Praxistest

Zwischen Boulevard und Gelände Jeep Cherokee - Pfadfinder und Stadtindianer

Wer einen Jeep Cherokee fährt, macht nicht nur im Wald eine gute Figur.

Wer einen Jeep Cherokee fährt, macht nicht nur im Wald eine gute Figur.

(Foto: Holger Preiss)

Der Jeep Cherokee hat sich gewandelt, seit Fiat bei Chrysler eingestiegen ist. Nicht jedem Fan des US-amerikanischen Offroaders dürfte die neue Optik gefallen. Aber kann der Indianer jetzt auch mehr als seine Ahnen?

Es gibt wohl kaum eine Marke, die in der Wahrnehmung des autoaffinen Publikums mehr vom Hauch der Freiheit umweht wird als Jeep. Seit 1941 bauen die US-Amerikaner echte Geröllwanderer, erst für das Militär, später dann auch für den zivilen Bereich. Immer aber mit der Abenteuerlust ihrer Klientel im Hinterkopf. Allerdings wechselten mit den Käufern der Marke über die Zeit auch die Strategien, wie so ein Jeep auszusehen hat. Als 1984 der Cherokee, damals unter der Ägide von Chrysler, das Licht der Welt erblickte, entstand praktisch das erste Mittelklasse-SUV der Welt. In seiner Art einzigartig, begeisterte es damals das Publikum auf Anhieb. Stand doch die Marke bereits zu dieser Zeit für puren Offroad-Spaß. Wobei die dem Ur-Jeep entlehnte Kastenform, mit den großen runden Scheinwerfern, dieses Gefühl noch untermauerte.

Für Gelände und Boulevard?

Auch am Heck ist der Cherokee eleganter geworden als seine Vorgänger, hat aber kaum von etwas von der Wucht eingebüßt.

Auch am Heck ist der Cherokee eleganter geworden als seine Vorgänger, hat aber kaum von etwas von der Wucht eingebüßt.

(Foto: Holger Preiss)

Aber die Zeiten haben sich geändert, Geschmäcker sich gewandelt und die Verantwortlichkeit für den Jeep ist von Chrysler auf Fiat übergegangen. Und da die Italiener ein von der Mode inspiriertes Volk sind, haben sie dem Cherokee in seiner fünften Auflage ein modernes Gesicht gegeben. Für die eingefleischten Fans des Indianers mit den großen runden Scheinwerfern war das ein Schlag ins Gesicht. Blickt der Offroader doch jetzt aus sehr schmalen Augen in die Welt und fletscht seine markanten sieben Lufteinlässe an der Front wie ein bissiger Hund die Zähne. Da ist nicht mehr viel von der einstigen Wucht und den Pausbacken. Windschnittig und stylisch soll es jetzt über Waldwege und durch Schluchten gehen. Aber Obacht! Natürlich ist der Cherokee ein Jeep, aber für schweres Gelände ist er dennoch nicht in allen Varianten tauglich. Als Stadtindianer gibt er vielmehr die interessante und preiswerte Alternative zu einem Range Rover Evoque.

Der 2.0 Liter MultiJet ist ein ausreichend starkes und recht genügsames Triebwerk.

Der 2.0 Liter MultiJet ist ein ausreichend starkes und recht genügsames Triebwerk.

(Foto: Holger Preiss)

Den Einstieg bei den Briten liefert ein 2,2 Liter Diesel mit 150 PS. Bei Jeep wäre der äquivalente Motor im 2.0 Liter Multijet zu suchen. Der leistet 140 PS und verteilt bei Bedarf 350 Newtonmeter permanent an alle vier Räder. Entsprechend den Gegebenheiten der Straße geschieht das automatisch oder nach den Wünschen des Fahrers. Der kann nämlich über einen Drehsteller entscheiden, ob die Traktion sich auf Schnee, Matsch, Sand oder auf eine sportliche Fahrweise einstellen soll. Wie das Rädchen auch gedreht wird, die Reaktion des Wagens ist überraschend souverän. Was auch darauf hinweist, dass Fiat sich über die Jahre eine Allradkompetenz erarbeitet hat.

Da hakelt was

Unangenehm stößt die schwergängige und bisweilen hakelige Sechsgangschaltung auf. Gerade beim Überholen, wo ein schneller Gangwechsel für zusätzlichen Schub sorgt, muss man kräftig arbeiten, um den Wahlhebel durch die Gassen zu führen. Hier wünscht man sich das Automatikgetriebe, aber das bietet Jeep erst mit der nächsthöheren Motorisierung an. Das ist umso ärgerlicher, weil Motor und Getriebe in dieser Art auch in vielen anderen Fiat-Modellen verbaut werden. Zum Beispiel im 500X oder im Freemont.

Der Innenraum sieht schick aus, leider stimmen die Materialien nicht an allen Stellen.

Der Innenraum sieht schick aus, leider stimmen die Materialien nicht an allen Stellen.

(Foto: Holger Preiss)

Schade, denn das Aggregat arbeitet gut. Kraftvoller, als man es bei den schon erwähnten 140 PS annehmen würde, zieht er den 1,9 Tonnen schweren Cherokee in 12 Sekunden auf Tempo 100. Wer ausdauernd ist, wird es mit schwerem Gasfuß auf eine Endgeschwindigkeit von 189 km/h bringen, wobei der anfangs kernige Ton des Triebwerkes sich nach einer Aufwärmphase in eifriges Brummen verwandelt. Mit Freude darf auch die Genügsamkeit zur Kenntnis genommen werden. Der 2,0-Liter Multijet genehmigt sich - und das bei vermehrten Stadtfahrten - nicht mehr als 6,7 Liter auf 100 Kilometer. Aber da wir gerade bei Freud und Leid sind, wollen wir einen Blick ins Innere des Cherokee werfen. Über zu wenig Platz muss hier auf keinem der Sitze geklagt werden, lediglich der Kofferraum fällt mit 412 Litern für diese Klasse etwas schmal aus. Immerhin sind das 178 Liter weniger als im Evoque.

Der Trick hinter dem Lenkrad

Die Sitze selbst sind ab der Ausstattung Limited mit schwarz-braunem Leder bespannt und geben sich straff und konturbetont. Hochgewachsene Fahrer könnten unter Umständen über eine zu kurze Oberschenkelauflage klagen. Angenehm wuchtig liegt das große, ebenfalls mit Nappa bespannte Lenkrad in der Hand, von dem sich alle wesentlichen Funktionen, die auch in der Matrix angezeigt werden, steuern lassen. Spätestens dann, wenn man wutschnaubend entdeckt hat, dass die Lautstärkeregler nicht an der Front der Lenkradspeichen, sondern an ihrer Rückseite angebracht sind. Dort wechselt man auch den Radiosender oder switcht, um die eigenen Songs vom Smartphone zu hören.

Die Kommandozentrale: leicht zu durchschauen und sehr funktional.

Die Kommandozentrale: leicht zu durchschauen und sehr funktional.

(Foto: Holger Preiss)

Die Kommandozentrale für die Bedienung ist aber der 8,4 Zoll große TFT-Monitor in der Mittelkonsole. Über ihn lassen sich die zweistufige Sitzbelüftung und -beheizung und die Lenkradheizung ebenso bedienen wie die Klimaanlage, das Navi oder Telefon. Ein hübsches Feature ist die Bild-in-Bild-Funktion. Hier kann zum Beispiel in das Radiomenü das Straßenbild eingeblendet werden. Das ist ganz einfach, denn die Menüführung ist selbsterklärend und erfreut genauso wie die problemlose Kopplung des Smartphones über Bluetooth.

Plastik an der falschen Stelle

Eingebettet ist die Schaltzentrale in einen Rahmen aus Plastik, die leider auch so aussieht. Fiat hat versucht, dem Interieur eine wertige Anmutung zu geben, aber das ist nicht an allen Stellen gelungen. Da wäre zum Beispiel die mit weich geschäumter Plastik überzogene Armatur. Warum die noch mit einer Ziernaht versehen werden musste, wie man sie von Lederbezügen kennt, wissen nur die Designer. Letztlich richtet das den Fokus nur darauf, dass es sich hier eben nicht um eine solche Bespannung handelt. Richtig konterkariert wird die gefällige Optik aber durch den Kunststoffkranz um den Schalthebel. Der wirkt aufgesetzt und verliert spätestens dann seinen Charme, wenn man mit den Fingern draufklopft. Das hätte man mit Sicherheit eleganter lösen können.

Über Platzmangel muss man im Cherokee nicht klagen. Lediglich der Kofferraum fällt mit 412 Litern eher bescheiden aus.

Über Platzmangel muss man im Cherokee nicht klagen. Lediglich der Kofferraum fällt mit 412 Litern eher bescheiden aus.

(Foto: Holger Preiss)

Denn insgesamt macht der Jeep Cherokee innen und außen eine echt gute Figur. So haben die Italiener für pfiffige Ablagen gesorgt, USB-Schnittstelle, AUX-Anschluss und SD-Kartenslot in die Mittelkonsole gebracht. Im Fond gibt es sogar eine echte 230-Volt-Steckdose. Im Kofferraum sorgen Ablagefächer für Ordnung und ein Netz, das hinter die elektrisch aufschwingende Heckklappe gespannt ist, verhindert, dass loses Ladegut auf die Straße purzelt.

Fahrverhalten macht Freude

Auch das Fahrverhalten des Cherokee konnten die Italiener positiv beeinflussen. Im normalen Fahrbetrieb werden selbst üble Kopfsteinpflasterstrecken für die Insassen nicht spürbar überlaufen. Wer aber mit zu viel Druck über Querfugen schießt, macht einen Satz wie Sven Hannawald zu seinen besten Zeiten. Allerdings ist auch das kein Problem. Letztlich bleibt der Cherokee erstaunlich gut händelbar. Selbst in flott durchlaufenen Kurven sind keine Verwerfungen zu erkennen. Wer allerdings mit dem Indianer in echtes Gelände möchte, der sollte auf die Offroadvariante mit dem Zusatz Trailhawk zugreifen. Hier gibt es eine hochgezogene Front- und Heckschürze, ein angepasstes Fahrwerk, größere Geländereifen, einen Unterfahrschutz und 22 Zentimeter Bodenfreiheit. Dazu kommt eine "Active Drive Lock" genannte Differentialsperre. Damit soll der Jeep sogar über Felsen klettern. Der starre Durchtrieb fehlt der getesteten Allradvariante. Allerdings sind Fahrten über Acker und Wiese auch damit mühelos zu bewältigen.

Fazit: Der Indianer hat sich unter italienischer Ägide verändert. In vielen Belangen zum Guten. Weg vom optisch robusten Kraxler, ist er jetzt ein stylischer Pfadfinder, der auch neben der Konkurrenz eine gute Figur macht. Preislich hingegen bewegt er sich auf dem Niveau der Konkurrenz und ist damit kein Schnäppchen. Der Testwagen kostet 45.800 Euro. Dafür gibt es aber auch elektrisch einklappbare Außenspiegel, eine Einparkhilfe vorn und hinten mit Rückfahrkamera, eine elektrisch öffnende und schließende Heckklappe, Bi-Xenon-Scheinwerfer, den schlüssellosen Zugang und eine Berganfahrhilfe. Bleibt die Frage, was der Cherokee nach vier Jahren noch wert ist? Nach Berechnungen von Bähr & Fess Forecasts besitzt der Italoamerikaner nach dieser Zeit noch 49,5 Prozent seines Neuwertes.

DATENBLATTJeep Cheerokee 2.0 MultiJet Limited 4WD
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,62 / 1,86/ 1,67 m
Leergewicht (DIN)1921 kg
Radstand2,70 m
Sitzplätze5
Ladevolumen412 / 1267 Liter
Motor4-Zylinder Turbodiesel-Motor mit Common-Rail-Direkteinspritzung und 1956 ccm Hubraum
Getriebe6-Gang Handschalter
Wattiefe482 mm
Böschungswinkel (v/h)18,2 / 24,0 Grad
Leistung103 kW/ 140 PS
KraftstoffartDiesel
AntriebAllrad permanent
Höchstgeschwindigkeit189 km/h
max. Drehmoment350 Nm 
Beschleunigung 0-100 km/h12,0 Sekunden
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert)5,7 / 6,8 / 4,9 Liter
Testverbrauch6,7 l
Tankinhalt60 Liter
CO2-Emissionen
(Normverbrauch)
147 g/km / EU5
Grundpreis39.800 Euro
Preis des Testwagens45.800 Euro

Quelle: ntv.de

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