Praxistest mit Wohlfühlfaktor Expedition im Westfalia Amundsen
30.08.2015, 09:19 Uhr
Der Westfalia Amundsen540D ist ein kompakter Reisebegleiter, der vor allem wegen seiner Größe einige Vorzüge hat.
Stolze 192.000 Besucher zog der Caravan-Salon Düsseldorf vergangenes Jahr an. Dass es dieses Jahr (vom 29. August bis 6. September) deutlich weniger werden, ist nicht zu erwarten. Einer der Vorjahres-Neulinge stellte sich jetzt dem n-tv.de-Praxistest.
Mit mehr als 16.500 Einheiten ist der Fiat Ducato unangefochtener Spitzenreiter bei den Basisfahrzeugen der deutschen Wohnmobile. Die nahe Bielefeld beheimatete Firma Westfalia hat daraus ihr Modell "Amundsen" gemacht. Auch wenn das frontgetriebene Fahrzeug für einen Einsatz im Südpol nicht ausgelegt ist, bietet der 5,40 Meter lange Reisebegleiter gute Voraussetzungen für einen erholsamen Urlaub. In einer relativ kompakten Karosserie stecken ein hohes Komfort-Niveau und ein wirtschaftlicher Motor.
Unseren niederländischen Nachbarn wird nur allzu gerne nachgesagt, sie seien ein fahrendes Volk von Wohnwagenbesitzern. Dass der Urlaub mit dem eigenen Bett im Gepäck auch hierzulande immer beliebter wird, zeigen nicht nur die wachsenden Besucherzahlen bei den Caravan-Salons in Düsseldorf, sondern auch die steigenden Neuzulassungen von Wohnmobilen. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres setzte sich der anhaltende Aufwärtstrend um noch einmal zehn Prozent Zuwachs gegenüber dem Vorjahreszeitraum fort.
Müheloses Mitschwimmen
Gerade wenn man zu zweit seine Reise antritt, ist der Amundsen ein ideales Gefährt. Einerseits erlauben die relativ kompakten Abmessungen einen großen Aktionsradius, auch enge Innenstädte sind kein Tabu. Andererseits muss man dank der vollständigen Ausstattung mit Küchenzeile, Sitzgruppe, Doppelbett und Nasszelle nur geringe Kompromisse in Sachen Komfort machen. Unter dem im hinteren Wagenteil quer untergebrachten Bett befindet sich ein großer Stauraum, der durch bewegliche Liegeflächen sogar noch erweitert werden kann. Einzelreisende können da zum Beispiel ihr Fahrrad oder eine umfangreiche Sportausrüstung parken.
Das Testfahrzeug war mit einem 2,3 Liter großen Vierzylinder-Diesel ausgestattet, der 148 PS leistet. Sein Drehmoment von 350 Newtonmetern macht ihn so kraftvoll, dass man auf der Autobahn mühelos mitschwimmt und sich auch bei Ausflügen auf die linke Spur nicht von jedem Dahergefahrenen dumm kommen lassen muss. Die Motorleistung wird auf die Vorderachse übertragen und mit einem Sechsgang-Getriebe portioniert. Während die Räder vorn einzeln aufgehängt sind, ist hinten eine Starrachse mit Blattfedern montiert. Gemessen an der Tatsache, dass man mit einem Mindestgewicht von gut 2,8 Tonnen und dem cw-Wert einer Schrankwand unterwegs ist, konsumiert der Motor seinen Kraftstoff erstaunlich bescheiden: Auf rund 1000 Kilometer Testfahrt begnügte er sich mit 8,5 Litern je 100 Kilometer. Eine Stopp-Start-Funktion kostet allerdings Aufpreis.
Der rechtwinklige Aufbau sowie die großen Außen- und Zusatzspiegel machen das Manövrieren einfach. Wer ganz sicher gehen - besser fahren - will, bestellt sich eine Rückfahrkamera, die aber nur genutzt werden kann, wenn auch ein Navigationssystem installiert an Bord ist. Für beides zusammen ist ein Aufpreis von etwa 1300 Euro zu entrichten. Ebenfalls aufpreispflichtig ist die Geschwindigkeitsregelanlage, für die 279 Euro berechnet werden. Das sind rund 50 Euro weniger, als Fiat von seinen Ducato-Kunden für den Tempomat verlangt. Teurer als bei Fahrgestellherstellern ist der optionale 120-Liter-Tank, den man aber wegen des genügsamen Selbstzünders nicht wirklich braucht.
Praktische Faltrollos
Die komfortablen Reisesessel des Cockpits (beide mit klapp- und verstellbaren Armlehnen) sind um 180 Grad drehbar, so dass vier Personen an dem dahinter einhängbaren Klapptisch Platz finden. Nur als Teil des "Westfalia Plus Pakets" erhältlich sind die sehr praktischen Faltrollos fürs Fahrerhaus. Sie manchen die umständliche Befestigung von Verdunklungsfolien überflüssig, bieten zuverlässigen Sonnen- und Sichtschutz und verschwinden während der Fahrt komplett in ihren fest montierten Rahmen. Wer die optionalen Dachfenster bestellt, sollte darauf gefasst sein, dass die dünnen Faltrollos durch Berührung oder Luftzug aus der Form geraten können. Sie sind aber leicht wieder in ihre Laufschienen zurück zu drücken. Zum Plus-Paket für 3190 Euro gehören unter anderem noch eine Klimaanlage, LED-Leuchtstreifen in den Dachstaukästen, eine Fliegenschutztür und elektrische Außenspiegel. Der Hersteller spricht von einem Kostenvorteil von 2265 Euro gegenüber Einzelbestellung.
Am Heck öffnet die zweiflügelige Portaltür ungehinderten Zugang zum Gepäck. Sollten es Tageszeit oder Wetter nicht sinnvoll erscheinen lassen, durch die Hecktür auf den Stauraum zuzugreifen, ist dies auch von innen möglich. Die beiden Fenster im Heck sind mit Verdunklungsrollos und Moskitonetzen versehen. Mittels eines zusätzlichen Hebels ist die Tür vom Bett aus zu öffnen. Die Liegefläche ist mit punktelastischen Kunststoff-Federelementen und einer Kaltschaummatratze ausgestattet, so dass es am Schlafkomfort nichts auszusetzen gibt. Leseleuchten sind an der Unterkante der Dachschränke eingelassen. Unter dem 1,30 Meter breiten Nachtlager finden die Koffer und Taschen der Reisenden Platz, Proviant, der keiner Kühlung bedarf sowie Campingtisch – und Stühle, sofern man auf sie nicht verzichten will. Eine Außenmarkise ist für 929 Euro bestellbar.

Je nach Ausstattung bleibt hinter der Heckklappe noch ausreichend Platz für das Reisegepäck.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Insgesamt stellte der umfangreich ausgestattete Testwagen einen Gegenwert von 51.424 Euro dar. Auch auf dem Wohnmobil-Sektor sollte man auf Preisvergleiche nicht verzichten: Wer beispielsweise in einen Ford Nugget einsteigt, wird bei weniger Platz und ohne Nasszelle, 3000 Euro mehr berappen müssen.
Über den Gepäckraum sind der Ablasshebel für den Frischwasser-Behälter (90 Liter) sowie die Butan-Gasflasche erreichbar, die den Herd versorgt. Sie konnte platzsparend auf ein Volumen von 2,8 Kilogramm reduziert werden, denn die 4 kW-Zusatzheizung von Truma zieht ihren Brennstoff aus dem Dieseltank. Wer unschöne Kalkflecken auf der linken Außenseite des Fahrzeugs vermeiden will, füllt den Wassertank vor der Abfahrt nicht "Oberkante Unterlippe", damit das wertvolle Nass bei Sonneneinstrahlung Raum zum Ausdehnen hat. Der Unterflur-Abwassertank sitzt zwischen den Achsen, fasst ca. 100 Liter und wird mit Hilfe eines Bowdenzug-Griffs von außen entleert.
Einkaufsnaher Kühlschrank
Unter der rechtsseitigen Schiebetür ist eine elektrisch ausfahrbare Trittstufe vom Ausrüster Thule montiert, die auf 150 Kilogramm Tragkraft ausgelegt ist. Aber allzu beleibt sollte man ohnehin nicht sein, denn natürlich ist die Ducato-Hülle kein Tanzsaal. Der Hochdach-Kastenwagen hat standardmäßig ein Volumen von 11,5 Kubikmetern, in dem die Westfalia-Einbauten untergebracht werden müssen. Wertvoll ist die durchgehende Stehhöhe Eine gelungene Neuerung gegenüber dem Vorgängermodell ist der Kühlschrank (65 Liter), der unter dem zweiflammigen Gasherd sitzt und dessen Tür in Fahrtrichtung weist. Sie hat einen Öffnungswinkel von etwa 230 Grad, so dass man einen Lebensmitteleinkauf direkt aus der Supermarktkarre in die Kühlfächer stapeln kann. Die Kühlleistung ist einstellbar.
Gegenüber von Spülbecken und Küchenschränken (dessen selbst einziehende Schubfächer Freude bereiten), ist die Nasszelle montiert. Auch wenn die Innenmaße von 82 x 78 Zentimetern die Verwendung des Begriffs "Zelle" nicht unangemessen erscheinen lassen, ist es doch erstaunlich, was dort alles untergebracht ist. Der Fußboden ist als Duschwanne ausgeformt, das Waschbecken hat eine ausziehbare Armatur. Dazu kommen Spiegel, Wandablagen, Handtuch- und Duschvorhanghalter sowie die Kassettentoilette mit drehbarem Sitz. Westfalia verwendet hier das in vielen Camping- und Wohnmobilen bewährte Fabrikat Thetford C 250 S. Auch wenn Nutzer vereinzelt von unzuverlässiger Sensorik der Füllstandsanzeige berichtet haben, ist es doch ein unbestreitbarer Komfortgewinn, die Toilette an Bord zu haben. Die Entsorgung ist mit wenigen Handgriffen erledigt, der von außen zugängliche Behälterkasten mittels externem Brauseschlauch im Nu gereinigt. Lediglich die Schließmechanik der nach innen und außen öffnenden Badtür zeigt noch Optimierungspotenzial.
Fazit: Der Westfalia Amundsen 540 D ist ein rundum praktischer und angenehm komfortabler Reisebegleiter. In ihm versammelt sich die Erfahrung eines Spezialfahrzeug-Herstellers, der allein in den letzten fünf Jahren rund 12.000 Freizeitmobile auf die Straße gebracht hat. Bei einem Startpreis von 41.390 Euro (mit 115-PS-Diesel, ab Saison 2016) bietet es viel Wohnwert fürs Geld. Ein umfangreiches Angebot an Zusatzausstattungen erhöht die Bequemlichkeit und sogar ein Allradantrieb ist zu haben. Vielleicht klappt es dann ja sogar noch mit der Südpol-Expedition.
DATENBLATT | Westfalia Amundsen 540D |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 5,41 x 2,01 x 2,60 m |
Leergewicht (DIN)/ Zuladung | 2785 kg / 515 kg |
Schlaf-/Sitzplätze | 2-3/4 |
Batteriekapazität | 2 x 95 Ah |
Kühlschrank | 65 l |
Gasvorrat | 2.8 Kg Butan |
Standheizung | Warmluft 4 kW mit Zeitschaltuhr |
Frisch-/Abwassertank | 90 /100 l |
Motor | Vierzylinder-Turbodiesel mit 2287 ccm Hubraum |
Getriebe | 6-Gang manuell |
Leistung | 148 PS bei 3500 U/min |
Kraftstoffart | Diesel |
Antrieb | Frontantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 155 km/h |
max. Drehmoment | 350 Nm bei 1500 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | k.A. |
Testverbrauch | 8,5 l |
Tankinhalt | 90 l / 120 l optional |
Effizienzklasse | B |
Grundpreis | 43.175 Euro |
Preis des Testwagens | 51.780 Euro |
Quelle: ntv.de