Offroad-Report aus Afrika Der neue Jeep Cherokee
07.02.2005, 07:08 Uhrvon Axel F. Busse
Vor mehr als 60 Jahren zunächst für die US-Armee konzipiert gebaut, wurde der "Jeep" zum Synonym für eine ganze Fahrzeuggattung. Inzwischen sind Geländewagen bei vielen Herstellern zu trendigen SUV (Sports Utility Vehicles) mutiert, deren Einsatzort häufig die Strecke von der Vorstadtvilla zur Privatschule ist. Zur artgerechten Haltung urwüchsiger Allradler gehört aber eine andere Umgebung. Ein Offroad-Report aus dem südlichen Afrika.
Michael hält sein Lenkrad fest umklammert. Geschickt steuert er sein Gefährt erst durch eine kleine Pfütze, dann über ein paar Schaufeln Sand, schließlich einen Geröllhaufen hinauf und an der anderen Seite wieder herunter. Die Umstehenden applaudieren.
Der vollständige Name des 12-jährigen ist Michael Inambao Marumo. Sein Lenkrad ist ein mit Isolierband umwickelter Draht und das Auto am Ende der Metallstange ein Drahtgeflecht. Aber die Silhouette des selbstgebauten Vehikels auf dem Mini-Parcours weist es eindeutig als Jeep aus. Auf dem Schulhof in dem kleinen Ort Mabele im Norden Botswanas stehen noch 28 echte Jeeps. Besucher aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Australien haben sie dorthin gefahren, im Gepäck leuchtend blaue Uniformen für die 179 Schülerinnen und Schüler der Mabele School.
Lebensraum Savanne
Die Blechkarawane aus funkelnagelneuen Jeeps ist Teil einer außergewöhnlichen Fahrzeugpräsentation. Das Auto hat neue Motoren und Getriebe bekommen. In Kürze soll es auch Kunden in Deutschland zur Verfügung stehen. Seine wahre Bestimmung findet dieser Allradler aber nicht auf neonbeleuchteten Boulevards, wo inzwischen die meisten so genannten Offroader bewegt werden. Die Savanne ist für den Jeep eine Art natürlicher Lebensraum, artgerechte Haltung für wildes Wesen.
Die Qualitäten des Jeeps lassen sich aber am besten in unwegsamem Gelände erfahren, und davon gibt es im Grenzgebiet zwischen Botswana, Zambia und Namibia mehr als genug. Drei Tage sind die Autotester aus Europa und Übersee über die sprichwörtlichen Stock-und-Stein-Pisten unterwegs, lassen ihre Fahrzeuge durch knietiefe Wasserlöcher waten, durchpflügen knöcheltiefe Sandmulden und queren Furchen, so dass manchmal an Vorder- und Hinterachse nur noch jeweils ein Rad Bodenkontakt hat.
Der Zwischenstopp an der Schule in Mabele ist für den Konzern DaimlerChrysler, der Inhaber der Marke der Jeep ist, mehr als mildtätige Publicity. Man wolle nicht wie eine Horde Außerirdischer in dieses Gebiet einfallen, die Eigenheiten der Landschaft für das Produkt ausnutzen und wieder verschwinden, erklärt Vertriebsmanager Walter Scherg: „Wir wollen uns bedanken und etwas zurücklassen, was den Menschen hier nützt“. Das sind in diesem Falle nicht nur Schuluniformen, Bücher und Spielsachen für die an die Schule angegliederte Tagesstätte, sondern auch eine Wasserleitung, neue Fenster und neuer Putz für das Schulgebäude gehen auf das Konto von DaimlerChysler.
Vorbei an Elefanten
Der schlaksige 26-jährige Schwarze, den alle nur "Reggie" nennen, kann am besten beurteilen, welche Vorteile dieses soziale Engagement für die Kinder bringt. Als er hier in Mabele zur Schule ging, glich das Haus einer Ruine. Aber er hat mit Energie und Ausdauer eine Ausbildung absolviert, heute ist er Ranger im nahe gelegenen Chobe National Park. Das 11.000 Quadratmeter große Schutzgebiet wurde bereits 1967 eröffnet und ist einer der Hauptschauplätze dieser "Jeep Adventure". Reggie und seine Kollegen führen die Testfahrer vorbei an Elefanten und Büffeln, Giraffen, Antilopen und Warzenschweinen.
Kritisch beäugt ein Jungbulle die passierenden Geländewagen. Fremd dürften ihm die vierrädrigen Eindringlinge nicht sein, denn Touristensafaris führen immer wieder entlang der Wege, die die Elefanten täglich zum Chobe-Fluss nehmen. Seit Monaten hat es in diesem Teil des südlichen Afrika nicht mehr geregnet, der schmaler gewordene, aber beständige Wasserlauf ist die Lebensader des Busches, der Heimat für die unterschiedlichsten Tiergattungen ist. Das tonnenschwere Tier scharrt mit dem Vorderfuß und hebt den Rüssel, Zeit für die Testfahrer, kräftig Gas zu geben?
"Der will Selbstbewusstsein demonstrieren und seiner Mutter zeigen, dass er schon ein ganzer Kerl ist", sagt Rob Clifford, der ebenfalls ein erfahrener Park Ranger und Reggies Chef ist. Und richtig: Die Mutter zeigt der Fahrzeugkolonne längst das massige Hinterteil und hat sich wieder den wenigen grünen Blättern zugewandt, die es am Wegesrand noch zu äsen gibt. Auch der Jungbulle dreht ab.
"Erwarte das Unerwartete" ist Duncan Barbours Ratschlag für die Fahrt durch den Busch. Wer als Wanderer vor dieser abschüssigen Geröllpiste steht, würde wahrscheinlich einen Umweg in Kauf nehmen. Aber Duncans Daumen deuten nach rechts. "Ein wenig mehr Lenkeinschlag" bedeutet das, mitten hinein in die Furche. Duncan ist der Chef-Instructor für die Offroad-Sektionen und es ist die Aufgabe des robusten Schotten, solche Kommandos zu geben. Der Jeep soll an seine Grenzen gebracht werden, was offenkundig gar nicht so leicht ist. Ein Rad hängt in der Luft, während das andere fast zur Hälfte unterm Kotflügel verschwindet. Gleichgültig, ob mit 2,8-Liter-Diesel oder 3,7-Liter-Benziner, der Jeep wühlt empor zur nächsten Anhöhe.
"Das Auto kann eigentlich noch mehr", ist Walter Scherg sicher. Wie viel genau, ist an diesem Tage nicht zu erfahren, denn weder muss ein Fahrerteam vor einer Aufgabe kapitulieren, noch kommt eine der Winden zum Einsatz, mit der die Führungsfahrzeuge ausgerüstet sind. Gefährlicher als südafrikanische Topografie ist ohnehin die menschliche Unzulänglichkeit. Duncans zweiten Ratschlag, das eigene fahrerische Vermögen und nicht die Möglichkeiten des Jeeps zum Maßstab zu nehmen, haben am Schluss denn doch nicht alle Testfahrer beherzigt.
Die Kinder von Mabele stampfen mit den Füßen und klatschen in die Hände. "I love you Jeepy, I love you Jeepy", klingt es aus 50 Kehlen, die Besucher lachen und klatschen mit. Gleich werden sie die nächste Etappe ihres Busch-Abenteuers in Angriff nehmen. Ob deutsche Kunden vergleichbare Liebesbekenntnisse zu dem Geländewagen abgeben, muss sich erst erweisen, vor wenigen Tagen wurde überarbeitete Typ Cherokee in Deutschland vorgestellt. Wer ihn zu Preisen ab etwa 30.000 Euro kauft, kann allerdings sicher sein, ein Original zu erwerben. Auch Tesa und Tempo sind teurer als ihre Nachahmungen.
Quelle: ntv.de