar. Und dafür lohnt es sich allemal, 24.800 Euro (in der Einstiegsversion mit Soft-Top) auszugeben, oder?
Axel F. Busse
Quelle: ntv.de