Praxistest

Dickes Auto, dicker V8 Neuer Jeep Grand Cherokee

Es ist ein aussichtloses Unterfangen: Einem aufrechten Öko-Aktivisten kann man nicht erklären, warum es toll ist, einen dicken V8 zu fahren. Ebenso könnte man versuchen, einen Harley-Fahrer zum Umstieg auf einen Elektro-Roller zu bewegen.

So ist es denn auch weniger eine Frage der Vernunft als des Lebensstils, ob man sich zum Beispiel einen Jeep Grand Cherokee mit den vier Buchstaben "HEMI" am Heck gönnen möchte. Für gehobenen Lebensstil sind gehobene Preise zu zahlen und auch wenn Jeep den Preis seines Spitzenmodells gerade um rund 1.300 Euro gesenkt hat, so ist der Beförderungstarif für 100 Kilometer Stadtverkehr gegenwärtig mit etwa 28 Euro zu veranschlagen.

Was man dafür kriegt? Das erhabene Gefühl, in vorbildlicher Ruhe und Bequemlichkeit dahin gleiten zu können, im Bedarfsfall über die Reserven von 326 PS und 500 Newtonmeter Drehmoment zu verfügen und dem Mega-Stau querfeldein entfliehen zu können – Quadra-Drive II sei dank. Das ist die Technik, die Jeep entwickelte, um ganz knifflige Fahrsituationen zu meistern. Die Elektronik lenkt dann das verfügbare Drehmoment auf das eine Rad, das noch Grip hat und schon wühlt sich der Allradler aus dem Schlamm(massel).

Und wenn denn keine herzhafte Beschleunigung, kein Zug eines bis zu 3.3 Tonnen schweren Anhängers oder das Erklimmen eines 40 Grad steilen Hangs verlangt wird, kann der Motor mit den halbkugelförmigen Zylinderköpfen ("Hemi"-sphere) auch weniger schluckfreudig sein: Dann wird die Hälfte der Töpfe vorübergehend still gelegt und der V8 wird zum Vierzylinder. Endabrechnung nach gut 1.200 winterlichen Testkilometern: 14,5 Liter Super auf 100 Kilometer.

Als der erste Grand Cherokee 1993 auf der Bildfläche erschien, war es leicht, als Geländewagen mit Limousinenqualitäten Renommee zu erlangen. Die heutige, dritte Generation hat es ungleich schwerer: Nicht nur deutsche Hersteller wie BMW oder VW knabbern an Marktanteilen, auch Japan hat aufgeholt. Die Konkurrenz drückt auf die Verkaufszahlen: Etwas mehr als 3.800 Grand Cherokee wurden 2004 in Deutschland verkauft. Als Geländewagen über jeden Zweifel erhaben, muss das Auto nun auf dem schwierigen Feld der SUV punkten.

Für eine nachhaltige Wirkung auf dem Boulevard ist der Grand Cherokee deshalb ein Indianer-Häuptling mit viel Federschmuck. 12,8 Zentimeter mehr Fahrzeuglänge, eine breitere Spur und eine längere Haube unterscheiden ihn vom Vorgänger. 90 Millimeter mehr Radstand kommen der On-Road-Bequemlichkeit zugute. Statt der rechteckigen Scheinwerfergläser von ehedem gibt es jetzt zwei ineinander verschobene runde Leuchtkörper. Chromleisten an den Seiten sollen die elegante Linie unterstreichen.

Das Fahrerlebnis auf der Straße ist von unkomplizierter Natur. Dank des hohen Drehmoments faucht der V8 nur einmal kurz auf, um mit Druck das je nach Ausstattung bis 2.300 Kilo schwere Gefährt zu bewegen. Auch die Fahrwerkabstimmung ist eher von der stabileren Sorte, so dass die Seitenneigung des knapp 1,75 Meter hohen Aufbaus in engen Grenzen bleibt. Alle Motorvarianten werden mit einer Fünfgang-Automatik weich und unauffällig geschaltet.

Auffälligste Neuerung im Innern sind die Sitze, die laut Jeep auf europäische Erwartungen abgestimmt sind. Das heißt im Klartext, straffer, stabiler und besser konturiert als die weichen Sessel früherer Modelle. Längere Schienen erlauben mehr Flexibilität, die zweite Reihe ist 17 Millimeter höher angebracht, als das vordere Gestühl, was jedoch nicht verhindert, dass man hinten mit stark angewinkelten Knien sitzt. Die Rücksitze sind zu einem eben Ladeboden umklappbar, bis zu 1.909 Liter Stauraum entstehen. Die Bodenplatte ist beidseitig verwendbar und auf der einen Seite als Wanne für schmutziges Transportgut ausgeformt.

Winterliche Straßenverhältnisse können einen Jeepfahrer nicht schrecken. Der Allradantrieb wird von ABS, Antischlupf und ESP unterstützt und gibt Sicherheit. Gleichwohl sind Minustemperaturen nicht ohne, denn muss der Jeep im Freien nächtigen, stellt sich am Morgen das Gebläse der Heizung als den Aufgaben nicht gewachsen heraus. Da fehlt es spürbar an Power und es dauert ewig, bis die Scheibe frei ist. Klar, wer 52.690 Euro für sein Offroad-Hobby ausgeben kann, wird auch eine Garage haben. Aber zu einem souveränen SUV voller Saft und Kraft passt so ein schwachbrüstiger Ventilator nicht.

Unterm Strich bleibt der Grand Cherokee, was er immer war: Ein vollwertiger Geländewagen, der so viel an Komfort bietet, dass er die Familienlimousine ersetzen kann. Der Dreiliter-Diesel mag der vernünftigere Motor sein, aber wer nach der Devise "Man(n) gönnt sich ja sonst nichts" lebt, für den kann es nur der V8 sein.

Axel F. Busse

Quelle: ntv.de

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