Unterwegs im Cayman S „Elfer" fahren zum Vorzugspreis
04.09.2006, 18:08 Uhrvon Axel F. Busse
Wer sich mit der Marke Porsche beschäftigt, braucht nach Superlativen nicht lange zu suchen: Das beste Marken-Image, die höchste Rendite, die stabilsten Wiederverkaufswerte - und nun auch noch der preisgünstigste Neun-Elfer? Das ist zwar etwas geschummelt, denn offiziell heißt das Auto ja „Cayman S. Aber wie es sich fährt ?
Eingefleischte Elfer-Fans werden sich auf solch ein Gedankenspiel nicht einlassen und darauf beharren, dass der „einzig wahre Porsche der Carrera und sowieso unvergleichlich ist. Und natürlich gibt es wesentliche Unterschiede. Da sind die beiden zusätzlichen Sitze, die den Elfer (zumindest theoretisch) zum Viersitzer machen. Da ist der Heckmotor, während der Cayman seine Kraftquelle vor der Hinterachse hat.
Was hat denn den „Elfer zu dem Mythos gemacht, von dem er nun schon mehr als 40 Jahre lebt? Fahrdynamik, Spaß am Lenkrad, ein sportlicher Dialog zwischen Mensch und Maschine. Genau das steckt im Cayman S, auch wenn er häufig als „Boxster mit festem Dach verunglimpft wird. Klar steckt im 911er mehr Prestige, aber ist das wirklich 19.372 Euro wert? So groß ist nämlich der Preisunterschied zwischen dem Carrera Coupé und dem Cayman S.
Sexy Rückansicht
Um nicht missverstanden zu werden: Der Cayman S ist alles andere als ein Sonderangebot. Für den Grundpreis von rund 58.500 Euro ist das Auto fast nackt, wer die hervorragenden Sportsitze (die serienmäßigen sind auch nicht schlecht) ordert oder Keramikbremsen, Bi-Xenonscheinwerfer oder das verstellbare Fahrwerk ist schnell bei 70.000 oder darüber angekommen. Dafür bietet der Cayman S aber auch ein Fahrvergnügen, das selbst von einem 911er nicht übertroffen werden kann.
Das feste Dach macht die Karosseriestruktur des ehemaligen Boxster noch steifer, Verwindungen, die sich in Geräuschen bemerkbar machen, sind praktisch ausgeschlossen. Das Hinterteil des Autos ist mit seinen geschmeidig ausgeformten Radläufen und der dazwischen liegenden Heckklappe richtig sexy. Der Mittelmotor sorgt nicht nur für eine ausgewogene Gewichtsverteilung, sondern auch für ordentlich Krawall im Innenraum, wenn es mal mit über 5000 Umdrehungen richtig kernig zur Sache geht.
Lenkung und Bremsen sind - wie bei Porsche gewohnt - über jeden Zweifel erhaben. Auch auf kurvigen Landstraßen kann man getrost den Tempomat aktivieren und mit kurzen, präzisen Bewegungen das Auto um die Ecken dirigieren - der Cayman klebt förmlich an der Fahrbahn und ist unter normalen Bedingungen nicht aus der Ruhe zu bringen. Als gut dosierbar und herzhaft zupackend erlebte der Tester die Keramikbremsen des Fahrzeugs. Ob sie allerdings die ihr zugeschriebene erhöhte Standfestigkeit bei extremer Belastung haben und damit den Mehraufwand von immerhin 8500 Euro rechtfertigen, könnte nur eine Vergleichsfahrt mit beiden Systemen klären.
Der Innenraum des Cayman S ist frei von Überraschungen. Die tiefe Sitzposition vermittelt eine sportliche Perspektive zum Geschehen draußen, die Sicht nach hinten ist naturgemäß eingeschränkt und wird auch durch Ausnutzen des rückwärtigen Laderaums über der Motorabdeckung nicht besser. Ein bekannter Schwachpunkt in der Funktionalität sind die winzigen Tasten auf der Mittelkonsole, die Bedienung von Telefon- oder Audiofunktionen zum Glücksspiel werden lassen können. Gleichwohl ist alles logisch aufgebaut und intuitiv beherrschbar.
Saftiger Boxer-Sound
Ein akustisches Vergnügen ist der saftige Sound des Sechszylinders, den die Insassen hier am unmittelbarsten von allen Porsche-Produkten genießen können. Natürlich ist der Cayman S dank eines ordentlichen Drehmoments auch in niederen Drehzahlen und entsprechend unaufgeregt zu bewegen. Richtig Freude kommt aber erst in Bereichen um die 4000 Touren auf. Mittels der knackigen Sechsgang-Handschaltung ist die Drehzahl spurtstark in Vortrieb umgesetzt. Training für Wade und Knie bedeutet jede Staufahrt, denn der notwendige Kupplungsdruck ist enorm.
Beim Blick auf die Leistungsdaten ist der Vergleich mit dem „großen Bruder unvermeidlich. Das Leistungsgewicht von 4,5 Kg je PS beim 911er liegt nur unwesentlich unter dem des Cayman S (4,8). Der Unterschied in der Höchstgeschwindigkeit (285 zu 275 km/h) ist angesichts der Verkehrssituation auf deutschen Straßen ebenfalls von theoretischer Bedeutung. Im Spurt liegt der 911 Carrera erwartungsgemäß mit vier Zehnteln vorn (5 Sekunden zu 5,4 von 0 auf 100 km/h), denn die 30 PS mehr und das um 30 Newtonmeter höhere Drehmoment müssen sich ja irgendwo auszahlen.
Und dennoch: Mehr als 19.000 Euro Preisdifferenz bedeuten, dass jede Pferdestärke im 911er 240 Euro kostet, während sie beim Cayman für 198 zu haben ist. Und niemand kann bestreiten, dass 410 Liter Gepäckvolumen (Cayman) gegenüber 135 Litern (911) einen Vorteil bei der Planung von Kurzreisen darstellen. Laut Werksangabe soll der Cayman S im Schnitt mit 9,5 Liter Superplus zu bewegen sein. Realistischer sind da schon Werte zwischen 11 und 12 Litern, denn wozu Porsche fahren, wenn der Spaß zu Hause bleiben muss?
Fazit: Der Cayman S bietet extrem viel Fahrvergnügen und Nutzwert bei einem für Porsche-Verhältnisse moderaten Preis. Der gerade vorstellte Cayman mit seinem 2,7 Liter-Motor und 50 PS weniger als die „S-Variante dürfte diese Gewichtung zugunsten der Modellreihe noch verbessern.
Quelle: ntv.de