Unterhaltung

Mit ruhiger Hand an der Laborpipette Borowski im gelben Unterseeboot

Der Schriftsteller Frank Schätzing hat einen Gastauftritt bei Sibel Kekilli und Axel Milberg im Kieler Tatort.

Der Schriftsteller Frank Schätzing hat einen Gastauftritt bei Sibel Kekilli und Axel Milberg im Kieler Tatort.

(Foto: dpa)

Ein Mord, der keiner war, ein planloser Auftragskiller und ein Kommissar ohne Rasierer - der 23. Kieler Tatort mit Borowski und Brandt kämpft vor allem mit seinen Defiziten. Zumindest Nicolette Krebitz als enttäuschte Ehefrau behält den Kopf über Wasser.

Es hätte doch alles so schön, so spannend werden können. Hier ein unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommener Umweltschützer, dort der gefräßige Industriekonzern Marex, der über Leichen geht und die letzten Reserven von Mutter Erde rücksichtlos ausbeutet. Mittendrin Jens Adam (Andreas Patton), der als Jurist für Marex die Paragrafen verdreht. Dem dämmert nicht nur langsam, wie aussichtslos das Spiel mit den begrenzten Naturressourcen ist, er hat auch Beweise dafür, dass seine Arbeitgeberin, Firmenchefin Sylvana Vegener (hohlwangig und skrupellos: Karoline Eichhorn), beim Tod des Öko-Aktivisten ihre gierigen Finger im Spiel hatte.

Kommissare und schöne Frau bei der Arbeit: In Kiel ist die Welt auch nicht immer in Ordnung.

Kommissare und schöne Frau bei der Arbeit: In Kiel ist die Welt auch nicht immer in Ordnung.

(Foto: dpa)

Doch Adam sitzt nicht nur umweltmoralisch zwischen den Stühlen, auch in Sachen Liebe weiß er weder ein noch aus. Zu Hause wartet die von Seitensprüngen zermürbte, aber bedingungslos liebende Ehefrau (Nicolette Krebitz), im Kieler Forschungsinstitut Geomar füllt seine Liebschaft Dr. Amali Saunders (Florence Kasumba) Bodenproben mit ruhiger Hand in Laborpipetten.

Als Adam schließlich ausgerechnet bei einer Firmenfeier an Bord eines Schiffes von der Reling geschossen wird, sind seine Probleme zunächst vorüber - für Borowski und Brandt geht die Arbeit an dieser Stelle erst los. Wo ist die Leiche? Was hat Marex mit der Sache zu tun? Und warum schmiert sich Adams Frau ganz profan ein paar Käsestullen, als sie vom Tod ihres Mannes erfährt?

Der Groove stimmt

Wohltuend dabei ist, dass Borowski und Brandt, so scheint's, endlich den richtigen Groove im Umgang miteinander gefunden haben. Sarah Brandt agiert kaum noch wie die um Lob heischende Volontärin, Milbergs etwas verwöhnter Borowski verzichtet zwar nachhaltig auf Nassrasuren, ebenso aber auch auf jegliche onkelhafte Ironie, die sonst seinen Ton auszeichnete. Vielmehr ist fast so etwas wie Sorge und Empathie für die an Epilepsie erkrankte Kollegin an die Stelle einstiger Arroganz getreten.

Auch die Bilder, die Regisseurin und Grimme-Preisträgerin Sabine Derflinger für diesen Fall findet, ziehen direkt in die Story hinein. Das für einen "Tatort" ungewöhnliche Intro mit seinen Unterwasseraufnahmen (die übrigens vom real tatsächlich existierenden Geomar-Institut stammen) etwa ist eine exquisite Eröffnung der Episode. Die meditativen Fahrten entlang der Kieler Küste sind stimmungsvoll, das Kameraspiel mit den Damen im Auge des Orkans, Karoline Eichhorn und Nicolette Krebitz, ist wunderbar dezent und lässt dem Schauspiel der beiden allen erdenklichen Platz.

Knabbern, nachdenken, abhauen

Dann jedoch, als alles angerichtet scheint für eine klassische Scharade um Moral und Werte, Liebe und Lust, verknallt sich dieser Fall ein bisschen zu sehr in seine vielen Ideen und lässt dabei den Plot aus der Hand fallen wie ein angetrunkener Ex-Käpitan das Knäuel Seemannsgarn. Da taucht als Cameo Marke Simpsons plötzlich "Der Schwarm"-Autor Frank Schätzing auf und lässt ein paar gewichtige Sätze ab, klettert Borowski höchstpersönlich ins gelbe Unterseeboot, um den Meeresgrund abzusuchen. Und schließlich steigt auch noch der "erschossene" Adam wieder aus den Fluten empor und erpresst seinen einstigen Arbeitgeber, um mit dem Geld und seiner Ex- und Wieder-Geliebten nach WohinDuWillst zu flüchten, um ein neues Leben anzufangen.

Was vielversprechend begann, trudelt so etwas hilflos dem Showdown entgegen. Marex-Chefin Vegener trinkt Rotwein, knabbert Nüsschen und will "einfach nur nachdenken". Ihr Auftragskiller entpuppt sich nicht nur als Mann mit fragwürdiger Frisur, sondern auch in Sachen Job-Erledigung als tölpeliger Doofmannsgehilfe. Einzig Nicolette Krebitz, selbst Opfer einer etwas dubiosen Plotwendung, behält würdevoll den Kopf oben. Sie war es schließlich, die den Mord an ihrem Mann mitinszeniert hat und eine Leiche von ihrem Arbeitgeber, einem Kieler Krankenhaus, geklaut hat, die man an Stelle ihres Mannes aus der Kieler Förde ziehen sollte. DNA-Test? Gebiss-Überprüfung? Hm, stimmt, da war doch was. Der bedingungslos Liebenden ist das egal und die Krebitz bringt sogar diesen kruden Dreh - mit der stillen Brüchigkeit etwa der legendären Angela Winkler - famos über die Rampe und bewahrt schließlich so das Kieler "Yellow Submarine" vor dem Untergang.

Quelle: ntv.de

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