Surfen, Hitze und Champagner Afrika-Roadtrip wird zur Grenzerfahrung
30.12.2018, 16:07 Uhr
Drechsel hat Afrika in vielen Facetten kennengelernt.
(Foto: Carlo Drechsel)
Eine Ebola-Epidemie im mittleren Teil Afrikas, politische Konflikte in Mali, ein Regimewechsel in Burkina Faso und ein schrottreifer Mitsubishi Pajero sind nicht die besten Startvoraussetzungen für einen Trip von Spanien bis Kapstadt. Vor allem dann nicht, wenn es als Surf-Abenteurer entlang der afrikanischen Westküste gehen soll. Carlo Drechsel hat es probiert, ohne jemals zuvor weiter als bis nach Marokko gekommen zu sein. n-tv.de hat mit Drechsel gesprochen - über Afrika, Surfen, Hitze, Gefahren und Champagner.
n-tv.de: Für eine jahrelange Reise durch Afrika braucht man unglaublich viel Vorbereitung, oder?
Carlo Drechsel: (lacht) Denkt man, ich hatte aber keine, außer einer groben Vorstellung von Afrika. Ein halbes Jahr zuvor hatte ich fast alle Ersparnisse in ein Auto investiert. Der Pajero war ziemlich schlecht ausgestattet und in einem desolaten Zustand, in Europa nicht mehr straßentauglich. Mein spanischer Mechaniker definierte ihn als Schrotthaufen. Im Endeffekt habe ich hinten ein Bett reingelegt, meine Surfboards oben drauf und bin einfach losgefahren. Also weniger Vorbereitung als der Durchschnittscamper benötigt, ehe er zwei Wochen nach Frankreich fährt.
Hatten Sie vorher einen groben Plan, wo es hingehen soll?
Ich wollte die Westküste entlangfahren und mich am Meer langhangeln - für einen Surfer ist natürlich das Meer spannend. Ich bin auch neugierig und an Kultur und Geschichte interessiert, deswegen standen alle Ziele an der Küste auf der Liste.
Hatten Sie Angst?
Angst - jein. Nicht so die Angst, die vielleicht andere Leute gehabt hätten wegen der Sicherheitslage. Ich hatte zu Beginn Angst, das Ganze anzugehen und alles auf eine Karte zu setzen. Und ich hatte etwas Angst, mein Investment an Zeit und Geld zu verlieren.
Was kannten Sie denn von Afrika?
Ich war mal ein bisschen in Marokko, surfen in Taghazout. Ansonsten kannte ich nichts aus erster Hand. Mehr so die Stichwörter, die man hat, wenn man Afrika denkt. Sie sind viel negativer als bei Südamerika, USA, China oder Australien. Da kommen in der Regel relativ düstere Sachen bei raus. Natürlich hatte ich Sorgen, wie es dann wirklich aussieht.
Wie haben Sie Ihre Route festgelegt?
So ganz grob habe ich mir die Sachen angeschaut, aber ich habe nicht ein Buch gelesen oder mich tagelang durch Foren gekämpft. Ich habe mich im Endeffekt so langgehangelt. Bin nach Südspanien gefahren, dort auf die Fähre gestiegen. Dann zur nächsten Tankstelle, zum ersten Mal Geld gewechselt, in die erste Stadt und von dort in die nächste Stadt. So habe ich mich Richtung Süden vorgearbeitet. Als ich losgefahren bin, waren gerade die Geschichte mit Ebola und die Konflikte in Mali. Aber mir war nicht klar, dass zwar der Süden Malis relativ stabil, der Norden aber nicht wirklich passierbar ist. Das merkte ich dann erst auf der Reise. Dann kamen die Fragen: Wo komme ich da durch? Wie entwickeln sich die Krisenherde? Das war ja vollkommen unklar.
Wenn Sie surfen, sind alle Habseligkeiten von Ihnen in Ihrem Jeep. Haben Sie bedacht, was wäre, wenn dieser plötzlich weg wäre, wenn Sie wieder aus dem Wasser steigen? Reisepass, Visa, Bargeld - im Jeep steckte das halbe Leben.
Ich wollte eigentlich gern einen Reisepartner dabeihaben, den ich nicht gefunden habe. Ich habe auch daran gedacht, dass ich meine Sachen einbuddeln sollte, damit ich noch ein Emergency Kit habe. Ein Kumpel meinte, dass man die Auto-Fenster vergittern müsste. Solche Kommentare machen einen dann noch nervöser, als man sowieso schon ist. Im Endeffekt ist es aber überhaupt nicht so, dass da Leute in dein Auto einbrechen. Im Gegenteil, in anderthalb Jahren wurde mein Auto nicht ein Mal angefasst. Auch meine Boards und eine Werkzeugkiste waren auf dem Dach und kamen nicht weg.
Hatten Sie das Gefühl, als Surfer oder Individualreisender etwas Besonderes zu sein?
Ich denke, wenn einer unterwegs ist und Geld klauen will, dann ist es egal, ob ein Surfer kommt oder ein normaler Tourist. Im Endeffekt ist es mir in jedem Land ähnlich ergangen. In Afrika ist den Leuten bewusst, wie negativ ihr Land, ihr Kontinent dasteht. Von daher achten sie darauf, dass die wenigen, die durch das Land reisen, eine positive Erfahrung machen.
Wie haben Sie das konkret erlebt?

Drechsel bekam nicht nur die landschaftliche Schönheit mit, sondern auch die wirtschaftlichen Probleme und politische Konflikte.
(Foto: Carlo Drechsel)
In Nigeria wollten mich Polizisten ausnehmen. Dann kam der ältere Polizeichef und hat, nachdem er meine Geschichte gehört hat, dafür gesorgt, dass ich einfach weiterfahren konnte. Nigeria ist sowieso unglaublich. Die größte Filmindustrie Afrikas, der höchste Pro-Kopf-Verbrauch an Champagner, soziales Gefälle, surfen an unmöglichen Orten zwischen Supertankern. Man kann Nigeria kaum beschreiben.
Wie haben Sie sich verständigt? Mit Händen und Füßen?
Selten eigentlich. In fast jedem Land wird entweder portugiesisch, französisch oder englisch gesprochen. Und ich spreche französisch, englisch und spanisch - portugiesisch war etwas schwer. Aber in der Regel sprechen die Leute in jeder Region eine europäische Sprache, meist sogar besser als ich.
Sie waren an vielen tollen Orten, was hat Sie bewegt, dann trotzdem weiterzuziehen?
Es reizt auch das, was danach kommt. Mit anderthalb Jahren war ich schon recht lange unterwegs, aber dennoch kann man nur einen Bruchteil der Orte sehen und einen Bruchteil der Wellen surfen. Zum Teil sind es banale Gründe, dass das Visum abläuft oder man weiß, ein paar 100 Kilometer weiter gibt es in ein paar Tagen gute Wellen.
Haben Sie dabei neue Erfahrungen gemacht?
Ja, ich bin die Flusswelle in Sambia gesurft. Der Sambesi-Fluss ist dafür einer der Hotspots auf der Welt. Dabei muss man aber auch das richtige Timing haben, der Wasserstand muss gut sein. Mit ein paar Jungs, die wissen, wo es hingeht, sind wir den Fluss runtergewandert. Schon das war sehr anstrengend. An der Stelle der Welle sind natürlich auch Krokodile und Schlangen - ein brauner Fluss, ein wenig unterhalb der Victoria-Fälle. Da habe ich probiert, die Welle zu surfen, allerdings nicht mit viel Erfolg. Ich bin häufig gestürzt, was dort sehr heftig ist.
Das heißt?
Ich war dort relativ lange unter Wasser. Die Welle ist dafür bekannt. Das ist auch der Unterschied zu einer Welle im Ozean. Wenn du im Sambesi stürzt, weißt du nie, wann und wo du wieder rauskommst. Das ist sehr beunruhigend, weil man sich nicht darauf einstellen kann. Aber nachdem ich es ein paar Mal probiert habe und jedes Mal wieder rauspaddeln und mich hochkämpfen musste, war ich dann zu kaputt und habe es aufgegeben.
Spielte das Thema Einsamkeit eine Rolle?
Für mich persönlich war es nicht wirklich ein Thema, da ich relativ kommunikativ bin und auch mal ein paar Tage mit Fischern verbringen kann. Und in den Ballungsgebieten ist es natürlich so, dass man dort eine junge Mittelschicht hat. Dort findet man dann auch schnell Freunde, die einem ähnlich sind. Mit den Leuten aus der Großstadt hat man auch viele Gemeinsamkeiten, da man doch ähnlich aufgewachsen ist. Und wenn ich mal eine Surfszene gefunden habe, habe ich dort auch einige Tage verbracht, bis ich dann wieder zwei Wochen allein surfen war.
Wie haben Sie eigentlich Afrika weggesteckt? Hatten Sie Krankheiten, Verletzungen?
Alles ist gut gegangen. Krankheiten hatte ich tatsächlich nicht, ich habe auch viel Leitungswasser getrunken. Wenn die Familien, in denen ich war, das Wasser getrunken haben, habe ich das auch getan. Entgegen allen Vorurteilen. Zum Teil habe ich auch das Brunnenwasser getrunken und hatte in einem Jahr nicht ein Mal Durchfall. Ich wurde nie überfallen oder ausgeraubt. Ich musste mich auch nicht prügeln oder verteidigen, wurde nie mit einer Waffe bedroht und die Machete in meinem Auto musste ich auch nicht benutzen.
Und was wurde nach eineinhalb Jahren aus dem Pajero?
Den habe ich noch verkauft am Ende für ein paar Euro.
Mit Carlo Drechsel sprach Daniel Saurenz
Quelle: ntv.de