Die Lust am Essen Wie Ernährung die Psyche beeinflusst
28.09.2018, 09:24 Uhr
Essen kann richtig glücklich machen.
(Foto: imago/Jacques Alexandre)
Sauer macht lustig und Schokolade tröstet: Vielen Lebensmitteln werden bestimmte psychische Wirkungen zugesprochen. Dabei ist etwas anderes viel wichtiger.
Essen und Trinken gehören zu den wichtigsten Dingen der Welt, denn sie sind lebenserhaltend. Kein Wunder, dass in wohlhabenden Ländern immer häufiger über Ernährung gesprochen, gelesen und nachgedacht wird. Der Wille zum gesunden Essen scheint unaufhaltsam zu wachsen, mit ihm allerdings auch die Pfunde, die Menschen mit sich herumschleppen müssen. Das Problem Übergewicht ist mittlerweile ein globales. Aber was läuft da falsch?
Den Überblick im Angebotsdschungel zu behalten, fällt vielen schwer. Das Überangebot an Nahrungs- und Genussmitteln wächst stetig. Gleichzeitig sinkt die ernährungsphysiologische Qualität vieler Lebensmittel, denn je mehr ein Lebensmittel verarbeitet oder je länger es gelagert wird, umso weniger steckt von den Stoffen drin, von denen allgemein behauptet wird, dass sie gesund seien. Kalorien sind davon allerdings ausgeschlossen.
Tricks der Hersteller
Trotzdem greifen viele beherzt zu den Dingen, die einem auf lange Sicht nicht gut tun, sondern eher müde, dick und träge machen. Hersteller von Chips, Pizza und Co wissen, wie sie das erreichen können. Sie sprechen mit ihren Rezepturen direkt das evolutionäre Erbe des Menschen an: Sie mischen die Inhaltsstoffe, vor allem Fett und Kohlenhydrate, so zusammen, dass viele Menschen nicht nur mit großer Lust zu stark verarbeiteten Dingen greifen, sondern manchmal gar nicht mehr aufhören können, diese zu essen, fanden Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg heraus. Doch mal ehrlich: Fühlen Sie sich nach einem Fast-Food-Gelage wohl? Und dabei geht es nicht nur um das schlechte Gewissen wegen der hohen Kalorienaufnahme, sondern darum, wie satt, genährt und zufrieden man ist, wenn man auf die geleerten Verpackungen starrt.
Die Forscher wollten herausbekommen, warum es bei Genussmitteln wie beispielsweise Chips zu solchen Kontrollverlusten kommt. Sie konnten mit ihren Untersuchungen zeigen, dass Chipsessen eine bestimmte Region im Gehirn aktiviert, den sogenannten Nucleus accumbens. Dieser wird mit dem Belohnungssystem, aber auch mit dem Entstehen einer Sucht in Zusammenhang gebracht. Die Aktivierung war bei Menschen mit einem hohen Body-Mass-Index intensiver als bei Menschen mit Normalgewicht. Ein Teufelskreis entsteht.
Der inneren Stimme folgen
Dabei ist eine Ernährung, die einem gut tut, gar nicht so schwierig, meint Ernährungswissenschaftler und Autor Uwe Knop. "Wer beim Essen seinem Körper vertraut, auf die intuitiven Signale Hunger, Lust und Verträglichkeit hört und - ganz wichtig - sein Essen genießt, der kann sicher sein: Der Einfluss des Essens auf das psychische Empfinden wird positiv sein, denn unser Körper honoriert eine intuitive Nahrungsaufnahme mit Wohlgefühl und Zufriedenheit", betont Knop im Gespräch mit n-tv.de.
Doch zu dieser Art der Selbstreflexion muss man erst einmal kommen, wenn man gewohnt ist, nach der Arbeit ein Fertiggericht in der Mikrowelle zu erhitzen und danach beim Fernsehen zur Entspannung und Belohnung Knabberzeug oder Süßigkeiten zu vertilgen.
Wer wirklich lernen will, auf die Stimme des Körpers zu hören, der muss ständig ausprobieren und nachspüren. Dafür bedarf es insgesamt mehr Zeit und Muße zum Essen, einer gnadenloser Ehrlichkeit sich selbst gegenüber sowie dem Überbordwerfen von festen Essenszeiten und verinnerlichtem Ratgeberwissen. Ist dieser Aufwand erst einmal zur Gewohnheit geworden, dann zahlt er sich auch aus. Stress ist in diesem Prozess total hinderlich, körperlicher Hunger hingegen macht die innere Stimme lauter. "Je stärker das körperliche Hungergefühl, desto mehr Stöhnen aus der Tiefe des Bauches und desto intensiver das Wohlgefühl nach dem Essen", bricht Knop den Prozess herunter.
Wer diesem Prinzip folgt, der brauche auch keine Angst vor "ungesunden Lebensmitteln" zu haben, erklärt der Experte weiter. Menschen mit Orthorexia nervosa, so der Fachbegriff für diese Angst, entwickeln einen Zwang zum eingebildeten gesunden Essen. Betroffene verlieren dabei nicht nur den Kontakt zu sich selbst, sondern auch die Lust und den Spaß beim Essen. "Die Angst vor vermeintlichen Dick- und Krankmachern, die es wissenschaftlich gar nicht gibt, verdirbt ihnen den Genuss. Das wiederum hat negativen Einfluss auf die Psyche und kann sich sogar zu einer echten Essstörung entwickeln", warnt Knop. Mit Angst oder schlechtem Gewissen etwas zu essen ist alles andere als gut für die Psyche - ganz egal, was es ist.
Quelle: ntv.de, jaz