Praxistest

Je oller, desto doller Toyota Land Cruiser - zum Vererben

Selten auf der Straße: Der Land Cruiser ist ein Geländewagen von altem Schrot und Korn.

Selten auf der Straße: Der Land Cruiser ist ein Geländewagen von altem Schrot und Korn.

(Foto: Axel F. Busse)

Rente mit 63? Für den Toyota Land Cruiser wird das wohl nichts. Zwar hat er bereits 1951 das damalige Offroad-Duo aus Jeep und Land Rover verstärkt, doch für Ruhestand scheint kein Anlass gegeben. Oder doch?

Kernige Optik, knorriger Motor: Der Toyota Land Cruiser Offroad-Urgestein.

Kernige Optik, knorriger Motor: Der Toyota Land Cruiser Offroad-Urgestein.

(Foto: Axel F. Busse)

Geländewagen sind Dauerläufer. Nicht weniger als ein Dutzend Modellgenerationen hat Toyota in mehr als 60 Jahren aufgelegt. Auch die aktuelle, die die Ziffer 150 und das Kürzel J 15 trägt, wurde schon mehrfach überarbeitet und modellgepflegt. Gerade hat der Hersteller wieder einige Retuschen an der Front vorgenommen und den Innenraum aufgewertet, um den Dauerbrenner frisch zu halten. Eine stabile Fangemeinde hält in Deutschland dem Land Cruiser die Treue. So wurden in den letzten drei Jahren jeweils zwischen 1200 und 2000 Fahrzeuge neu zugelassen.

Nur ein paar Jahre währte das Offroad-Duell zwischen Jeep und Land Rover, dann trat der japanische Mitbewerber auf den Plan. Toyota stellte seinen ersten Land Cruiser 1951 vor und wenn auch die beiden anderen Marken in Europa oder Amerika mehr Renommee haben mögen, so bleibt der Land Cruiser mit mehr als sechs Millionen Exemplaren weltweit doch bis heute der am häufigsten verkaufte Geländewagen seiner Klasse.

Für diesen Praxistest stand die in Europa mit Abstand beliebteste Version zur Verfügung: Ein knorriger Vierzylinder mit drei Litern Hubraum. Ungewöhnlich zwar, aber spürbar längst nicht zum alten Eisen gehörend. Darin werden 420 Newtonmeter Drehmoment freigesetzt. Die braucht das knapp 4,80 Meter lange und 1,83 breite Dickschiff aber auch, denn es wiegt je nach Ausstattung bis zu 2,4 Tonnen und die wollen ordentlich angeschoben sein. Die aktuelle Baureihe hat zwar hohen Wiedererkennungswert, aber so richtig smart sieht sie nicht aus. Ein bulliger Grill umgibt das gerahmte "T", die Scheinwerfergläser zeigen merkwürdige Ausbuchtungen, die man sich unter dem heute geltenden Diktat der Windschlüpfrigkeit kaum erklären kann. Auch die Heckleuchten weisen diese undefinierbaren Wölbungen auf.

Kameras verbessern den Überblick

Die seitlich angeschlagene Hecktür braucht zum öffnen etwas mehr Platz.

Die seitlich angeschlagene Hecktür braucht zum öffnen etwas mehr Platz.

(Foto: Axel F. Busse)

Die wuchtige, fast 1,90 Meter hohe Karosserie besitzt die typische Kantigkeit, die der Fahrer braucht, um das Auto sicher an Hindernissen vorbei manövrieren zu können. Senkrecht abfallende Kotflügel, Türen und Seitenpartien sind die beste Beulen-Versicherung. Die neueste Generation des Land Cruisers bietet außerdem Kamera-Augen im Frontgrill und an der Unterseite des rechten Außenspiegels, die zum Beispiel bei unübersichtlichen Grundstücksausfahrten oder Felgen gefährdenden Bordsteinen präzises Rangieren erleichtern. Angezeigt wird das Kamerabild über den Navigationsmonitor, wo auch die Informationen der Rückfahrkamera abgerufen werden können. Unverändert blieben Radstand, Böschungswinkel (32 Grad) und Rampenwinkel (22 Grad), sodass der neue Land Cruiser seinem Vorgänger in Sachen Geländetauglichkeit nicht nachsteht.

Im Innenraum fallen ein neues oberes Audio-Bedienfeld aus gebürstetem Leichtmetall an der Mittelkonsole auf, ein jetzt als 4,2 Zoll großer TFT-Monitor ausgeführtes Multi-Informationsdisplay sowie neue Lederausstattungen in den Farben Schwarz, Beige oder Schwarz/Grau. Unterhalb der Klimatisierungs-Steuerungselemente bietet eine neue Bedieneinheit Zugriff auf die Assistenzsysteme für Straße und Gelände. Das zentrale Element bildet hier ein Drehregler mit Schalt-Funktion, über den sich sowohl das Multi-Terrain-Select-System als auch die geländeabhängige Geschwindigkeitsregelung Crawl Control bedienen lassen. Der Drehregler ist für eine sichere Bedienung auch in schwerstem Gelände gerändelt sowie mit einem beleuchteten Ring und Zeiger ausgestattet. Weil es im Gelände auch mal kräftig wackeln kann, sind überall stabile Haltegriff in Reichweite.

Seitlich angeschlagene Hecktür

Schick sind die Plastikoberflächen nicht gerade, aber leicht zu reinigen.

Schick sind die Plastikoberflächen nicht gerade, aber leicht zu reinigen.

(Foto: Axel F. Busse)

Unverändert blieb Toyota beim Konzept der rechtsseitig angeschlagenen Hecktür. Das hat zweifellos Vorteile im Parkhaus, kann in knappen Parklücken aber auch zum Nachteil werden, denn zur rechtwinkligen Öffnung ragt das Türblatt 1,25 Meter über den hinteren Stoßfänger hinaus. Die Ladekante ist mit 76 Zentimetern erfreulich niedrig. Die Ladefläche ist bei umgelegten Rücksitzen 1,80 Meter tief, bei etwa der Hälfte ist ein kleiner Absatz, so dass lange Güter nicht flächig aufliegen können. Eine Entriegelung der Rücksitze von der Ladefläche aus ist nicht möglich. 621 Liter Volumen sind nutzbar, ohne dass die Rücksitze bewegt werden müssen, der maximale Laderaum beträgt 1934 Liter. Das Fenster der Hecktür ist separat zu öffnen.

Die Platzverhältnisse sind großzügig und entsprechen dem erwarteten Niveau. Auch hinten kann man bequem sitzen, die üppige Dachhöhe verschafft ein komfortables Raumgefühl und gute Rundumsicht. Die Sitze erinnern eher an die Ledersessel in der Business-Lounge als an das Gestühl eines Geländewagens. Freilich bieten sie bei dynamik-betonter Fahrweise keinen so guten Seitenhalt. Die nötige Servounterstützung nimmt den Lenkbefehlen etwas die Unmittelbarkeit, aber an das Lkw-Feeling hat man sich schnell gewöhnt und dirigiert den Land Cruiser auch sicher durch schmale Einfahrten. Für einen U-Turn in einem Stück braucht man knapp zwölf Meter Platz. Die maximale Anhängelast ist mit 3500 Kilogramm angegeben.

Die traditionelle Bauweise auf Leiterrahmen macht den Land Cruiser robust und stabil.

Die traditionelle Bauweise auf Leiterrahmen macht den Land Cruiser robust und stabil.

(Foto: Axel F. Busse)

Während inzwischen viele SUV und Geländewagen auf eine selbsttragende Karosserie vertrauen, bleibt Toyota beim robusten und bewährten Konzept eines Leiterrahmens mit aufgesetzter Karosserie. Das macht das Auto langlebig und widerstandsfähig. Weitaus moderner als diese Konstruktion sind die weiterentwickelte Doppelquerlenker-Vorderachse und die dynamische Fahrwerkskontrolle, die optimierten Federungskomfort verspricht. Allerdings verhindern sie nicht, dass der hohe Aufbau in schnellen Kurven spürbar nach außen drängt. Die adaptive Dämpfung erlaubt die Wahl zwischen den drei Modi "Normal", "Comfort" und "Sport".

Variable Kraftverteilung nach Bedarf

Der permanente Allradantrieb des Land Cruisers besitzt ein automatisches Torsen-Sperrdifferenzial, das die Antriebskraft-Verteilung zwischen Vorder- und Hinterachse automatisch von 50:50 bis zu einem Verhältnis von etwa 30:70 variiert, um in jeder Fahrsituation optimale Traktion sicherzustellen. Im Extremfall lässt sich zudem das Hinterachs-Differenzial manuell sperren. Sobald die Straße verlassen und das Multi-Terrain-Select-System aktiviert wird, stellt es automatisch das Kamerabild mit dem Bereich vor dem Fahrzeug auf dem 7-Zoll-Display in der Mittelkonsole dar. Mit nach vorn, zu den Seiten und nach hinten gerichteten Kameras, deren Bilder sich einzeln oder in Kombination abrufen lassen, bietet das System dem Fahrer jederzeit optimalen Überblick. Der Multi-Terrain-Monitor kann außer dem Sichtbereich der Kameras noch zahlreiche weitere Informationen darstellen, beispielsweise die Position der Reifenaufstandsflächen, die Fahrspur der Vorderräder beim aktuellen Lenkeinschlag, Hilfslinien parallel zu Breite und Länge des Fahrzeugs sowie die Position von Hindernissen, die das Kollisionsvermeidungs-Sonar erkannt hat.

Die  Kraftübertragung des Testwagens erfolgt über ein Automatikgetriebe. Das hat allerdings nur fünf Gänge, was nicht mehr dem erwartbaren Standard entspricht. Mit 0,716 ist die fünfte Stufe etwa so lang übersetzt wie der 6. Gang beim Handschalter. Obwohl der vierzylindrige Langhuber 1600 Umdrehungen braucht, um seine optimale Durchzugskraft aufzubauen, benimmt sich der Wagen in der Praxis ausreichend temperamentvoll und am Gas sensibel. Nur die Verbrauchswerte aus dem Prospekt rückten in der Praxis wie erwartet in die Ferne: Statt 8,1 Liter im Mittel zeigte der Bordcomputer am Ende 10,9 Liter je 100 Kilometer.

Der Verbrauch muss perspektivisch gesehen auch auf den Gesamtpreis aufgeschlagen werden, der beim Testwagen mit ordentlichen 62.400 Euro zu Buche schlägt. Allerdings darf sich derjenige, der sich für einen Toyota Land Cruiser entscheidet, auf eine umfangreiche Basisausstattung freuen. Klimaautomatik, schlüsselloses Zugangs- und Startsystem, Nebelscheinwerfer, die manuelle Differenzialsperre, 17-Zoll-Leichtmetallrädern und Reifendruckkontrolle gehören dazu. Die Executive-Ausstattung ist serienmäßig mit LED-Scheinwerfern, Regensensor, Abblendlichtautomatik, beheizbarem Lenkrad sowie dem Navigationssystem Toyota Touch & Go 2 und JBL-Soundsystem ausgerüstet.
 

Fazit: Wer niemals ins Gelände muss und auch keinen Boots- oder Pferdeanhänger zu ziehen hat, braucht keinen Land Cruiser. Als genügsames Arbeitspferd bietet das Auto so viel Gutes, dass es unvernünftig wäre, die Fähigkeiten nicht zu nutzen. Jenseits der Straße macht ihm so leicht keiner etwas vor, als komfortables Reisemobil hat der Wagen ebenfalls seine Qualitäten. Da seine Robustheit ebenso legendär ist wie seine Haltbarkeit, werden die, die einen Land Cruiser haben, ihn nur selten verkaufen – eher schon vererben.

DATENBLATTLand Cruiser 3.0 D 4D
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,78 / 1,88 / 1,85m
Radstand2,79 m
Leergewicht (DIN)2185 kg
Sitzplätze5
Ladevolumen621 / 1934 Liter
Zuladung840 kg
Wendekreis11,8 m
Böschungswinkel vorn/hinten32/23 Grad
Wattiefe70 cm
MotorReihen-Vierzylinder Turbodiesel mit 2982 ccm Hubraum
Getriebe5-Gang-Automatikgetriebe
Leistung140 kW/190 PS bei 3400 U/min
KraftstoffartDiesel
Tankinhalt87 Liter
AntriebAllradantrieb
Höchstgeschwindigkeit175 km/h
max. Drehmoment420 Nm 1600 - 3000 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h11,0 s
Normverbrauch (innerorts, außerorts, kombiniert)9,7 / 7,1 / 8,1 l
Testverbrauch10,9 l
CO2-Emissionen
(Normverbrauch)
213 g/km
EmissionsklasseEU5
Grundpreis60.850 Euro
Preis des Testwagens62.400 Euro

Quelle: ntv.de

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