Unterhaltung

Bruce Springsteen in Berlin Beten mit dem Boss

"Gutennabendberlin!!!!!" Der Boss spricht deutsch mit Spickzettel, and we love him!

"Gutennabendberlin!!!!!" Der Boss spricht deutsch mit Spickzettel, and we love him!

(Foto: dpa)

Er ist wirklich ein Schatz! Er sieht noch immer blendend aus, hat den Charme eines Mittzwanzigers, gepaart mit der Coolness eines alten Könners, er holt Kinder und Frauen auf die Bühne, singt sich die Seele aus dem Leib und ackert wie ein Ackergaul. Bruce Springsteen war im Berliner Olympia-Stadion und beendet damit seine Deutschland-Tour.

Es ist grundsätzlich eine super Idee, mit High Heels auf ein Konzert zu gehen, man überragt 70 Prozent der anderen Besucher. Auch schön ist, dass man ihre Bierfahne nicht direkt ins Gesicht gerülpst bekommt, wenn man über den Dingen und Menschen steht. Blöd ist es jedoch, wenn ein Konzert dann sehr lange dauert und man nicht mehr stehen kann. Erträglich ist es allerdings, wenn Bruce Springsteen auf der Bühne steht und selbige sowie 58.000 Zuschauer drei Stunden lang rockt.

Bruce Springsteen zwischen Steven Van Zandt (r.) und Nils Lofgren.

Bruce Springsteen zwischen Steven Van Zandt (r.) und Nils Lofgren.

(Foto: dapd)

Er konnte es schon immer, er kann es und er wird es immer können, das steht mal fest. Wem das jetzt zu gebetsartig daher kommt, hat nichts verstanden, denn ein Konzert mit dem Boss ist wie eine große, aber laute Meditation, ein riesiges Gebet, bei dem man schreien, lachen und trinken darf. Springsteen ist der Prediger, aber im Gegensatz zu anderen Predigern, die einem schnell auf den Nerv gehen, versteht er es, die Massen mitzureißen mit seinen Attacken gegen die Finanzwelt, die Mächtigen, die Reichen. Ganz kurz nur zuckt es in einem auf, dass die popelige Stehraumkarte immerhin an die 80 Euro kostet, und dass man damit auch wieder einen reichen und mächtigen Musiker finanziert, aber wer so denkt, ist doof und kleingeistig und hat nix kapiert, denn es steht ja nicht nur der Boss auf der Bühne, sondern eine ganze Band.

K.o. aber glücklich

Die E-Street-Band, um genauer zu sein, und das sind Musiker vor dem Herrn. Unglaublich, wie virtuos da jeder auf seinem Instrument unterwegs ist, und über Steven Van Zandt, Nils Lofgren, Garry Tallent, Roy Bittan oder Max Weinberg müssen wir eigentlich nicht sprechen. Auch nicht darüber, dass seine Frau Patty Scialfa nicht dabei ist ("Sie passt auf die Kinder auf") und durch die Geigerin Soozie Tyrell ersetzt wird. Sprechen wir lieber kurz über Jake Clemens, den Neffen des langjährigen E-Street-Band-Saxophonisten Clarence Clemons, der vor einem Jahr an den Folgen eines Schlaganfalls starb und dem in einer langen Bilderstrecke gedacht wird, untermalt von den Klängen seines Neffen und des euphorischen Publikums, das ihn begeistert feiert. Apropos Publikum: Das kann natürlich alles mitsingen, die Autokennzeichen vor dem Stadion verraten, dass die Fans teilweise von weit her angereist sind, um den Boss zu sehen. Er scheint ihnen aus der Seele zu sprechen, denn so inbrünstig singen Fans sonst kaum mit.

Ein durchschnittlicher Bruce-Springsteen-Fan.

Ein durchschnittlicher Bruce-Springsteen-Fan.

(Foto: dapd)

Und das, was der Laie vielleicht als einen Hänger ansehen würde, so nach eineinhalb, zwei Stunden - dann, wenn andere Künstler schon längst wieder backstage sind und den Kamillentee gegen Whisky eingetauscht haben - ist nur die Ruhe vor dem Sturm. Schon ein bisschen heiser, aber so bewundernswert und dynamisch, voller Energie, legt der Boss jetzt eigentlich erst los. Sein neues Album "Wreckingball", das sich mit den USA der Finanzmächtigen, der Banker, Broker und Politiker beschäftigt, die den kleinen Mann über den Tisch ziehen, sorgte für die nachdenklichen Töne, aber jetzt fragt er: "Are you ready for a Berlin House Party?" - und natürlich ist Berlin bereit, wie immer eigentlich. Aber heute ganz besonders: Das überwiegend mit dem Star gealterte Publikum (darunter sicher auch ein paar Finanzhaie), ein paar junge und sogar ein paar sehr junge, sprich: Kinder, wollen Bewegung im ausverkauften Olympiastadion.

Sie hüpfen nun, tanzen, wollen den Mann in Schwarz auf der Bühne anfassen, und das, obwohl seine Klamotten inzwischen mehr als nass sind, sie hängen an seinen Lippen und wenn sich einer noch fragt, wie es passieren kann, dass ein einzelner eine solche Wirkung auf eine Masse haben kann, dann soll er selbst zu einem Bruce-Springsteen-Konzert gehen. Es ist Hypnose, es ist Liebe, die dem 62-Jährigen entgegenkommt, und so erklärt es sich auch, dass er wie ein Hochleistungssportler mit einer bewundernswert ausdauernden Stimme drei Stunden durchhält. Er singt jetzt "The River", "Hungry Heart" und "Born in the U.S.A.", er nimmt Pappschilder mit Wünschen entgegnen, singt erstmals "Save My Love" und beglückt die Fans mit "Glory Days", "Thunder Road" und "Badlands". Beim Verlassen des Stadions ist es taghell (wegen der olympischen Lichtanlage), doch man würde sich nicht wundern, wenn gleich die Sonne hinter dem Maifeld aufgehen würde, so herrlich war das.

Hach, was für ein Marathon-Mann. Er ist noch in Roskilde (7. Juli), Zürich (9. Juli), Prag (11. Juli) und in Wien (12. Juli) zu bewundern.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen