"Mensch Gottschalk" feiert Premiere Der Marathonmann ist wieder da!
06.06.2016, 06:13 Uhr
Vier Stunden in langweiliger Sitzgarnitur? - Thomas Gottschalk meistert alles bravurös.
(Foto: dpa)
Ach, da ist er ja schon wieder: Thomas Gottschalk ist sich seiner polarisierenden Wirkung auf die TV-Nation durchaus bewusst. Nach vier Stunden Infotainment deluxe kann sich der Showmaster aber auf die Schulter klopfen.
Sonntagabend, Prime-Time: Während im Ersten der "Tatort" seine Runden dreht und auf VOX Koch-Profi Steffen Hennsler zum Brutzel-Finale lädt, drängt auf RTL ein Mann zurück ins Rampenlicht, der seine letztes TV-Wochenend-Feuerwerk am 3. Dezember des Jahres 2011 zündete. Sein Name: Thomas Gottschalk. Seine Mission: Entertainment meets Tiefe.
Mit "Geschichten, die Deutschland bewegen", will der ergraute Show-Titan zurück auf den TV-Thron. Und da er wie kein Zweiter weiß, wie der Business-Hase läuft, fährt er auch gleich zu Beginn mit einem neckischen Grinsen im Gesicht die Ellenbogen aus.
Warum man die kommenden knapp vier Stunden bei ihm bleiben solle? Na, weil sich der "Tatort" gar nicht lohne, so das ehemalige "Wetten, dass..?"-Aushängeschild. Sekunden später weiß jeder, dass es "Paula" war. Die vermeintliche "Tatort"-Mörderin ist entlarvt, dank Gottschalk. Der spoilert mal eben so im Vorbeigehen das Ende von Deutschlands beliebtester Krimi-Institution. Man höre und staune. Chapeau. Der Mann weiß immer noch, wie man sich im Rennen um Quotenprozente als Erster durchs Ziel drängelt.
Vier Stunden ohne "Anklatscher"
Der Anfang ist also gemacht. Doch wie geht’s weiter? Vier Stunden in einem kleinen Berliner TV-Studio, umgeben von einer lieblos platzierten Sitzgarnitur und knapp 100 Gästen, denen nicht einmal ein "Anklatscher" einheizt, können sehr lang werden. Das weiß auch ein Thomas Gottschalk. Und so hat er sich für seine Show-Rückkehr ganz besondere Themen und Gäste ausgesucht. Das Konzept: Wohldosiertes Entertainment trifft auf das Leben im Hier und Jetzt.
Was bewegt Deutschland? Thomas Gottschalk ist sich sicher. Die Fernseh-Nation will wissen, wie sich die deutschen EM-Einlaufkinder vor ihrem großen Auftritt am kommenden Sonntag fühlen. Sie will aus den Mündern von Ex-Nationaltorwart Timo Hildebrand und Sportmoderator Matthias Opdenhövel erfahren, wie man als Terrorzeuge mit dem aktuellen Bedrohungsstatus umgeht. Und natürlich wollen die Deutschen auch wissen, welche Gedanken einem durch den Kopf schießen, wenn man auf der Autobahn bei Tempo 130 die Hände vom Lenkrad nimmt. Gottschalk zaubert sie allesamt aus dem Hütchen: die Geschichten, über die hierzulande alle reden. Und das wahlweise mit über die Jahrzehnte verfeinertem Humor oder sensiblem Einfühlungsvermögen.
Thomas Gottschalk weiß genau, wann er mit einer Pointe über die Stränge schlagen kann und wann es besser ist, einfach nur aufmerksam zuzuhören. Zusammen mit Niki Lauda und Daimler-Chef Dieter Zetsche kann man schon mal kumpelhaft über die Zukunft des "autonomen Fahrens" philosophieren. Den ergreifenden Worten einer jungen Syrerin, die auf ihrer Flucht nach Europa kilometerweit durchs Mittelmeer schwimmen musste, sollte man hingegen nur aufmerksam lauschen. Gottschalk kann das.
Gottschalk hat alles in petto
Nach über 40 Jahren TV-Präsenz hat der Moderator alles in petto. Ein paar Scherze mit dem Präsidenten des europäischen Parlaments auf Kosten von Wladimir Putin und Angela Merkel? Kein Ding. Ein spontanes Stichel-Telefonat mit seinem Show-Buddy Günter Jauch? Auch kein Problem. Und freundschaftliche Smalltalks mit Nena und den Pet Shop Boys? Highlights für andere Kollegen, die Thomas Gottschalk im Vorbeigehen abhakt. Die spannende Frage, die sich TV-Deutschland aber in den vergangenen Tagen stellte, war: Findet der Entertainer auch Zugang zu all den bedrückenden Themen der Sendung?
Wie verhält sich die 66-jährige Quasselstrippe, wenn eine junge Leukämie-Patientin von ihrem bedrückenden Schicksal erzählt? Und wie begegnet er zwei Flutopfern aus dem niederbayerischen Simbach? Thomas Gottschalk bricht das Eis mit seinem ausgeprägten Gespür für den Moment.
Das "Umschaltspiel" war schon immer eine der großen Stärken des Moderators. So auch heute. Höhepunkt: das einfühlsame Kurzgespräch mit dem querschnittsgelähmten Samuel Koch. Nach vier Stunden steht fest: Gottschalk hat’s immer noch drauf. Sicher, die eine oder andere Stunde weniger hätte es auch getan. Aber im Großen und Ganzen lieferte der Altmeister solide ab. Ob es allerdings für eine Rückeroberung des TV-Throns reicht, werden wohl erst die nächsten "Mensch Gottschalk"-Ausgaben zeigen. Die Rede ist derzeit von drei Nachschlägen. Man wird sehen. Eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer. Auf der anderen Seite könnte man jetzt auch einen Udo Jürgens-Gassenhauer auflegen. "Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an…"
Quelle: ntv.de