Praxistest

Skodas rasender Kofferträger Octavia RS verbläst die Großen

Man muss zweimal hinschauen, um zu begreifen, was mit dem Skoda Octavia RS für ein potentes Kerlchen vor einem steht.

Man muss zweimal hinschauen, um zu begreifen, was mit dem Skoda Octavia RS für ein potentes Kerlchen vor einem steht.

(Foto: Holger Preiss)

Wenn man nicht ganz genau hinguckt, kommt der Skoda Octavia RS fast unscheinbar daher. Aber der Tscheche hat es faustdick hinter den Ohren und verbläst mit Geschwindigkeiten abseits des Datenblatts auch gern die Premium-Konkurrenz, wie ein feuriger Praxistest beweist.

RS Steht für "Rallye Sport". Doch heute ist es ein Synonym für echten Straßensport.

RS Steht für "Rallye Sport". Doch heute ist es ein Synonym für echten Straßensport.

(Foto: Holger Preiss)

Vor 40 Jahren schrieb Skoda das erste Mal das RS an eines seiner Fahrzeuge. Allerdings handelte es sich 1974 beim 180 RS und 200 RS um zwei echte Rennfahrzeuge, wobei das Kürzel RS für nichts anderes stand als für "Rallye Sport". Der Zweilitermotor mit obenliegender Nockenwelle leistete seinerzeit 163 PS. Das Getriebe stammte von Porsche, die Spitzengeschwindigkeit des Skoda 200 RS betrug 210 km/h. Aber das ist lange her.

Heute flanscht Skoda das RS-Logo an seine sportlichsten Serienmodelle. Der wohl erfolgreichste Vertreter in dieser Klasse ist der Octavia RS. Allein in der ersten Generation verkauften die Tschechen immerhin 17.600 Exemplare. Das sind aber nur Peanuts, verglichen mit den 87.800 RS, die in der zweiten Generation vom Band liefen. Allerdings haben sich natürlich auch die Leistungsparameter heutigen Gegebenheiten angepasst.

6,8 Sekunden bis zur Seligkeit

Der Zweiliter-Turbo mit seinen 220 PS arbeitet auch im Golf GTI.

Der Zweiliter-Turbo mit seinen 220 PS arbeitet auch im Golf GTI.

(Foto: Holger Preiss)

Die neue Familienrennmaschine der Tschechen bedient sich nämlich des neuen Zweiliter-Benziners, der auch im Golf GTI seine Arbeit verrichtet. Satte 220 PS liegen hier an, deren 350 Newtonmeter im Testwagen über ein manuelles Sechsganggetriebe auf die Vorderachse krachen. Und krachen ist hier ganz ernst gemeint. Wer das Gaspedal im Startmodus richtig ins Blech stampft, erhält eine ebenso spontane Reaktion des Triebwerkes. Für einen Moment reißt es an den Vorderrädern. Wenn eingeschaltet, fangen ESP und ESC den ruppig voranstürmenden Tschechen wieder ein. Doch in diesem Moment lässt der Pilot schon den zweiten Gang einrasten. Die 225er Pneus krallen sich jetzt in den Asphalt und die Nadel des Drehzahlmessers schießt wieder an die 4000er-Marke, bevor der Schalthebel erneut durch die Gasse getrieben wird. Das Spiel dauert genau 6,8 Sekunden, dann hat sich die Fuhre auf Tempo 100 katapultiert. Was jetzt folgt, ist ein Wechselspiel zwischen linkem und rechtem Fuß und drei weiteren knackigen Gangwechseln.

Das Heck ist das markanteste Merkmal des Octavia RS.

Das Heck ist das markanteste Merkmal des Octavia RS.

(Foto: Holger Preiss)

Am Ende hat sich die Tachonadel in den sportlichen Rundinstrumenten des RS bis an 250 km/h herangearbeitet. Womit auch geklärt wäre, dass der Octavia mit der Lizenz zum Rennen 6 km/h schneller ist, als es das Datenblatt ausweist. Ein erhebendes Gefühl für all diejenigen, die gerne den einen oder anderen Premiumfahrer mit aufgerissenen Augen und offenem Mund in die Mittelspur wechseln sehen möchten. Oder eben für die Familienväter unter uns, die sich den Spruch von einem 10-Jährigen gefallen lassen müssen: "Sieht ja von außen ganz normal aus." Spätestens, wenn auf Sprint gesetzt wird, ist es mit normal vorbei. Aber eines ist tatsächlich nicht von der Hand zu weisen: Optisch ist der Octavia RS ein bescheidener Racer. Klar, wer die Insignien sehen möchte, der kann das. Allerdings muss er schon genau hinsehen. Wenn man in der linken Spur auf der Autobahn angeblasen kommt, ist im Rückspiegel des Vorausfahrenden anhand der Lichtgrafik zu erkennen, dass es sich um einen Octavia handelt. Welchen Biss der Kerl aber hat, dürfte sich erst erschließen, wenn er vorbeigeflogen ist.

Originalsound mit Durchlauf

Doch was läuft bei einem RS so durch die Leitungen und fliegt in Form von 142 g/km CO2 aus den Diffusoren? Skoda spricht im Schnitt von 6,2 Litern Super. Vergessen Sie's! Der Test-Bolide aus Mlada Boleslav wollte bei durchschnittlicher Fahrt 8,4 Liter und brachte es im Langstreckentest auf 9,2. Wer den Tschechen aber mit viel Spaß so richtig über die Piste prügelt, darf getrost mit über 10 Litern rechnen. Das geht in Ordnung. Denn in Anbetracht der Tatsache, dass die Klimaanlage auf vollen Touren arbeitete, dass die Multimediaeinheit mit Radio mit DVB+, Bluetooth, Navi und einen sauberen Sound aus den sechs Boxen abfeuerte und eben auch mal BMW-Fahrer geärgert wurden, ist der Durchlauf absolut im Bereich des Normalen.

In den Settings findet man auch Fahrmodi, aber ohne zusätzliche 170 Euro bleiben die Einstellungen ohne Ergebnis.

In den Settings findet man auch Fahrmodi, aber ohne zusätzliche 170 Euro bleiben die Einstellungen ohne Ergebnis.

(Foto: Holger Preiss)

Allerdings vermisst der sportliche Pilot im RS mit Handschaltung den zur Fahrweise passenden Klang des Motors schmerzlich. Während beim DSG-Getriebe ein Fahrmodischalter im Sportmodus für eine entsprechende akustische Übertragung in den Innenraum sorgt, muss man hier darauf verzichten. Allerdings wird, wer in den Fahrzeugsettings sucht, auf eine Modi-Wahl stoßen. Hier stehen Eco, Normal und Sport zur Auswahl. Ob die Einstellungen letztlich im Handschalter wirklich etwas bringen, darf bezweifelt werden. Zumal der Wechsel tief im Menü auch unpraktisch ist. Es gibt aber für 170 Euro die Möglichkeit, eine Fahrprofilauswahl samt Soundgenerator auch für das manuelle Getriebe zu ordern. Muss aber nicht sein,  denn der verhalten kehlige und etwas tiefere Originalsound, den der Zweiliter-Turbo von Haus aus liefert, tut es auch. Zudem hat er den Vorteil, dass die Geräuschkulisse für die Reisenden nie unangenehm wird. Selbst bei hohen Geschwindigkeiten nicht.

Kurvenhatz und Scheibenbiss

Damit der RS bei solchen nicht abhebt, ist ihm selbstredend ein Sportfahrwerk beigegeben, das noch erstaunlich viel Komfort für die Insassen zulässt. Wobei Querfugen und Schlaglöcher natürlich deutlicher zu spüren sind als in einem "normalen" Octavia. Für den Kurvenlauf gibt es eine wunderbar direkte Progressivlenkung und eine elektronische Differenzialsperre XDS. Die ist technisch in die elektronische Stabilisierungskontrolle ESC integriert, greift an den Antriebsrädern ein und sorgt bei dynamischer Kurvenfahrt dafür, dass das kurveninnere Rad leicht eingebremst wird und das äußere ein höheres Antriebsmoment bekommt, um den schnellen Tschechen in der Kehre zu halten. Je schneller der RS um die Kurve gejagt wird, desto stärker greift die Differenzialsperre ein.

Die roten Bremssättel sind ein Erkennungsmerkmal des RS.

Die roten Bremssättel sind ein Erkennungsmerkmal des RS.

(Foto: Holger Preiss)

Doch kommen wir noch einmal zurück zu den dezent sportlichen Beigaben des RS. Wichtigstes äußerliches Unterscheidungsmerkmal zu den Alltagsbrüdern ist das Heck. Spätestens wer das sieht, weiß, dass hier kein 0815-Skoda fährt. Über die Heckscheibe schiebt sich ein etwas längerer Dachspoiler und in die Stoßfänger integriert sind zwei Endrohre, die von verchromten trapezförmigen Auslässen gerahmt werden. Darüber, am unteren Ende der Heckklappe, prangt das RS-Logo. Das gibt es auch am schwarzen Kühlergrill. Hinzu kommen eine Frontspoilerlippe am Stoßfänger und breite Lufteinlässe mit schwarzer Wabengitterstruktur. Auch die 18 Zoll großen Alus sind ein Markenzeichen des RS. Geben sie doch den Blick auf rote Bremssättel frei, die vorn in 312 Millimeter messende und hinten in 286 Millimeter große Scheiben beißen, um die Fuhre auch bei 250 km/h wieder zum Stehen zu bringen. Was im Übrigen hervorragend funktioniert.

Der Preis ist heiß

Dezent sportlich gibt sich der RS im Innenraum.

Dezent sportlich gibt sich der RS im Innenraum.

(Foto: Holger Preiss)

Dezent sportlich und schick gibt sich Octavia RS auch im Innenraum. Schwarzer Himmel, rote Ziernähte am lederbezogenen Dreispeichen-Multifunktionslenkrad, Sichtkarbon als Intarsien an Tür, Armatur und Mittelkonsole, Ambiente-Beleuchtung und natürlich speziell ausgeformte RS-Sportsitze in Stoff-Leder-Kombination mit roten Applikationen und Logo, die ausgezeichneten Seitenhalt geben. Ansonsten ist auch der RS ein Octavia - mit einer Fülle an Assistenzsystemen, die sich gerade auf langen Fahrten und geschwindigkeitsbegrenzten Autobahnabschnitten mehr als bezahlt machen. Dazu gehören auch der adaptive Abstandsassistent sowie die Verkehrszeichenerkennung. All das verbirgt sich im "Fahrassistenzpaket Traveller" und kostet 2490 Euro zusätzlich.

Viel Geld, das aber gut investiert ist, denn im Paket sind auch Navi, DAB+ und Bluetooth mit Sprachbedienung inklusive Phonebox und Verbindung über die Außenantenne enthalten. Wer den RS per Parklenkassistent quer oder längs zur Fahrbahn in die Lücke schieben lassen möchte, der muss noch einmal 570 Euro extra bereithalten. Am Ende kostet der RS so ausgestattet 34.360 Euro. Ein angemessener Preis für die tschechische Rennmaschine, denn ein gleich ausgestatteter Golf GTI kostet 34.425 Euro.

Und da hat der Octavia nicht nur preislich die Nase vorn. Auch bei der Zuladung und insgesamt beim Platzangebot ist er dem Wolfsburger Flitzer klar überlegen. Wie bei den Serienkollegen gibt es beim tschechischen Kombi 610 Liter Kofferraumvolumen, erweiterbar auf 1740 Liter bei umgeklappter Rückenlehne, Seitentaschen in den Türen, die Flaschen bis 1,5 Liter fassen, ein Brillenfach im Himmel und den Eiskratzer im Tankdeckel.

Fazit: Wer optisch dezent sportlich unterwegs sein will, aber ab und zu dem Vortrieb freien Lauf lassen möchte, um die dicken Dinger auf den freien Stücken der Autobahn zu ärgern oder wer sich gar mal auf dem Rundkurs ausprobieren möchte, kann sich ohne Reue für einen Octavia Combi RS entscheiden. Selbst dann, wenn das eine oder andere verladen werden muss und die Kinder auf langen Strecken in der zweiten Reihe geparkt werden müssen, ist der RS als Combi die richtige Wahl. Zumal die Bande nach dem "Och, ist der langweilig!" spätestens beim Kickdown jauchzend die Ohren anlegt und bestätigt, dass es "im Bauch kribbelt".

DATENBLATTSkoda Octvia RS Combi
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,68 / 1,81 / 1,45m
Leergewicht (DIN)1447 kg
Sitzplätze5
Ladevolumen610 / 1740 Liter
MotorReihen-Vierzylinder Benziner mit Turboaufladung, 1984 ccm Hubraum
Getriebe6-Gang-Handschaltung
Leistung162 kW/220 PS
KraftstoffartSuper
AntriebFrontantrieb
Höchstgeschwindigkeit244 km/h
max. Drehmoment350 Nm 1500 - 4400 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h6,9 s
Normverbrauch (innerorts, außerorts, kombiniert)7,7 / 5,3 / 6,2 l
Testverbrauch8,4 l
Tankinhalt50 Liter
CO2-Emissionen
(Normverbrauch)
142 g/km
EmissionsklasseEU 5
Grundpreis30.250 Euro
Preis des Testwagens34.360 Euro

Quelle: ntv.de

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