"Dein Name sei Harbinger" Der Berliner "Tatort" im Schnellcheck
10.12.2017, 21:42 Uhr
Uh Baby Baby: Kinderwunsch und Nachwuchsneid - und Karow mittendrin.
(Foto: rbb/Gordon Muehle)
Eben noch kreuchten Bono und The Edge durch die Berliner U-Bahn, da befinden wir uns schon wieder in der Unterwelt. Rubin und Karow bekommen es mit einem verschrobenen Schlüsselmeister und einem Doktor der besonders mörderischen Art zu tun.
Das Szenario

Hanneke Tietzsche (Almut Zilcher) steht ihrer totkranken Partnerin Irene Wohlleben (Eleonore Weisgerber) bei.
(Foto: rbb/Gordon Muehle)
Diesmal müssen sich Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) eines Falles annehmen, der nur äußerst schwer zu verfolgen ist. Zum einen sind die beiden Berliner Nachtschattengewächse vermehrt mit sich selbst und den Fußangeln des Alltags beschäftigt, zum anderen deutet zunächst alles auf den U-Bahn-Maulwurf Werner Lothar (Christoph Bach) hin - und damit nur teilweise in die richtige Richtung. Als man eine verbrannte Leiche in einem Transporter findet, ergibt sich im Abgleich mit drei anderen Fällen ein mysteriöses Muster: Die vier Toten wurden allesamt mithilfe von In-Vitro-Fertilisation gezeugt. Die Spur führt schließlich zu Dr. Wohlleben (Trystan Pütter), seiner Mutter, Klinikchefin Dr. Irene Wohlleben (Almut Zilcher), und deren Lebensgefährtin Hanneke Tietzsche (Eleonore Weisgerber), die kurz vor dem Ableben steht. Für Kommissarsanwärterin Anna Feil (Carolyn Genzkow) bekommt der Fall zudem eine ganz persönliche Note.
Die eigentliche Botschaft
Einschalten, um mal abzuschalten. Nach den kontrovers diskutierten Extrem-"Tatorten" der letzten Wochen und Monate ist auch der neueste Fall aus Berlin ein Vergnügen der unkonventionellen Art, das sich wenig bis gar nicht um eine Botschaft schert. Dabei schafft es Regisseur Florian Baxmeyer ausgesprochen unterhaltsam, die lineare Charakterisierung seiner beiden Protagonisten mit dem Serienmörder-Drama um den irren Pathologen und den pathologischen Irren zu kombinieren.
Darüber wird in der Mittagspause geredet
Vielleicht über Christoph Bach. Darüber, wie es ihm gelingt, trotz neun (in Zahlen -9-) Auftritten im "Tatort" dem Format immer noch eine neue Facette, einen eigenen Dreh zu geben und herauszustechen. Jener Harbinger, den er diesmal spielt, dürfte sich dabei in den ewigen Olymp oder besser in den ewigen Hades der "Tatort"-Irren hinabschwingen. Dabei läuft er dem anderen Irren vom Dienst durchaus den Rang ab, denn wo Eidingers Lars den Nicholas Cage gibt - großäugig, laut, übercrazy - da gleitet Bach durchs Geläuf wie der junge De Niro, ein fiebriges Wiesel, verstrahlt und innerlich brodelnd. Und macht fast völlig vergessen, dass Doc Wohlleben der eigentliche Durchgeknallte ist.
Der Plausibilitätsfaktor
Fehlanzeige. Das Sujet der In-Vitro-Fertilisation gibt rein theoretisch einen Background für ein vielschichtiges Rache-oder-was-auch-immer-Drama um Kinderwunsch und Nachwuchsneid, Rachegelüste, Entwurzelung, Lebenslügen ab. Die Realität aber lässt man links liegen und zäumt stattdessen den Harbinger-Zossen mit ordentlich Tam-Tam und Pommeln und verschrobenem Personal auf: Troglodyten, wahnsinnige Doktoren, Bullen ohne Skrupel.
Die Bewertung
9 von 10 Punkten. Ein "Tatort" wie die Stadt, in der er spielt. Unkonventionell, rau, chaotisch und ein wenig selbstgefällig, kurzum: bestes Sonntagabend-Entertainment.
Quelle: ntv.de